Magdalena Kaczanowska interessiert sich nicht allzu sehr für die neuesten politischen Nachrichten aus Polen, da sie ihr auf die Nerven gingen. Anders der polnische Botschafter in der Bundesrepublik Deutschland, Andrzej Przylebski.
Auf einem von der Fachhochschule Frankfurt veranstalteten Symposium zum Thema Presse- und Medienfreiheit in der EU – ein bedrohtes Grundrecht?, eröffnet von dem Fernsehmoderator Michel Friedman in seiner neuen Funktion als Geschäftsführender Direktor des Center for Applied European Studies, trat er im Januar als Referent auf.
Michel Friedman bewies in seiner Ansprache, dass er den Terminus alternative Medien noch nicht einmal richtig aussprechen kann. Im Umkehrschluss ist für den aus Funk und Fernsehen bekannten Moralprediger der Erhalt des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, dem die Neue Züricher Zeitung vor dem Hintergrund der Framing-Manual-Affäre „Selbstbeweihräucherung in bester Staatsfunktradition“ bescheinigte, eine grundgesetzrechtliche Pflicht.
Regierungskonforme Medien in Deutschland – und in Polen?
Der polnische Botschafter bilanzierte in seinem Vortrag für sein Land eine Presse- und Medienfreiheit, die Erstaunen lässt, während er die von den anderen Referenten mit einem Glorienschein versehenen deutschen „Qualitätsmedien“ für noch nie dagewesen langweilig und monoton, also regierungskonform hält. Als Zuhörer fragt man sich unweigerlich, wer nun geistig ärmer ist, die Redakteure der FAZ, deren Lektüre er früher genoss, oder ihre Leser? Frisch, frei und provokant wie Magda macht das schon warf Andrzej Przylebski allen (!) deutschen Polenkorrespondenten einseitige Berichterstattung vor.
Geht es um die polnische Regierungspartei PiS, würden sie in ihrer ideologischen Voreingenommenheit nie die Gegenansicht berücksichtigen. Der wie von Magda durchgewirbelte stellvertretende Feuilleton-Chef der FAZ, Michael Hanfeld, ein weiterer Referent, hatte nun genug, stand auf und verwahrte sich gegen „diese Art der Pauschalisierung“.
Wer keine Kinder erziehen kann
Ich habe grundsätzlich Verständnis dafür, dass Polen das aus einer Nichtintegration von Muslimen resultierende Risiko für nicht beherrschbar halten und daher eine Einwanderung von Muslimen mehrheitlich ablehnen. Dazu braucht man nicht erst den Mythos zu bemühen, dass Polens König Johann III. Sobieski samt Reiterheer daran beteiligt war, Wien gegen den Angriff der Osmanen im Jahr 1683 zu verteidigen.
Ein Blick auf die Zustände im eigenen Land genügt: In Mainz ließ die rheinland-pfälzische Landesregierung eine muslimische Kita unter Extremismusverdacht schließen, die sie lange als Modellprojekt für Integration positiv begleitet hatte. Der Verfassungsschutz fand heraus, dass der Trägerverein, eine Mainzer Moschee, vielfältige Beziehungen zu fundamentalistischen und extremistischen Kreisen unterhielt.
Die Al-Nur-Kita war nicht nur die erste und einzige muslimische Kita in Rheinland-Pfalz, sondern auch die einzige Kita in Rheinland-Pfalz, der jemals die Betriebserlaubnis entzogen wurde, da das Kindeswohl nicht mehr gewährleistet war. 2012 hat es in Deutschland 3.800 Salafisten gegeben, heute sind es 11.500.
Der deutsch-polnische Kindergarten Polanka in Frankfurt/Heddernheim ist der erste bilinguale Kindergarten in Hessen seiner Art. Fünf Polinnen, „normale Frauen ohne finanziellen Background“, kämpften sieben Jahre für seine Eröffnung, leisteten jeden Behördengang und unterschrieben zuletzt eine Bürgschaft über 160.000 Euro. Am 1. Februar 2016 ging ihr langjähriger Traum in Erfüllung.
Gestiegenes Selbstwertgefühl durch deutsche Sprache
Eine davon empfängt mich. Karolina Sikora deutet, warum Polen in der Vergangenheit ihre Muttersprache gegenüber der deutschen Zielsprache oft vernachlässigten: „Mit der Beherrschung der deutschen Sprache stieg unser Selbstwertgefühl gegenüber den Deutschen, da wir uns als Polen vielleicht doch nicht so toll fanden. Ich habe das seit vielen Jahren beobachtet.“ Mit dem neuen Selbstbewusstsein, das erst jetzt komme, sei die Zeit reif für einen bilingualen Kindergarten gewesen.
Bei der Erziehung zwischen deutschen und polnischen Müttern gebe es gewisse Unterschiede: „Die polnischen Mütter sind manchmal übervorsichtig und kontrollieren viel, dass das T-Shirt richtig in der Hose ist, dass noch ein zweites Paar Socken angezogen ist.“ Also keine wesentlichen Unterschiede, halte ich fest. Karolina Sikora schränkt ein: „Seitdem die PiS in Polen an der Macht ist, sind die neueingewanderten Polen oft intoleranter. Sie fordern mehr und sehen mehr die eigenen Vorteile. Man erkennt das schon.“
Polanka versteht sich als säkularer Kindergarten. Die ganz normalen Feste wie Karneval würden gefeiert, ohne es zu übertreiben, aber nicht speziell die christlichen Feiertage. Den Kindern werde aber erzählt, „was es überall so gibt“. Auf meine Frage, ob mit den Kindern gebetet würde, erschrickt sie fast. Beten mit Kindern ist für sie genauso ein Tabu wie Würstchen mit Pommes.
Wo treffen sich denn jetzt die gläubigen Polen?
Bei der polnischen Messe in der Herz-Marien-Kirche im Frankfurter Süden ist an diesem Sonntag kein Platz mehr frei, die Menschen stehen neben und hinter den Bänken, einige sogar im Flur. Rechtzeitig habe ich mir einen Platz ergattert und sitze dort wie ein Protestant. Ich bin der einzige, der sich nicht vor die Kirchenbank hinkniet, wenn es an der Zeit ist.
Schlagartig sind diejenigen nicht mehr zu sehen, die eben noch standen, so als ob man sie erschossen hätte. Dabei knieten auch sie nur nieder. Gleich darauf standen sie wieder. Ich bin tatsächlich der Letzte, der sich von der Kirchenbank erhoben hat und steht, wenn es an der Zeit ist. Alle anderen scheinen aufzuspringen.
Sehr intensiv alles. Die Liturgie unterscheide sich aber nicht von der in deutschen Gotteshäusern, sagt ein Gottesdienstbesucher später, der normalerweise sonntags die Heilige Messe in der Sankt-Josefs-Kirche in Frankfurt/Bornheim besucht, weil er und seine Familie dort wohnen.
Der Herz-Marien-Kirche angegliedert ist das Katholische Zentrum zur Förderung der polnischen Sprache, Kultur und Tradition in Deutschland e.V. Es handelt sich um den Dachverband der polnischsprachigen Missionen, deren Ziel es ist, über die Pflege der Muttersprache, der Herkunftskultur und religiöser Traditionen die Identität der Gemeindemitglieder, von denen fast alle Deutsch können, zu stabilisieren. Das kann auch zusätzlichen Schulunterricht bedeuten mit Fächern wie Erdkunde und Geschichte, da zum Beispiel „nicht jeder deutsche Lehrer wisse, dass es Polen 123 Jahre lang nicht mehr auf der Weltkarte gegeben habe“, wie eine ehemalige Teilnehmerin am Unterricht meint.
Die Vorsitzende Agnieszka Ciesielska sieht, bedingt durch den offenen Arbeitsmarkt in der EU, die Ampeln auf Grün: „Seit fünf Jahren haben wir so viele junge Leute in der Kirche und auch in der Schule.“ Die Polen seien heute stärker und selbstbewusster. Das liege auch daran, dass die Deutschen offener für sie seien, indem sie zum Beispiel Polnisch als herkunftssprachlichen Unterricht an den hessischen Schulen anböten.
Das Staatliche Schulamt für Frankfurt, für das der Erwerb der deutschen Sprache und die Stärkung der Familien- und Herkunftssprache keinen Gegensatz darstellt, da „es sich vielmehr um einander stützende Lernprozesse handelt“, bestätigt eine stärkere Nachfrage für Polnisch.
Bekennen sich die Menschen in der Herz-Marien-Kirche zur PiS-Regierung?
Agnieszka Ciesielska legt Wert auf die Feststellung, dass weder im Katholischen Zentrum noch in der Kirche Politik eine Rolle spielt: „Wir wollen das nicht. Es ist zu gefährlich und führt immer zu Konflikten, da es bei uns in Polen gerade sehr schwierig ist.“ Ihre Tochter Maja (18), Studentin der Wirtschaftswissenschaften, pflichtet bei: „Die Meinungen gehen komplett auseinander. Man versucht etwas anderes anzusprechen.“
Zu Teil 1 dieser Reportage geht es hier.
(Bild: Pixabay)
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