Rezension

Film: In Liebe, Eure Hilde

Das Genre über den Deutschen Widerstand gegen den Nationalsozialismus sollte mittlerweile eigentlich ausgelutscht sein, sollte man meinen. Mit In Liebe, Eure Hilde hat Regisseur Andreas Dresen (bekannt u.a. durch Gundermann, 2018) allerdings einen recht unkonventionellen Film geliefert, der das Genre doch um einen interessanten Beitrag erweitert.

Die Geschichte, um die es geht, ist bekannt und schnell erzählt. Etliche Jugendliche, die ihre Ablehnung gegen die Nazis eint, finden sich im Berlin des 2. Weltkrieges unter dem Decknamen Rote Kapelle zusammen, um gegen das Hitlerregime verdeckt zu agieren. Der Begriff Rote Kapelle war dabei eine Fremdzuschreibung der Gestapo, die hier ein größeres Netzwerk vermutete, welches im Stande sei, wichtige Informationen an die Feindmächte weiterzuleiten.

Auf Spionage steht die Todesstrafe

Anders als andere zivile Organisationen, wie etwa die christlich und patriotisch geprägte Weiße Rose, fand die Rote Kapelle in der Bundesrepublik bisher nie so richtig hinein in den Kanon gesellschaftlich anerkannter Widerstandsgruppen gegen den Nationalsozialismus. Das liegt insbesondere an ihrer unterstellten Nähe zu kommunistischen Ideen, sowie am Image des absichtlichen Landesverrats. Der Bundestag hob die ergangenen Verurteilungen gegen Mitglieder der Roten Kapelle, die zumeist Todesurteile waren, dann auch erst 2009 auf.

Zu bedenken ist an dieser Stelle, daß damals auch in den westlichen Demokratien Menschen hingerichtet wurden, die zu Kriegszeiten Spionage für die Gegenseite betrieben. Wenn in manchen Monaten hunderte oder tausende eigene Soldaten fallen, erhoffen sich die Regierungen von Todesstrafen gegen Verräter aus den eigenen Reihen eine abschreckende Wirkung an potentielle Nachahmer.

Ein unterschiedlicher Umgang in Ost und West

Anders als in der BRD pflegte man das Andenken an die Rote Kapelle hingegen in der DDR. Allerdings wurde hier deren konkrete Bedeutung aus ideologischen Gründen auch teilweise maßlos überhöht. Man ersponn hier nachträglich ein enges und effektives Netzwerk, welches es so nie gab. Die Realität sah hingegen eher so aus, daß es sich bei der Roten Kapelle in der Regel um lose Freundescliquen handelte, die zumeist regimekritische Aufkleber verteilten und Informationen abgehörter „Feindsender“ weitergaben. Den eigentlichen Kern, der Spionage betrieb und Informationen aus dem Reichsluftfahrtministerium nach Moskau funkte, bildeten hingegen nur einige wenige.

Im Mittelpunkt der Erzählung des Films steht Hilde Coppi und deren Liebesbeziehung zu ihrem Ehemann Hans, welche durch deren Verhaftung als Mitglieder der Roten Kapelle leider nur von kurzer Dauer ist. Dadurch wird ihre Beziehung stilistisch in ein platonisch zu nennendes Licht erhöht, da sie durch ihr jähes Ende so romantisch überhöht wird. Gekrönt wird ihre Liebe zudem noch durch unerwarteten Nachwuchs. Hilde bringt einen Sohn zur Welt – da sitzt sie jedoch bereits im Gefängnis und wartet auf ihre Hinrichtung. Ihr Sohn, soviel kann man an dieser Stelle verraten, wird später von der Großmutter aufgezogen und lebt heute noch.

Die Hölle Plötzensee

Der Film wird ab dieser Stelle besonders durch den Gefängnisalltag von Hilde Coppi geprägt, in dessen erdrückend-traurigen Alltag doch viele menschliche Regungen zum Vorschein kommen, um der sympathischen Figur der Hilde zu helfen. Sogar ein Begnadigungsersuch wird von Gefängniswerterinnen und der Gefängnisdirektorin begründet und unterschrieben, letztlich aber von Hitler selbst abgelehnt.

Die Szene zum Schluß des Films, rund um das Hinrichtungsgebäude von Plötzensee, dürfte mitunter eine der eindringlichsten und dramatischsten sein, wie sie das deutsche Kino seit langer Zeit nicht mehr hervorgebracht hat. Das stille Warten auf das nahe Ende, der kalte vorschriftsmäßige Ablauf und schließlich das mechanische Fallen des Beils erzeugen im Zuschauer eine unerträgliche Atmosphäre, wie sie verstörender – und wohl auch realer – kaum sein könnte.

Kein typischer Film über die NS-Zeit

Trotz der zeitlichen Abgeschlossenheit des Films soll dieser aber ausdrücklich kein rein historischer sein, sondern gerade uns Nachgeborene zum Denken über unsere Zeit anregen. Dresen arrangierte deshalb die Kostüme der Schauspieler und das gesamte Ambiente absichtlich ohne die für solche Filme sonst typische Uniformgewalt, ohne Fahnen und ohne unsympathisch überzeichnete NS-Schergen. Letztere fallen im Gegenteil sogar eher freundlich und human aus, wodurch der Zuschauer vor die Frage gestellt wird, wo er in einer solchen Situation denn stünde.

Nach dem Film bleibt man schließlich unweigerlich vor der Frage stehen, ob sich für Hilde Coppi ihr Opfer denn gelohnt hat. Diese Frage drängt sich insbesondere nach einer Akteneinsicht in Moskau auf, aus der hervorging, daß lediglich eine einzige unbedeutende Funkprobe überhaupt beim Empfänger ankam. Auf der Pressekonferenz zur Prämiere des Films auf der Berlinale im Februar in Berlin lautete der Tenor der Mitwirkenden auf diese Frage trotzig: Ja, es hat sich gelohnt. Aber hat es dies wirklich? Diese Frage könnte letztlich nur Hilde Coppi selbst beantworten.

Seit dem 17. Oktober läuft der Film in über 140 deutschen Kinos.

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