In zahlreichen Schlachten ging es um die Verteidigung der christlichen Identität Europas. Herrscher, Feldherren und mutige Kämpfer trugen dabei ihre Namen in die Geschichtsbücher ein. Einer davon ist Jean Parisot de la Valette: Großmeister der Malteserritter, Verteidiger Maltas gegen eine türkische Übermacht und damit „der Schild Europas“. Am 21. August 1568, vor genau 450 Jahren, starb er.
Jean Parisot de la Valette, 1494 geborenes Kind einer französischen Adelsfamilie, trat im Alter von 20 Jahren dem Orden vom heiligen Johannes zu Jerusalem bei. Damit verschwor er sich den Verpflichtungen des Ordens, die Kranken zu pflegen – und die Christenheit zu verteidigen. La Valette durchlebte nicht nur die entscheidenden Stunden des Ordens. Er führte ihn auch zu bleibender geschichtlicher Größe. Denn als im Mai 1565 die gewaltige Flotte des türkischen Herrschers Soliman I. auf Malta zufuhr, war er es, der alles aufbot, um die Insel gegen eine erdrückende Übermacht zu verteidigen.
Erst 1530 schenkte Kaiser Karl V. den Ordensmännern vom heiligen Johannes (heutiger Malteserorden) die Inselgruppe Malta und Gozo sowie Tripolis. Zuvor hatte eben jener Soliman der Prächtige die Ritter nach 200-jähriger Herrschaft über Rhodos von dort vertrieben. Jean de la Valette erlebte als junger Mann die Belagerung und den Abzug seines Ordens in der zweiten Hälfte des Jahres 1522. In der Zwischenzeit war der Ritterorden heimatlos.
1541 wurde la Valette bei einer Seeschlacht mit Piraten der Berberküste schwer verwundet und geriet in Gefangenschaft. Ein Jahr lang musste er das harte Leben eines Galeerensklaven führen, bis ihm ein Gefangenenaustausch die Freiheit schenkte. Der begabte Jean de la Valette durchlief danach mehrere wichtige Ämter im Orden. Darunter das des Gouverneurs von Tripolis, des Großkommandeurs und Großpriors von St. Gilles und des Großadmirals der Ordensflotte, bevor er 1557 zum 49. Großmeister des Ordens vom heiligen Johannes zu Jerusalem gewählt wurde. In dieser Funktion erwartete ihn seine eigentliche geschichtliche Rolle.
Islamische Expansion
Die Liste der Eroberungen von La Valettes Gegenspieler Soliman I. ist lang. Er trieb die islamische Expansion über seine gesamte Regentschaft voran, drang nach Siebenbürgen und Ungarn vor, unterwarf Belgrad und belagerte Wien 1529. Malta galt zu der Zeit als strategisch wichtige Insel, um das westliche Mittelmeer zu beherrschen, aber auch als Sprungbrett nach Sizilien und damit Europa.
Mit einer Flotte von mehreren hundert Schiffen und – vorsichtigen Schätzungen zufolge – mindestens 30.000 Soldaten, bewegte sich die Flotte des Sultans Soliman gen Malta, um die Insel zu unterwerfen und den Ordensrittern erneut ihre Heimat zu nehmen. Später kamen noch starke Kontingente aus Ägypten und des berühmten Piraten Dragut hinzu.
Nach der Landung der Osmanen entwickelte sich eine mehrmonatige Belagerungsschlacht, die an Härte kaum zu überbieten war. Die Festungen der Ritter, die eigentlich binnen weniger Tage hätten fallen sollen, hielten sich nach der Landung am 19. Mai 1565 fast vier Monate, bis zum 8. September des gleichen Jahres. Und das, obwohl die Malteserritter auch zahlenmäßig weit unterlegen waren. Die Zahl der Verteidiger, Ritter und Soldaten, wird auf etwa 9.000 Mann geschätzt.
20.000 Tote
Die Belagerer zogen schließlich ab. Enorme Verluste – man geht von etwa 20.000 Toten aus – sowie Lebensmittelknappheit und die Ankunft einer frischen Entsatzarmee entmutigten sie. Nach zahlreichen Eroberungsversuchen der einzelnen Festungen – von denen nur das kleine Fort Elmo nach erbittertem Widerstand fiel – suchten die Osmanen, bereits demoralisiert, eine Entscheidungsschlacht, in der sie ebenfalls geschlagen wurden.
Nicht zuletzt die Lehren La Valettes aus der Verteidigung der alten Ordensinsel Rhodos sowie die in Zeiten der Seefahrt und als Galeerensklave erworbene Härte ließen ihn als Verteidiger der Insel die richtigen Entscheidungen treffen – auch wenn sie nur zu oft für die verteidigenden Ritter und Soldaten ein hartes Los bedeuteten.
Wiederaufbau der Insel
Nach Abzug der islamischen Flotte machten sich die Malteserritter sofort an den Wiederaufbau der Insel und der Verteidigungsanlagen. So wurde La Valette nicht nur zum Verteidiger Maltas. Er schuf in Zusammenarbeit mit renommierten Festungsbauern auch das neue Antlitz der Insel, mit seinen vielen, bis heute erhaltenen Verteidigungsanlagen. Die neue Hauptstadt der Insel, an der Stelle des hartnäckigen Forts Elmo gelegen, ist daher nach dem Großmeister benannt: Valletta.
Jean de la Valette hat nicht nur ein außergewöhnliches Leben geführt. Er hat auch das Schicksal Europas in einem nicht abschätzbaren Maß beeinflusst. Am 21. August 1568 verstarb er. Während es zahlreiche Werke über die Belagerung Maltas und das Leben La Valettes auf Spanisch, Italienisch oder Englisch gibt, ist die deutschsprachige Literatur dazu relativ rar.
Die packende, historisch abgesicherte Erzählung des britischen Historikers Ernle Bradford „Der Schild Europas“ bildet da eine Ausnahme. Die Lektüre ist zu empfehlen. Und es drängen sich dabei einige Fragen auf: Wo ist dieses kompromisslos überzeugte, verteidigungsbereite Christentum von damals? Was wäre mit Europa geschehen, wenn Großmeister La Valette einen ökumenischen Stuhlkreis dem Schwert vorgezogen hätte? Und warum werden diese Leuchttürme europäischer Geschichte im Schulunterricht so spärlich vermittelt?
Wer die Identität Europas kennen und erhalten möchte, kommt an den Entscheidungsschlachten des Abendlandes nicht vorbei. Nicht nur anlässlich la Valettes Todestag lohnt es sich daher, sein Leben und Wirken erneut zu betrachten.
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