Gesichtet

Im Niemandsland der Selbstverwirklichung

Die Gemeinschaft von Mann und Frau ist genauso natürlich wie schicksalhaft.

Es ist eine der traurigsten Errungenschaften unserer auf „Befreiung“ versessenen Gegenwart, sowohl die Bande der Natur als auch des Schicksals zerschnitten zu haben. Gerade die Fortschritte, die bezüglich der „Selbstverwirklichung der Frau“ gemacht wurden, zeigen, dass eine Bestimmung der Frau ohne jeglichen Bezug zu Natur, Schicksal und Gemeinschaft absurd ist.

Trotzdem wird sie immer wieder vorgenommen, mit dem Ergebnis, dass die Frau befreit wird nicht vom Joche des Mannes, sondern von ihrer gattungsmäßigen und geschlechtlichen Bestimmung. Damit hört sie letztlich auf, Frau zu sein.

Feminismus und Fremdbestimmung schließen einander nicht aus

Die Frage „Was macht die Frau zur Frau?“ kann heutzutage nicht mehr gestellt werden ohne die Hinzufügung „selbstbestimmt“, „selbstverwirklicht“ usw. Sie suggeriert, dass zum Frausein bisher die Fremdbestimmung durch den Mann gehört hätte. Das ist die Ansicht der feministischen Koryphäen seit Simone de Beauvoir. Damit aber hat der Feminismus nichts anderes getan, als auf den Zug der Fremdbestimmungsparanoia und des Emanzipationswahns aufzuspringen.

Wenn jemand überaus sensibel auf „Fremdbestimmung“ reagiert, so bedeutet es keinesfalls, dass er damit automatisch gegen jede Form Fremdbestimmung immun ist. Die Frau z.B., die für sich meint, der „Fremdbestimmung“ durch Mann, Familie, Sippe, überhaupt Gemeinschaft, entkommen zu sein, und sich nun frei und selbstbestimmt wähnt, kann sich ironischerweise sehr wohl in den Fängen anderer, wirklicher Fremdbestimmungen befinden.

Da der „emanzipierten“ Frau ab einem entscheidenden Punkt Selbstbestimmung nicht nur gewährt, sondern geradezu aufgezwungen wird, merkt sie nichts von den wirklichen Fremdbestimmungen, denen sie pausenlos ausgesetzt ist.

Die Frau als Leben und Natur

Eine selbstbestimmte Frau ist eine Frau, die da, wo frühere Frauengenerationen für gewöhnlich keine Wahlfreiheit hatten, Wahlfreiheit hat. Mehr nicht. Anstelle der Zyklen des Lebens und der Natur, die die Menschen aufeinander anwiesen und voneinander abhängig machten, tritt nun die Willkür des selbstherrlichen Individuums, welches auch nur aufgrund von längst infrage gestellten und, deswegen, beliebigen biologischen Kriterien Frau ist.

Dem selbstherrlichen Willen, der Willkür der Frau, steht es frei, diese Zyklen anzuerkennen oder nicht. Dabei ist es eine Besonderheit der Frau, mehr als der Mann diesen Zyklen unterworfen zu sein – richtiger: ihnen zu entsprechen: „Mutter“ bzw. „Göttin Erde“, „Mutter“ bzw. „Göttin Natur“ und ihr „Busen“, überhaupt alle Erdreligion, aller Fruchtbarkeitskult sowie die Annahme eines ursprünglichen Mutterrechts, drücken die Unterwerfung der Frau unter Leben und Natur als eine gegenseitige Entsprechung aus.

Vom Beruf der Frau zu „Frau im Beruf“

Mutterschaft wohnt echter Weiblichkeit immer inne: Genauso, wie es Schicksal und Bestimmung des Kindes ist, die Kindheit hinter sich zu lassen, reif und damit erwachsen zu werden, so ist es Schicksal und Bestimmung der Frau, sich durch die Mutterschaft in ihrer Weiblichkeit zu vervollkommnen. Mutterschaft ist der natürliche Beruf der Frau.

Ein selbstherrliches und -bestimmtes Individuum bloß biologisch weiblichen Geschlechts aber hat mit seiner weitestgehenden Unabhängigkeit von Natur, Schicksal und Gemeinschaft (die fälschlicherweise für „Männerwille“ gehalten wird) „für sich“ die Möglichkeit, frei zu wählen: entweder Kinder bekommen und Mutter sein, oder beruflich Karriere machen und Karrierefrau sein.

Vor eine solche Entscheidung gestellt wird dabei mindestens die Mutterschaft aufgeschoben. Später dann kommt es zum berüchtigten „Karriereknick“ bzw. zum beruflichen Leerlauf. Kinder und Karriere sind nur bedingt miteinander vereinbar, und am Ende müssen doch immer Abstriche gemacht werden, sowohl was Pflege und Erziehung der Kinder als auch was berufliches Engagement betrifft. So „frei“ also wird die Entscheidung zumeist nicht getroffen. Und selbst ein Kompromiss fällt bald mehr zugunsten der Familie, bald mehr zugunsten des Berufs aus. Egal, wie der Versuch Familienleben und Arbeitswelt zu vereinbaren, auch aussehen mag, unvermeidlich gerät entweder das Familien- oder aber das Berufsleben ins Hintertreffen.

Befreiung durch Arbeit

Die Notwendigkeit von Kompromisslösungen, die so oder so zu Ungunsten der Frau ausfallen, ergibt sich aufgrund von wirklicher Fremdbestimmung. Diese legt es der Frau nahe, doch mehr auf sich selbst zu achten, und sich nicht durch Ehe und Mutterschaft in Abhängigkeiten zu begeben, die ihrer Selbstverwirklichung noch vor der Zeit ein Ende setzen: „Unabhängigkeit, Chancen und Selbstverwirklichung sichert sich die Frau durch ihre Berufstätigkeit“ – das alles klingt sehr einleuchtend.

Es ist die in der Gesellschaft überall nachweisbare und sogar überall gleich klingende Kette individualistischer Argumente. Es ist in den Einzelgeist, bis hin in die Persönlichkeitsstruktur, eingesenkter kapitalistischer Geist, der so redet. Es braucht deshalb niemanden zu wundern, dass so manche Frau die Welt der Arbeit und, daraus abgeleitet, ihre Karriere – d.h. sich selbst –, nicht aber die Ikonen des Feminismus, als ihren eigentlichen Befreier feiert.

Die moderne Welt der Arbeit und die postmoderne des Konsums zersetzen das Ewig-Weibliche der Frau. Und durch die individualistisch-kapitalistische Vergeistigung und der jeder Lebens- und Naturzyklik widrigen Verzeitlichung – Stichwort Arbeitszeit, Freizeit, „Zeit für sich“, Mußestunden usw. – wird aus der Frau auch nur ein nicht weiter nennenswerter Bestandteil allgemeinmenschlichen Zivilisationsdetritus´. Gattung, Geschlecht und Gemeinschaft ist sie längst entfremdet, hält sich aber dagegen für frei und selbstbestimmt.

Gehört sie noch dazu zu der Sorte Frauen, die ihre Glückseligkeit von Kinderlosigkeit und „keine Familie“ abhängig gemacht haben, ist sie auf die Selbstverwirklichung – besser: Selbstentwirklichung – im Beruf sogar angewiesen. Hinsichtlich Partnerschaft und Liebe ist ihr Gefühlsleben Niemandsland: durcheinander bei der einen, ist es bei der anderen verkümmert. Und statt Selbstbestimmung und -verwirklichung gibt es eine genauso enthusiastische wie resignierte Selbstaufgabe. Damen, die es solchermaßen „weit gebracht“ haben, neigen daher zu Arbeitssucht, fanatischem Professionalismus und Rücksichtslosigkeit.

Das Beispiel der Valentina T.

Neulich erfuhr ich aus einem spanischen Stuss-Fernsehprogramm („Samanta und …die Mutterschaft“) von der in Mataró ansässigen „öko-deutschen Glückseligkeitsexpertin“ Valentina T. Ungeachtet der Unmöglichkeit meint Valentina T., alles haben zu können, weil sie eben alles zu wollen vermag: Unabhängigkeit und Beziehung, Egoismus und Familie, Karriere und Kinder, Fun und Verantwortung bzw. Pflicht, wobei die Selbstverwirklichung sich für sie natürlich im Beruf vollzieht.

Nur im Beruf gibt es echte Anerkennung, echte Wertschätzung und auch wirklich lohnenden Fruchtbau. Nur im Beruf findet die Frau Bestätigung. Im Beruf ist die Frau gewollt verantwortlich. Für das Kind – für Valentina T. waren es, wie sie selbst zugibt, der Pässlichkeit halber vollkommen durchgeplante In-Vitro-Zwillinge – rollt und dreht sich die im Beruf gewollt verantwortliche Frau wie ein Walzlager innerhalb eines sich selbst aufgebürdeten Pflichtenmechanismus. Das ist eher als Selbstkasteiung denn als Selbstentfremdung zu bezeichnen, wird das arme Ding doch tatsächlich zur Mutter funktionalisiert, umfunktioniert und was dergleichen mehr!

Lassen wir den Sonderfall der Valentina T. mit ihrem lustigen Nonsens-Beruf einmal beiseite: Wenn die Frau sich nur als Arbeitsmensch realisiert fühlt, die Freuden und all das Lohnenswerte an der Arbeit für sie höher wiegen als die Bestätigung durch die Familie, warum entscheidet sie sich dann für sie? Vielleicht ist sie ins Kreuzfeuer zweier, sich gegenseitig ausschließender Fremdbestimmungen geraten. Vielleicht ist an Kind, Mutterschaft und Familie doch mehr dran, als so manche Frau wahr haben will, wer weiß.

(Bild: Pixabay)

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