Anstoß

Aus dem Tal der Ahnungslosen (VIII): Wahlkampf

Wenn ich aus dem Haus trete, strahlen mich nur Martin Schulz und der Dresdner Direktkandidat der SPD an. Sonst niemand.

Alle anderen Parteien verzichten aus welchen Gründen auch immer auf das Plakatieren in meiner schönen Umgebung. Ich finde das prima und empfehle der AfD, auf Plakate in Zukunft generell zu verzichten und dies mit Umweltschutz zu begründen. Die Grünen würden sich totärgern, daß ihnen das nicht selbst eingefallen ist.

Gleichgültigkeit und Niemandsherrschaft

Der Wahlkampf ist aber sowieso für die Katz. Jeder weiß, daß Merkel weiterwursteln darf, weil die Mehrheit der Deutschen einfach nur ihre Ruhe haben will und zu dumm ist, um eine Rechtsbrecherin abzuwählen. Ich scheitere regelmäßig damit, den Unpolitischen in diesem Land zu erklären, was ihre Interessen sind. Wißt ihr eigentlich, daß euch diese Kanzlerin durch die Zustimmung zur Nullzinspolitik der EZB eine halbe Billion Euro an Ersparnissen geraubt hat? Wißt ihr, was die Asylpolitik mindestens kostet und was man mit diesen 25 Milliarden Euro pro Jahr alles anstellen könnte, um euer Leben zu verbessern?

Man muß es knallhart mit Hannah Arendt auf den Punkt bringen: Gleichgültigkeit und Niemandsherrschaft sind das Schlimmste, was einem Gemeinwesen passieren kann. An diesem Punkt stehen wir gerade, denn es ist ja auch eine Illusion, daß nach Merkel alles besser werden würde. Wir Bürger stehen einer Hydra gegenüber, der immer neue Köpfe nachwachsen. Insofern spielt es auch eine untergeordnete Rolle, ob es nun mit einer Großen Koalition oder Jamaika weitergeht.

Auf dem Weg nach Jamaika

Obwohl … denken wir einmal etwas gründlicher darüber nach: AfD-Chef Jörg Meuthen hat gerade erst gemutmaßt, daß die WELT mit ihrer ekelhaften Kampagne gegen Alice Weidel Schwarz-gelb-grün vorbereiten will. Daß die Mächtigen in diesem Land dieses Bündnis favorisieren, glaube ich sofort. Man will so Wandel und Kontinuität unter einen Hut bringen.

Die Indizien für diese Strategie werden immer offensichtlicher: Am Freitag entdeckte die Spitzenkandidatin der Grünen, Katrin Göring-Eckardt, bei „illner intensiv“ ihre Liebe zur Polizei. Sie erweckte zur Verwunderung aller Anwesenden den Eindruck, als habe ihre Partei schon immer auf Law and Order gesetzt. Für einen Koalitionsvertrag mit der Union hätte das schon fast gereicht: Für mehr Neueinstellungen bei der Polizei sind inzwischen alle Parteien und bei der Videoüberwachung werden sich Grüne, Liberale und die Machtgeilen des Merkel-Clubs schon einig.

Zwei Tage später dann, am Sonntagabend, gab es bei Anne Will ein Speed Dating zwischen Finanzminister Schäuble und Cem Özdemir. Allein diese Ansetzung ist ein Signal: ARD und ZDF scheinen Zustimmung für Jamaika senden zu wollen. Ansonsten wäre es ja viel spannender gewesen, die AfD einmal gegen Schäuble antreten zu lassen, um über die Eurorettung zu diskutieren.

Wie die AfD von Schwarz-gelb-grün profitieren könnte …

Sollte es tatsächlich zur Premiere von Schwarz-gelb-grün kommen, könnte dennoch die dann im Bundestag vertretene AfD von dieser Konstellation langfristig profitieren, wenn sie sich nicht selbst im Wege steht. Erster Pluspunkt: Bei Jamaika bliebe das große Feindbild der AfD bestehen: die zu allem bereite und unendlich wandelbare Kanzlerin Angela Merkel. Im Jahre 2021 könnte den Deutschen zudem nach 16 Jahren Merkel ähnlich wie bei Helmut Kohl die Alternativlose wirklich einmal zum Halse heraushängen.

Zweiter Pluspunkt: Wer mit Merkel eine Koalition eingeht, den macht Merkel kaputt. Das hat die FDP am allermeisten zu spüren bekommen, aber auch die SPD ist heute farbloser denn je. Käme es zu Jamaika, müßten sich FDP und Grüne vor diesem Effekt fürchten, während Linkspartei, SPD und AfD in einer guten Ausgangslage wären.

Hauptprofiteur von diesen drei Parteien wäre vermutlich die AfD, da sich Linke und SPD zum einen gegenseitig Wähler wegnehmen. Zum anderen böte sich die einmalige Chance für die AfD, als einzige bürgerliche Alternative zu Merkel aufzutreten. Gelingen wird dies allerdings nur, wenn die junge Partei Einigkeit und Seriosität demonstriert sowie der Versuchung widersteht, auf einen primitiven, rechten Sozialpopulismus zu setzen.

(Bild: Liberale, flickr, CC BY-NC-ND 2.0)

Geboren 1985 in Karl-Marx-Stadt (heute: Chemnitz). Studium der Medien- und Kommunikationswissenschaften, Politik und BWL in Halle. Lebt in Meißen.

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