Vizeadmiral Kay-Achim Schönbach hat im fernen Indien laut nachgedacht: Was Staatspräsident Putin wirklich wolle, sei „Respekt auf Augenhöhe“. Und das koste fast nichts. Und: „Die Krim ist weg, und sie wird nie wieder zurückkommen.“ Das ist wohl wirklich ein Fakt.
Freilich: Der Westen kann die Einverleibung der Krim durch Rußland völkerrechtlich nicht anerkennen, muß es aber wohl faktisch hinnehmen, so wie er 1961 den Bau der Mauer in Berlin hingenommen, aber niemals anerkannt hat.
Außenminister Lawrow hat ja jüngst auf seiner der Pressekonferenz aus Anlass des Gesprächs mit US-Außenminister Blinken wortreich – auch auf Nachfragen – beklagt, daß Rußland der Verlierer der geopolitischen Entwicklung der zurückliegenden 30 Jahre in Europa sei. Dem ist offensichtlich so. Rußland fühle sich durch NATO und EU bedroht. Wenn jemand sagt, er fühle etwas, kann man das nicht leugnen, sondern nur einfach zur Kenntnis nehmen.
Gleichzeitig beteuerte er, Rußland bedrohe niemanden. Auch das kann man nur zur Kenntnis nehmen. Umgekehrt fühlen sich die baltischen Staaten, Polen und inzwischen auch Finnland und Schweden von Rußland bedroht. Auch das kann ja wohl nur zur Kenntnis genommen werden. Und NATO und EU beteuern, daß sie Rußland nicht militärisch bedrohen. So stehen sich dieselben Gefühle und Beteuerungen konträr gegenüber. Wie löst man das auf?
Man muß wohl ganz nüchtern die russischen Interessen zur Kenntnis nehmen, ohne sie irgendwie gutzuheißen. Umgekehrt hat der Westen Interessen, die allerdings nicht mit Moralschwurbelei und einer Attitüde, die ganze Welt retten zu wollen, festzustellen sind. Welche Interessen sollte der Westen mit der NATO haben, sich auch auf die Ukraine auszudehnen? Eine neutrale Ukraine, die aber eben auch deren eigenständige Existenz mit einen „Sondergebiet“ Ostukraine garantiert, käme den Interessen des Westens wie Rußlands entgegen und wäre ein vernünftiger Kompromiß.
Rußland will sich den dauerhaften Zugriff auf die Industrie und Rohstoffe der Ostukraine sichern, den es ja jetzt bereits hat und was der Westen nicht rückgängig machen kann. An der armen Westukraine, die Rußland nur Schwierigkeiten bereiten würde, dürfte Putin wohl kaum Interesse haben. Der Westen kann natürlich unmöglich Rußland darüber bestimmen lassen, wer in die EU und die NATO aufgenommen wird, aber da genügt wohl ein Nebensatz, daß dies garnicht ansteht. Gibt es etwas, was gegen die Vereinbarung eines neutralen Status mit der und für die Ukraine spricht, ähnlich dem von Finnland und Österreich? Das würde dem Westen auch weiter ermöglichen, die demokratische und wirtschaftliche Entwicklung der Ukraine zu fördern.
So können wir aus der Krise rauskommen. Rußland hätte mit seinem Panzerkettengerassel erreicht, daß es nicht mehr ganz (!) so als Paria unter den Weltmächten behandelt wird. Säbelgerassel gehört immer als Hintergrundmusik zu diplomatischen Verhandlungen und man darf als Politiker und Beamter nicht zu früh zu erkennen geben, zu welchen Kompromissen man bereit ist. Das ist der Fehler von Herrn Schönbach, zu früh öffentlich gesagt zu haben, was wohl viele Militärs und Diplomaten auch meinen.
3 Kommentare zu “Ein diplomatischer Fauxpas: Die Wahrheit gesagt”