Der Präsidentschaftswahlkampf in den USA geht in die letzte Runde. Da zerstreiten sich Teile der Republikaner. Was steckt dahinter?
Gleich vorneweg: Das Tonband, auf dem Donald Trump sagt, als Star könne man mit Frauen alles machen, wurde ganz sicher nicht von den Demokraten um Hillary Clinton geleakt, sondern von seinen Feinden in der republikanischen Partei. Das hat zwei einfache Gründe. Zum Ersten ist Trumps Gesprächspartner in dem inkriminierenden Tonband kein anderer als Billy Bush, der Vetter des ehemaligen Präsidenten George W. Bush und seines weniger glücklichen Bruders Jeb. Es handelt sich um die Aufnahme eines privaten Gesprächs zwischen ihm und Trump, von der Trump höchstwahrscheinlich nichts wusste. Außer Billy Bush wusste wohl keiner, dass diese Aufnahme überhaupt existierte.
Politik und Sex
Zum Zweiten: Wenn man jemanden mit seinem Sexualverhalten unmöglich machen möchte, nun, dann sollte man besser in keinster Weise mit Bill Clinton in Verbindung stehen, sonst könnte sich ein gewisser Bumerangeffekt einstellen. Dabei geht es bei weitem nicht nur um den auch in Deutschland immer noch in Erinnerung befindlichen Lewinsky-Skandal. Bill Clinton wurde mehrfach der sexueller Übergriffe beschuldigt. Einen Fall konnte er nur durch eine Zahlung von 800.000 Dollar beilegen – was die um ihre geschändete Ehre klagende Frau zwar zu einer Hure macht, die nur hinterher statt vorher um den Preis verhandelte, aber das ist ein anderes Thema.
Trump gelang es schließlich auch den Angriff auf genau diese Weise zu parieren, indem er die Aufmerksamkeit auf das Sexualleben Bill Clintons lenkte. Hier schadet es auch nicht, dass Hillary die Opfer ihres Ehemannes bedroht haben soll. Die üblichen Tiefen eines amerikanischen Wahlkampfes. Im Netz kursiert inzwischen die, wenn auch nicht gerade wahrscheinliche Theorie, Trump selbst habe die Veröffentlichung des Tonbandes veranlasst, um durch diese Steilvorlage Bill Clintons alte Sexgeschichten wieder durch die Öffentlichkeit zu zerren. Gleichzeitig versuchen die Trump gegenüber feindlichen Medien jetzt auf Teufel komm raus irgendeine Missbrauchsgeschichte zu erdichten. Pünktlich kurz vor der Wahl melden sich Opfer, die vor Jahrzehnten von Trump befummelt sein wollen und bis jetzt geschwiegen haben.
Die Neocons gehen von Bord
Unter dem Schatten all dieser Unwürdigkeiten geht jedoch Wichtigeres vor. Die Neocons in der Republikanischen Partei verlassen offiziell Trump. Als Vorwand dient ihnen das besagte Tonband. Trump und die Neocons passten nie gut zusammen. Seit über einem Jahrzehnt kritisiert Trump den Irakkrieg. Trumps Erfolge beruhen nicht zuletzt darauf, sich als Friedenskandidat gegenüber der immer wieder für militärische Interventionen eintretenden Clinton darzustellen.
Das auch für Trump nicht, wie einige seiner weniger intelligenten europäischen Anhänger glauben, die amerikanische Welthegemonie zur Disposition steht, sollte selbstverständlich sein. Dennoch steht er für einen radikal anderen Kurs als den der letzten fünfundzwanzig Jahre. Er hat begriffen, dass die Vereinigten Staaten, um dem Schicksal der imperialen Überdehnung zu entgehen, sich wirtschaftlich erholen und die vorhandenen Kräfte gegen den neuen Rivalen China richten müssen, anstatt im Mittleren Osten und gegen Russland den Phantasmagorien von Israellobbyisten und kalten Kriegern nachzujagen. Unter Leuten, deren Gedankenwelt sich seit zwei Jahrzehnten um Farbenrevolutionen und Demokratieexport dreht, ist er damit zur Unperson geworden.
Trumps schärfster Gegner ist die National Review
Die Intellektuellen der neokonservativen Bewegung standen zu einem guten Teil bereits von Anfang an im Lager Clintons. Robert Kagan etwa, ehemaliger Republikaner, Mitgründer der Denkfabrik „Project for the New American Century“ und Ehemann der für den Maidanputsch mitverantwortlichen Victoria „Fuck the EU“ Newland, trommelt bereits seit Beginn diesen Jahres für Clinton. Trumps schärfster publizistischer Gegner ist nicht die New York Times, sondern die National Review.
Doch die Neocons, die die Schaltstellen der republikanischen Partei besetzen, hatten sich nach Trumps Nominierung öffentlich mit dem Außenseiter ausgesöhnt. Das sichtbarste Zeichen dieser Verständigung war die Nominierung von Mike Pence zum Vizepräsidenten, eine Besetzung, an der Trump, wenn man Insiderberichten glauben schenkt, schwer zu kauen hatte. Jetzt haben sich die Neocons aber ebenso öffentlich von Trump abgesetzt. Man kann endlos darüber spekulieren, ob das Ganze nun von langer Hand geplant war, oder ob es sich um eine kurzfristige Panikreaktion handelt. Die Gerüchteküche ist wieder einmal am Überlaufen. Das entscheidende ist jedoch eines: Indem sie dem Kandidaten ihrer eigenen Partei kurz vor der Wahl in den Rücken fallen, hat der republikanische Teil des amerikanischen Establishments kurz vor der Wahl noch einmal den Einsatz erhöht. All In!
Der Bruch eskaliert
Im amerikanischen Präsidialsystem muss ein Präsident keineswegs der starke Mann seiner Partei sein. Trump ist es bisher nicht. Bis Ende vorletzter Woche wäre es möglich gewesen, dass Trump zwar Präsident wird, das republikanische Establishment aber im Großen und Ganzen unversehrt bleibt, solange es den Präsidenten nicht offen brüskiert. Dieser Weg ist nun versperrt.
Trump reagiert bereits auf die neue Eskalationsstufe der von beiden Seiten des Establishments betriebenen Kampagne gegen seine Person. Seine Rhetorik, die er seit seiner Nominierung auf einen präsidialeren Tonfall zurückgefahren hatte, ist scharf wie nie zuvor. Während der zweiten Präsidentendebatte brüskierte er offen seien designierten Vizepräsidenten Mike Pence. Dieser hatte ein weiteres Vorgehen in Syrien gegen Assad und Russland gefordert. Trump stellte klar, dass er mit Russland und Assad gegen den IS zusammenarbeiten wolle und erklärte auf Nachfrage offen den Dissens mit seinem running mate.
Die eigene Partei bedroht die Demokratie
In einer kürzlich in Florida gehaltenen Rede, in der er sich hauptsächlich gegen die aufgekommenen sexuellen Vorwürfen verteidigte, erklärte er die anstehende Wahl zur Entscheidung darüber, ob die Vereinigten Staaten ihre Demokratie, oder nur den Schein einer Demokratie behalten werden. Dass er zu den die amerikanische Demokratie bedrohenden Elementen auch das Establishment der eigenen Partei zählt, war kaum mehr verhüllt.
Was diesen unter einer Regierung Trump blühen könnte, zeigt bereits ein diesen Montag vorgelegter Fünf-Punkte Plan gegen Korruption. Der Kern dieses Plans besteht darin, Amtsträgern und Kongressabgeordneten sowie ihren Mitarbeitern für die ersten fünf Jahre nach ihrem Ausscheiden jedwede Lobby-Tätigkeit zu untersagen. Würde dieser Plan umgesetzt, würde er die bestehenden Machtstrukturen des demokratischen wie republikanischen Establishments in ihren Grundfesten erschüttern. Denn solche Lobbyisten, „Berater“ etc. sind im jetzigen System die wichtigsten Mittelsmänner zwischen den Großspendern und den aktiven Politikern. Die Versorgung mit entsprechend gutbezahlten Posten hingegen ist, neben den bekannten Rednerhonoraren, die wichtigste Form der retroaktiven Bestechung. Zum Allermindesten müsste das bisherige System der Korruption weitgehend umgestellt werden.
Es stehen Säuberungen bevor
Das Tischtuch ist zerschnitten, die republikanische Partei offen gespalten. Für Trumpisten und Neocons ist in einer Partei kein Platz mehr. Sollte Trump am 8. November siegen, wird er gar keine andere Wahl haben als seine innerparteilichen Gegner unschädlich zu machen. Sollte Trump die Wahl verlieren, wird die Sache komplizierter. Denn Trumps Anhänger werden jetzt den Neocons, die Trump in den Rücken fielen, die Schuld an einer eventuellen Niederlage geben. Es ist fraglich, ob die Parteibasis ohne die Trumpisten überhaupt noch lebensfähig wäre. Eine neue politische Vision haben die Neocons sowiso nicht zu bieten. Es wäre dann möglich, dass sich die Grand Old Party selbst zerstört. So oder so, es stehen Säuberungen bevor.
(Bild: Donald Trump, von: Gage Skidmore, flickr, CC BY-SA 2.0)
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