Schon lange fordert der US-Großinvestor und viertreichste Mensch der Welt, Warren Buffet, für sich und seinesgleichen höhere Steuern. 2007 gab er an, mit 17,7 Prozent Einkommensteuer – „ohne Tricks oder auch nur einen Steuerberater“ – halb so viel wie 15 seiner 18 Angestellten im Büro zu zahlen. Zehn Jahre später versteuert der Unternehmer sein Realeinkommen zum gleichen Steuersatz, der auch für seine Putzfrau gilt.
Ebenso wie Warren Buffet bezeichnete auch Larry Fink, CEO des weltgrößten Vermögenverwalters Blackrock, Donald Trumps extrem unternehmerfreundliche Steuerreform als „unnötig“. Der Sinn eines Unternehmens erschöpfe sich nicht darin, ausschließlich Gewinn erzielen zu wollen.
Die Konzerne sollten mehr für die Gesellschaft tun. „Unternehmen können nicht jedes soziale und wirtschaftliche Problem lösen. Aber es gibt viele, wie etwa die Altersvorsorge, bei deren Lösung Unternehmen eine Führungsrolle einnehmen müssen.“ Für Larry Fink entspricht das amerikanische Wirtschaftssystem nicht den Bedürfnissen der überwiegenden Mehrheit der Menschen. Jüngst drohte er sowohl börsennotierten als auch privaten Unternehmen mit dem Verlust der Unterstützung durch Blackrock, wenn sie keinen positiven sozialen Wert für die Gesellschaft schafften.
Spirale nach oben für Besitzende
Ray Dalio, Gründer des weltgrößten Hedgefonds Bridgewater, befürchtet revolutionäre Zustände, wenn in den USA die Kluft zwischen Armen und Reichen weiter wächst. So würde der Anteil des obersten Prozentes am gesamten Einkommen aller US-Amerikaner mittlerweile so hoch liegen wie zuletzt in der Weltwirtschaftskrise in den 1930er Jahren. „Der Kapitalismus produziert heute sich selbst erneuernde Spiralen, die nach oben führen für die Besitzenden und nach unten für die Nicht-Besitzenden.“
Irgendetwas läuft schief, wenn Systemkritik von den führenden Köpfen des Systems kommt. Es sind nicht nur die oben Genannten, sondern u. a. auch Jamie Dimon (JP Morgan Chase), Howard Marks (Oaktree), Tucker Carlson (Fox News), die eine Reform des Kapitalismus fordern.
Spirale nach unten für Nicht-Besitzende
Die FAZ scheint von der politischen Debatte um den Zustand des Kapitalismus nichts mitbekommen zu haben, denn sie ist vom Ergebnis ihrer Recherche überrascht: „Wer mit den Steuerleuten großer Konzerne spricht, erfährt Wunderliches: Letztlich ist es ihnen nicht nur egal, wo sie ihre Steuern zahlen, sondern auch wie viel es ist. Wichtig ist ihnen aber, dass sie nicht mehr als ihre Konkurrenten an den Staat abliefern müssen.“
Wunderlich ist es wohl nicht, wenn unter diesen Vorzeichen Vorschläge zur Kollektivierung von Großkonzernen auf Verständnis treffen. In den USA sinkt die Zustimmung zum Kapitalismus, während sie zum Sozialismus steigt. Wussten Sie, dass laut einer aktuellen Gallup-Umfrage bereits „43% of Americans say socialism would be a good thing for the country”.
Hintergrund für den Wunsch nach Sozialismus ist wohl kaum eine Form „des sanften Kapitalismus, wo die Unternehmen auch Verpflichtungen verspürten, sowohl gegenüber der Gemeinschaft wie auch gegenüber den eigenen Arbeitern“, wie der Wirtschaftswissenschaftler Paul Collier meint, sondern eher ein Kapitalismus, der gut mit autoritären Regimen kann, die den Konzernen jeden Freiraum lassen, aber Gewerkschaften und soziale Bewegungen verbieten oder blockieren.
„Viele US-Firmen schwimmen in Geld und haben 2018 für 172 Milliarden Dollar europäische Firmen gekauft, und damit doppelt so viel ausgegeben wie im Vorjahr“, schreibt die Deutsche Welle.
Wohin auch mit dem ganzen Geld, denken sich da die neoliberalen Selbstheilungskräfte des Marktes. In den Hochkulturen früher wurde eine Gesellschaft noch über Religion, Recht und politische Institutionen geformt und zusammengehalten. Und heute?
(Bild: Warren Buffett, Fortune Live Media, flickr, CC BY-NC-ND 2.0)
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