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Die Wende war Erfurts Rettung

Das historische Andreasviertel ist eines der exponiertesten Beispiele für die Absurditäten des realexistierenden Sozialismus. Der Verfall war von der Partei kalkuliert, um alsbald die marode Bausubstanz gänzlich abzureißen und durch „Neubauten“ (alles, was nach WK II neu gebaut wurde, nannte man so) zu ersetzen. Was im Zweiten Weltkrieg nicht gelang, die Auslöschung eines weiteren Teils des kulturellen deutschen Gedächtnisses über die Zerstörung der Bausubstanz, hätten die Genossen ohne Krieg mit ihrem Großprojekt „Ruinen schaffen, ohne Waffen“ vollendet.

Der Focus hat zu diesem Thema für die Lesefaulen ein Video gedreht.

Erfurt,  erst seit der Neugründung des Bundeslandes Thüringen nach der Wende Landeshauptstadt, zieht heute wieder sozusagen als Flächendenkmal jährlich Millionen von Touristen an. Erfurt war bereits im Mittelalter eine Großstadt, die im Zentrum der Via Regia, der ältesten europäischen Handelsroute von Santiago de Compostela bis Kiew lag. Der Handel mit dem Färbestoff Waid garantierte bis zur Entdeckung des Indigo in der Neuen Welt Reichtum. Erfurt ist – auch aber nicht nur – baulich einer der heute noch existierenden Fingerzeige auf die Deutsche Kultur des Hochmittelalters.

Die Thüringer gehen, soweit man lautgeschichtlich und frühgeschichtlich nachweisen kann, auf die westgotischen Terwingen zurück, zu denen auch Wulfila zu zählen ist. Erfurt ist nicht nur eine alte germanische Siedlung, sondern hier atmet man die ganze deutsche Geschichte, weil Erfurt schon unter den Karolingern und Ottonen eine Königspfalz war, seit dem Hochmittelalter von Kurmainz beherrscht wurde, später als Fürstentum Erfurt direkt Napoleon (dem so genannten „Kaiser“) unterstellt war, um dann eine Enklave Preußens innerhalb der preußischen Provinz Sachsen zu bilden. Da haben wir über Krämerbrücke, Meister Eckhart, lustige Geschichten wie „Das tolle Jahr von Erfurt“ oder den „Erfurter Latrinensturz„, oder den Obelisken auf dem Domplatz, der der Wiederaufrichtung des Deutschen Reiches gewidmet ist, noch gar nicht gesprochen.

Das ist mein Deutschland. Hier regierten auch nie die Römer, was Mitteldeutschland nunmal vom Süden und Westen maßgeblich unterscheidet.

Bild: André Karwath

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