Anstoß

Trump, die Twitter-Trompete

Mit Twitter Politik machen? Für Donald Trump ist das kein „Neuland“. 140 Zeichen reichen dem Macher, dem Social Media ins Amt half. Damit könnte er die politische Kommunikation völlig umkrempeln.

Wenn der 45. Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika an diesem Freitag auf Capitol Hill vereidigt wird, dann geht für viele Wohlgesinnte ein Alptraum in Erfüllung. Kein Bürokrat oder mittelmäßiger Harvard-Dozent führt dann die einstige Weltmacht, sondern ein Unternehmer. Besonders ärgerlich an diesem blonden Sunny-Boy: Er hält nichts von Regeln und den in sie verliebten Politikern samt ihren bürokratischen Erfüllungsgehilfen.

Als personifizierter Anti-Politiker ist er die Antwort der US-Amerikaner auf das Establishment der Obamas, Clintons und Bushs. Erfreulicherweise schlägt sich seine Haltung auch in seinem Kommunikationsstil nieder. Der von vielen schon totgesagte Kurznachrichtendienst Twitter spielt darin eine wichtige Rolle. Was dieser besonderen Kommunikationsform mit „hashtags“ und einer Begrenzung auf 140 Zeiten anfänglich ihren Reiz gab, war die Unbefangenheit der Kommentare. In Zeiten von als „Hate Speech“ verunglimpfter Meinungsfreiheit ist es damit nicht nur in Deutschland vorbei. Zudem haben die meisten Unternehmen auch Twitter für ihr Marketing entdeckt und nerven ihre Kunden oder potentielle Neukunden dort mit Postings.

Twitter als Anti-Journalismus

Die reine Meinung hat sich deshalb andere Foren gesucht und zur Stillung eines wie auch immer gearteten Informationsbedürfnisses wird Twitter kaum benötigt, weil dort ohnehin nur das zu lesen ist, was auch in der Zeitung steht, auf den Webseiten der Zeitungsverlage zu finden ist oder von Nachrichtenvorlesern im Fernsehen vorgetragen wird. In diesem Klima der gleichgeschalteten Langeweile wirken die Tweets von Trump wie ein seelisches Trostpflaster. Die Knappheit der zur Verfügung stehenden Zeichen erzwingt eine Verschlagwortung im Stile der „Bild“-Zeitung. Und Schlagworte, damit kann Trump umgehen.

Er ist nicht der Typ, der erst tagelang Akten studiert, um dann einen Sprecher verkünden zu lassen, er habe sich eine Meinung gebildet. Im Gegensatz zu den meisten politischen Geisterfahrern, die noch nie einer Erwerbsarbeit nachgegangen sind, favorisiert er nicht nur die eigene Meinung, sondern auch die eigene Entscheidung. Eine Zauderkönigin wie Angela Merkel ist dazu ebenso wenig in der Lage wie der Schwiegermutter-Liebling Barack Obama. Beide lassen beziehungsweise ließen ihren Twitter-Account deshalb auch von einem eigenen Team betreuen, um vor allem Regierungspropaganda zu verbreiten.

Trumps Tweets sind „Breaking News“

Den immerhin schon 20 Millionen Followern dürfte es bei Trump nicht passieren, Opfer einer Propaganda-Massage zu werden. Seinem Selbstverständnis nach betreibt er nicht mehr Propaganda als ein Unternehmenschef, der Begeisterung für seine Produkte wecken möchte. „Make America great again“ ist in diesem Sinne auch so zu verstehen, dass es sich bei den USA um ein Großunternehmen handelt, dessen beste Zeiten vorbei sind. Trump sieht sich hier in der Rolle des Sanierers, der mehr Arbeit und mehr wirtschaftliche Stärke schaffen möchte.

Die angekündigten Strafzölle für Autohersteller, die lieber das Niedriglohnland Mexiko zur Produktion nutzen, als die in die USA verkauften Fahrzeuge im Land selbst zu produzieren, sind hier nur ein Baustein. Insgesamt wird Trumps Wirtschaftspolitik wohl ohne umständliche Szenarien-Forschung auskommen. Was zählt, ist die „Hands-on-Mentalität“, die bei Politikern eher stört, bei wirtschaftlichen Leistungsträgern aber umso gefragter ist. Diese Mentalität verkörpert Trump und sie ist wahrscheinlich der wesentliche Grund, warum Twitter so gut zu ihm passt. Was er dort äußert, sind „Breaking News“, wie er in dem derzeit so bejubelten Interview mit der „Bild“-Zeitung und der britischen „Times“ ohne falsche Bescheidenheit zugab: „Wenn ich etwas öffentlich sage und wenn ich den Zeitungen etwas sage, und sie es nicht akkurat wiedergeben, ist das wirklich schlecht. Sie können nicht viel dagegen ausrichten: Wenn man twittert – und ich bin vorsichtig –, ist es sehr exakt, es ist sogar sehr, sehr exakt, und es erscheint als Breaking News.“

Twitter als direkter Draht

Mit Twitter hat Trump also einen direkten Draht zu den US-Amerikanern und überhaupt zu allen Menschen rund um den Globus, die über einen Twitter-Account verfügen. Das gibt ihnen zudem die Möglichkeit, direkt auf Trumps Tweets zu reagieren. So stellt sich das Gefühl einer ganz neuen Art der Mitsprache ein. Der „mächtigste Mann der Welt“ ist keine entfernt im Weißen Haus lebende Gestalt mehr, sondern über Twitter direkt erreichbar. Das wird zwangsläufig auch Auswirkungen auf die Politik der USA haben. Denn wenn Trump etwas twittert, dann ist das zwar rechtlich nicht bindend, aber wen es betrifft, der wird nicht die Wahl haben, ob er Rücksicht auf diese Äußerungen nimmt oder nicht.

Das macht die Politik der USA zwar endlich wieder interessant, aber zu einem Albtraum für alle politischen Beobachter und Akteure, die nichts so sehr schätzen, wie die Langeweile der Beständigkeit. In einigen Staaten haben die Regierungen als erstes Mittel gegen die Unsicherheit schon Mitarbeiter benannt, die keine andere Aufgabe haben, als die Tweets von Donald Trump zu lesen. Wenn sich darin eine Äußerung mit diplomatischem Gewicht befindet, ist es besser, diese zu kennen. Ob Angela Merkel die Tweets von Trump selbst lesen kann oder ob das für sie zu viel Neuland ist, war noch nicht zu erfahren. Immerhin hat sie ihn nach seinem Interview prompt nach Deutschland eingeladen. Wie er das findet und ob er annimmt, steht bestimmt bald bei Twitter.

(Bild: Donald Trump, von: Gage Skidmore, flickr, CC BY-SA 2.0)

Jahrgang 1986, hat Soziologie und Politikwissenschaft studiert und lebt als selbständiger Autor in Köln. Für die Schriftenreihe BN-Anstoß hat er bereits zwei Bände beigesteuert: Geopolitik. Das Spiel nationaler Interessen zwischen Krieg und Frieden (2015). Sowie: Die ganze Wahrheit. Meinungsfreiheit als Herrschaftsinstrument (2016).

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