Gesichtet

Madrid: Straßenschlachten nach Tod eines Afrikaners

Mame Mbaye starb auf der Flucht vor der Polizei. Die sich ihm nahenden Ordnungshüter hatten ihn derart in Angst versetzt, dass er einen Herzinfarkt erlitt.

Der fünfunddreißigjährige Senegalese war 2004 nach Spanien gekommen. Als illegaler Einwanderer hatte er keine andere Möglichkeit, als seinen Lebensunterhalt als mantero durch den Verkauf gefälschter und Billigwaren auf der Straße zu bestreiten. Das tat er auch an jenem verhängnisvollen 15. März im Madrider Stadtteil Lavapies.

Hier, wo jeder vierte Einwohner Migrant ist, betrachtet man das Zusammenleben als „multikulturell“: alte Menschen mit kleinen Renten, die ursprünglichen Anwohner des traditionsreichen Arbeiterviertels, junge, niedrig verdienende Spanier – zumeist der antikapitalistischen linken Szene angehörig –, Pakistaner, Marokkaner, Südamerikaner, Schwarzafrikaner … leben normalerweise friedlich neben- und miteinander.

Manteros vs. Ladenbesitzer

Der Straßenhandel auf dem Tuch – top manta – ist natürlich genauso illegal, wie es die manteros sind. Die Ladenbesitzer fürchten die Konkurrenz zu Recht. Die Ware, die in den Geschäften angeboten wird, ist nämlich derjenigen, die auf den Tüchern ausgebreitet liegt, zum Verwechseln ähnlich – wenn nicht gar dieselbe – und auch qualitativ nicht viel besser.

China lässt eben grüßen, egal ob in der Schaufensterauslage oder auf dem betuchten Stück Bürgersteig. Der Unterschied ist: die Ladenbesitzer zahlen Steuern, mussten bei der Stadt Genehmigungen einholen, tief in den Geldbeutel greifen dafür, haben Unkosten, stellen, wenn auch schlecht bezahlt, Personal ein während der Saison, schaffen also, wenn auch unsichere, so doch zumindest Arbeitsplätze.

Die manteros brauchen nur ein Tuch und Ware. Laufende Kosten und administrative Hürden, wie die Ladenbesitzer sie haben, kennen sie nicht. Steuern zahlen sie selbstverständlich auch nicht. Die Rechtslage ist eindeutig und klar: Geschäfte sind legal, top mantas sind illegal.

Dem Wohlstand zu Füßen

Mit den manteros zieht ein Flair von Dritte Welt in die Promenaden der Urlaubsländer ein. Ohne differenzieren zu können, sehen manteros wie Mame Mbaye nur Wohlstand sowie Menschen, die im Wohlstand schwelgen. Sie aber liegen ihnen zu Füßen in der Hoffnung, es möge etwas von dem Wohlstand zu ihnen herunterfallen. Menschen wie Mame Mbayes verstehen nicht, wollen und müssen auch gar nicht verstehen, dass „Wohlstand“ inzwischen relativ geworden ist, genauso wie Armut, Lebensgefahr usw. inzwischen relativ geworden sind, und dass die Wohlstandsgesellschaft zwar ein Gigant ist, der aber auf tönernen Füssen steht.

Diese Relativität kann mit Fug nur bestreiten, wer die Armen und Lebensgefährdeten dieser Erde in Klassen einteilt, d.h. zugibt, dass einige eben hilfebedürftiger sind als andere bzw. einige im Gegensatz zu anderen „wirklich“ hilfebedürftig sind.

Bedrohung durch die Polizei?

Zurück zu unserem Fall: Obwohl Bürgermeisteramt und Stadtrat von Madrid in den Händen einer Linkskoalition sind, die die manteros nicht ohne Wohlwollen duldet, bleibt die Rechtslage die, die sie ist: Manteros sind illegal und werden nicht gern gesehen von den Ladenbesitzern.

Aufgabe der Polizei ist es, die auf dem top manta feilgebotene Ware einzukassieren und die manteros mit einem Bußgeld zu belegen. Da die manteros mittellos sind, wird aus dem Bußgeld meistens nichts, aber auch so ist der Verlust der Ware ein harter Schlag. Der Verlust der wertvollen Ware musste auch die Befürchtung Mama Mbayes gewesen sein, als sich die Polizei ihm näherte. Die Angst packte ihn beim Anblick der dunkel uniformierten Männer. Er sprang auf und rannte los wie ein gehetztes Tier. Er rannte und rannte, bis ihn der Schlag traf und er zu Boden fiel. Alle Wiederbelebungsversuche der Polizei schlugen fehl. Der Mann war tot.

Die Madrider Oberbürgermeisterin stellt sich hinter die manteros

Die erbärmliche Szene hatte sich vor aller Augen abgespielt. Den angeborenen Herzfehler Mbayes jedoch konnte zu diesem Zeitpunkt noch niemand erahnen. Wie ein Lauffeuer verbreitete sich die Nachricht, dass der arme mantero von den fremdenfeindlichen Schergen der Polizei und des Kapitals zu Tode gehetzt worden war.

Linke Aktivisten aus den Reihen des Stadtrates twitterten ihre Empörung in die Welt. Unter den manteros kam es zum Aufruhr und es kam, wie es kommen musste, zu Aufständen in Lavapies: Manteros im Verbund mit professionellen sowie linken Gelegenheitskrawallmachern lieferten sich Straßenschlachten mit der Polizei. Es wurde zerstört und angezündet, was das Zeug hielt. Der Zorn der Autonomen fand im unglücklichen Tod eines senegalesischen Straßenhändlers eine passende Gelegenheit, sich wieder einmal richtig auszutoben.

Die Oberbürgermeisterin von Madrid, Manuela Carmena, sprach der Familie Mbayes und zugleich der mantero-Gemeinde ihr Bedauern aus. Dagegen: Kein Wort über das tadellose Vorgehen der Polizei, sondern eine harsche Bemerkung dieser gegenüber, man werde eine peinlich genaue Untersuchung einleiten.

Ahnungsloses „Opfer des Kapitalismus“ oder …

Abgesehen von den üblichen Rassismusvorwürfen gab ein besonders linker, d.h. „antikapitalistischer“ Ratsherr zum Besten, Mame Mbaye sei ein „Opfer des Kapitalismus“. In welchem Sinne er das sei, bemühte sich der Rechtsherr nicht zu klären. Vielleicht meinte er es in dem Sinne, wie die Fliege Opfer des Leimpapiers wird in der Annahme, der Leim sei Honig.

Aber, bezüglich des linken Antikapitalismus braucht man sich den Kopf nicht groß zu zerbrechen, die Linken sind ja gar keine Antikapitalisten. Sie wollen die schönen, angenehmen und nützlichen Dinge einfach haben, ohne Müh, ohne etwas dafür zu zahlen und ohne etwaige Konsequenzen für ihren Besitz oder Gebrauch in Kauf zu nehmen, sie wollen – das Unmögliche.

Mame Mbaye hatte vom „Kapitalismus“ sicherlich keine Ahnung, aber auch nicht weniger als der „antikapitalistische“ Madrider Ratsherr.

… Wohlstandskandidat?

Auch wollte Mame Mabye nichts Unmögliches, sondern das ihm einzig mögliche: sein Leben verbessern, die Verbesserung genießen und daran Familie sowie Volks- oder Stammesgenossen teilhaben lassen. In Verfolgung dieser seiner Verbesserung wollte er sich und andere an unserem Wohlstand teilhaben lassen, auch wenn ihm Belang, Wesen und Bewandtnis unseres Wohlstands gänzlich unverständlich sein mussten. Er konnte und wollte sie auch gar nicht verstehen, sondern einfach nur teilhaben sowie teilhaben lassen an unserem Wohlstand. Punkt.

Der Tisch, der hier für alle überreich gedeckt zu sein scheint, wirft großzügig – oder etwa gedankenlos? – Krümel ab. Wir, die wir im Überfluss schwelgen, bieten durch das Abwerfen von Krümeln der zu uns einströmenden Dritten Welt Wohlstand. Für Mame Mbaye war dieser Wohlstand einfach „da“, nämlich gegeben, er musste nur den Weg finden, in den Genuss von mehr von ihm zu kommen.

Vielleicht muss man dem Madrider Ratsherrn am Ende doch noch recht geben, und Schuld am Mbayes Tod hat wirklich der Kapitalismus, wenn auch nicht so, wie dieser linke Señorito sich das vorstellt.

Spanier weg, Ausländer rein

Der Tod Mbayes hat stattgefunden zu einem Zeitpunkt, in dem die Rentenkassen gähnend leer sind – die letzte Rentenerhöhung von 0,25% sagt mehr als Worte – , der staatliche Garantiefonds von der liberal-konservativen Regierung bis zum letzten Cent ausgeplündert worden ist und die Staatsschuld hoch über den Wolken steht. Schuld an alledem seien die Wirtschaftskrise von 2008 und die demographische Entwicklung. Die Spanier bekommen noch weniger Kinder als die Deutschen. Dazu noch mussten eine Million Spanier auswandern, weil sie in ihrer Heimat keine Arbeit fanden.

„Europa“, Deutschland, aber auch die spanische Regierung gaben mit Versprechungen Anreize zur Auswanderung. Nun sei eine millionenfache Armutseinwanderung – man erinnere sich, Armut ist inzwischen genauso relativ wie der Wohlstand – eine Chance, aus der Misere herauszukommen, noch bevor sie sich einstellt.

Das jedenfalls ist der Rat des Internationalen Währungsfonds an die Spanier. Da sprechen die gutbezahlten globalistischen Wirtschafts- und Währungsexperten den „armen“ Migranten, aber auch unserem „antikapitalistischen“ Madrider Ratsherrn aus dem Herzen.

(Symbol-Bild: Pixabay)

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