Rezension

Christlicher Realismus statt Hypermoral

Dieses Buch wird dem durchschnittlichen Kirchentagsbesucher Bauchschmerzen verursachen. Denn Autor Dr. Christoph Rohde entfaltet in „Das Kreuz und der Krieg“ eine realistische Friedensethik, bei der zentrale Begriffe wie Selbstverteidigung und Sicherheit positiv besetzt sind. Gerade in Zeiten, in denen von der Masseneinwanderung bis hin zum Pazifismus alles mit angeblich christlichen Motiven begründet wird, ist dies ein enorm wichtiger, faktenbasierter Debattenbeitrag.

Wir leben in einer Welt, die aufgrund einer rasanten technologischen, ökonomischen und kommunikativen Globalisierung immer unübersichtlicher und weniger regierbar wird – so weit, so bedenklich. Um den Anschein von Übersicht und Handlungsfähigkeit zu geben, greifen politische Akteure zunehmend auf einfache Ideologien zurück, mit denen sie Menschen manipulieren. Politik wird zu einer quasi-religiösen Herrschaftstechnik.

In dieser Zeit ist es gut, ein Buch zu besitzen, dass der Öffentlichkeit die Notwendigkeit der Unterscheidung von staatlicher Ordnungsfunktion und persönlicher Ethik verdeutlicht.

Christoph Rohde, der im Bereich der Internationalen Politik promoviert hat und sich als christlicher Realist versteht, zeigt mit Hilfe klassischer und aktueller Friedenstheorien, dass politische Systeme nur in den Fällen stabil bleiben, wenn sie sich auf grundsätzliche ordnende Aufgaben fokussieren. Wird der Staat zu einem Akteur mit religiösem Anspruch, stößt er genauso auf Dauer auf Widerstand der Bevölkerung wie in dem Falle, dass religiöse Akteure den Staat in theokratischem Sinne an sich reißen.

Mit Hilfe der Zwei-Reiche-Lehre Luthers und mit Rückgriff auf Augustinus zeigt Rohde, dass der Staat nicht mit Letztbegründungsargumenten arbeiten darf. Klimaapokalyptische Ideologien, Regenbogenimperialismus, Multikultianarchismus sind mentale Idealtypen, die jedoch aufgrund ihrer Spekulativität niemals politische Handlungsleitfäden werden dürfen, so der Autor.

Das Kreuz und der Krieg – allein der Titel des Buches baut Spannung auf, die sich in bestimmten Paradoxien entlädt, jedoch im Hier und Jetzt nicht auflösbar ist. Dass die Deutschen gerne Bilder des Idealen zeichnen, den Blick auf die Realität jedoch scheuen, ist für Rohde eine Entwicklung, die sich im Bereich der Sicherheitspolitik genauso fatal auswirken kann wie im Bereich der inneren Sicherheit, die aufgrund vorherrschender Sozialromantik mehr und mehr abnimmt; die Aussagen des Realisten befinden sich nicht immer im Spektrum des politisch Gewünschten.

Gerade deshalb ist das fundierte und theoretisch untermauerte Buch für Christen, Theologen, Politikwissenschaftler und eine interessierte Öffentlichkeit zu empfehlen. Es blickt über den allzu engen Tellerrand einer konfliktscheuen Bildungslandschaft hinaus.

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