Die grüne Landesregierung in Baden-Württemberg bestreitet einen Coronabonus. Trotzdem hat es im Jahr 2021 eine rekordverdächtige Abi-Durchschnittsnote von 2,15 im Ländle gegeben. Auch dieses Jahr gibt es Erleichterungen für die Prüflinge. Nicht nur unser Geld, auch die Abiturprüfung gerät unter Inflationsdruck.
Natürlich hat die Corona-Krise das Abitur bundesweit beeinflusst: Kein Präsenzunterricht für Abiturienten in den Wochen und sogar Monaten vor der Prüfung, ein holpriger digitaler Unterricht als Substitut und so weiter. Die Abiturprüfungen wurden mit gewissen „Erleichterungen“ wie geplant durchgeführt. Trotzdem ist die Kritik an der Qualität des Abiturs alt. Schon 2019 meldete das Statistische Bundesamt, dass immer mehr Menschen in Deutschland ihr Abitur machen würden.
Die „Unter den 20- bis 24-Jährigen hatte im Jahr 2017 jeder Zweite eine Hochschul- oder Fachhochschulreife (53 Prozent), wie die Statista-Infografik zeigt. […] Die Zunahme an Abiturienten in den vergangenen Jahren liegt hingegen auch daran, dass immer mehr Eltern ihre Kinder um jeden Preis aufs Gymnasium schicken wollen,“ schreibt die Data Journalistin Frauke Suhr.
Horst Hippler, Präsident der Hochschulrektorenkonferenz (HRK), meint, dass das Abitur heute längst nicht immer hinreichende Voraussetzung für ein Studium sei. An den Schulen herrsche ein Trend zur Notenin?ation vor, der das bundesdeutsche Bildungssystem entwertet habe, weil „wir in den Zulassungsverordnungen nach Noten auswählen. Die Lehrkräfte wollen aber den jungen Leuten durch ihre Notenvergabe nicht deren potenzielle Karriere verbauen.“ Da Noteninflation landläufig bedeutet, dass Prüflinge für die gleiche Leistung in späteren Jahren bessere Zensuren erhalten als in früheren Jahren, scheinen die Prüfungsanforderungen offensichtlich mindestens zu stagnieren.
So klagten schon 2016 Berliner Gymnasiallehrer über „wachsweiche Prüfungen“ in Mathematik und eine „wirre Aufgabenstellung“ in Biologie. Dabei bleibt das Abi der begehrteste Schulabschluss in Deutschland. Obwohl die Zahl der Schüler zurückgeht, gibt es immer mehr Schulen, die das Abitur anbieten.
Die Welt wusste schon 2014: „Vor 40 Jahren ging nicht mal ein Zehntel eines Jahrgangs aufs Gymnasium. In den Stadtstaaten, in großen Städten, aber auch in einem Land wie Nordrhein-Westfalen mit seinen 17 Millionen Einwohnern ist es heute dagegen mehr als die Hälfte.“ Hinzu kommt eine durch Migration und sozialpolitische Eingriffe immer heterogenere Schülerschaft; in ethnischer, kulturelle aber auch in die soziale Herkunft betreffender Hinsicht. Hier bemüht sich vor allem die grüne Bildungspolitik um so etwas wie Fairness, um sozialpolitisch der linken Agenda folgen zu können. Der ehemalige Hamburger Wissenschaftssenator Jörg Dräger meint dazu: „Der Anspruch an Fairness kann auch eine Noteninflation auslösen. Wenn die Schwächsten noch eine Vier bekommen sollen, muss man allen anderen eben entsprechend bessere Zensuren geben, damit das Verhältnis gewahrt bleibt.“
Dabei bleibt der Wunsch nach dem Abitur in unsrem Land ungebrochen. Zusätzlich wird er befeuert von einer elitenfeindlichen Politik der sozialen Egalisierer in rot-grünem Gewand. Bei der Nivellierung der Zugangshürden und der planmäßigen Ignoranz unterschiedlichen Begabungen gegenüber tut man allerdings der Schülerschaft und dem Wissensstandort Deutschland keinerlei Gefallen.
Bildungsforscherin und Pädagogikprofessorin Katja Koch findet, dass Schule auch eine Schaltstelle für gesellschaftliche Positionen ist: „In diesem Sinne ist sie, […], eine Gerechtigkeitsmaschine. Die Lebenswege des Einzelnen sollen nicht durch ererbte Privilegien oder soziale Beziehungen bestimmt werden, sondern durch individuelle Begabungen und Leistungsbereitschaft. Das Abitur müsste also die Funktion erfüllen, jene herauszufiltern, die den Anforderungen an den höchsten Bildungsabschluss genügen können.“
Ein Quotenziel von angepeilten 70 Prozent erfolgreicher Abiturienten innerhalb eines Schülerjahrgangs, wie das die Grünen in Baden-Württemberg ausrufen, kann deshalb nur als fahrlässiges soziales Experiment und Bestandteil einer sozialistisch ideologisierten Weltveränderungspolitik betrachtet werden.
Hans-Peter Hörner, AfD-Landtagsabgeordneter
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