Anstoß

Der Clown und der Gutmensch

Horrorclowns“ machen derzeit in Deutschland Furore. Innenminister fordern drakonische Strafen für sie. Bislang lassen sie sich dadurch noch nicht abschrecken.

Der Clown ist ein Star. Im Zirkus oder im Fernsehen unterhält er mit seinen Missgeschicken. Dafür braucht er nicht zwingend ein Kostüm. Auch in Anzügen oder in Uniformen kann oft ein Clown stecken. Und auch aus der Schule ist der „Klassenclown“ hinlänglich bekannt. Wer als Clown auftritt, der will Menschen zum Lachen bringen. Bereits an den Höfen des Mittelalters war der Clown als Hofnarr bekannt und hatte die wichtige Aufgabe, den Regenten bei Laune zu halten.

Den Weg zum Theater fand der Clown dann im 16. Jahrhundert. Da war es üblich, das Publikum am englischen Theater in den Pausen durch Clowns unterhalten zu lassen. Als Darsteller in Bühnenstücken wurde der Clown im 17. Jahrhundert populär. So findet sich in den Shakespeare-Stücken Othello und Wintermärchen jeweils ein Clown, der als Diener bzw. Schäfer auftritt. Auch in der italienischen commedia dell’arte hält der Clown in dieser Zeit als „Arlecchino“, „Pedrolino“ und „Pulcinella“ Einzug. Ab dem 19. Jahrhundert wird der Clown dann auch zum festen Bestandteil im Zirkus. Seitdem kennen wir ihn als sympathischen Tölpel, der durch die Gegend stolpert.

Der sympathische Tölpel wird böse

Die Karriere des bösen Clowns als einem Vorläufer heutiger Horrorclowns begann ebenfalls im 19. Jahrhundert. Dort taucht er beispielsweise in der Erzählung Hop Frogvon Edgar Allan Poe auf. Modern wurde der böse Clown durch Stephen King und seinen Roman Es im Jahr 1986. Als Clown „Pennywise“ ermordet „Es“ darin zahlreiche Kinder und versetzt eine Kleinstadt in Angst und Schrecken. Dabei funktioniert das Muster des bösen Clowns aufgrund der Abneigung, die es hervorruft. Grundsätzlich ist auch ein normaler Clown gerade bei Kindern nicht sonderlich beliebt.

In einer Studie der britischen University of Sheffield konnte herausgefunden werden, dass Kinder prinzipiell eine Abneigung gegenüber Clowns haben. Ein Grund dafür kann die Schminke des Clowns sein, die sein Gesicht verdeckt. Es ist damit die Angst vor dem Unbekannten, die hier wirkt. Diese kann im Falle der Clowns auch krankhaft werden, was dann als Coulrophobie bezeichnet wird.

Horrorclowns sind ein echtes Problem

Die jetzt in Deutschland auftretenden Horrorclowns nutzen diese Angst vor dem Unbekannten zur Steigerung der eigenen Popularität. Das Phänomen wurde zuerst in den USA Mitte der 1980er Jahre bekannt. Etwa ab 2010 griff das Phänomen von Clowns in gruseligen Kostümen auch auf andere Länder über und ist 2016 in Deutschland angekommen. Seit Mitte Oktober ereignen sich zahlreiche Fälle, bei denen Horrorclowns Menschen erschreckt oder sogar tätlich angegriffen haben. So bedrohte ein als Clown verkleideter Täter in Wesel zwei Männer mit einer Pistole.

In Gelsenkirchen wurden zwei Horrorclowns gegenüber einem gehörlosen Mann handgreiflich und verletzten ihn mit einem Messer. Bei einem Zwischenfall in Rostock ging ein Horrorclown mit einem Baseballschläger auf einen Jugendlichen los und verletzte ihn. Das ist aber nur die Spitze des Eisbergs. So kam es allein in Nordrhein-Westfalen in den vergangen Tagen zu 110 polizeibekannten Vorfällen mit Horrorclowns. Die mediale Berichterstattung über das Thema ist mittlerweile so intensiv wie nach einem Terroranschlag. Dabei kommen vor allem Experten zu Wort, die über die Motive der Horrorclowns aufklären sollen und die hilfreiche Tipps geben, welches Verhalten gegenüber einem Horrorclown angemessen ist.

Horrorclowns wollen sich wichtig fühlen

Für den Kriminologen und ehemaligen niedersächsischen Justizminister Christian Pfeiffer sind die Horrorclowns „Menschen, die im realen Leben keine positiven Selbstverwirklichungschancen haben“. Wer früher eine Scheune angezündet hätte, der würde sich heute eben als Horrorclown verkleiden, um sich mal wichtig zu fühlen. Tatsächlich dürfte die intensive mediale Berichterstattung über das Thema „Horrorclowns“ wesentlich dazu beigetragen haben, dass der Hype um die bösen Grinsefratzen überhaupt entstehen konnte. Da dürften sich viele Menschen angesprochen fühlen, die auch sonst gerne Gewinn daraus ziehen, anderen Menschen Leid zuzufügen.

Diese sind sonst eher aus der virtuellen Welt des Internets bekannt. Nicht nur als so genannte „Trolls“ treiben sie dort ihr Unwesen und sorgen in den sozialen Netzwerken oder öffentlichen Foren mit ihren Kommentaren für Aufruhr. Auch der durchschnittliche Gutmensch mit zu viel Tagesfreizeit lässt sich im Internet gerne hämisch über Andersdenkende aus und beteiligt sich bereitwillig an jedem noch so absurden Shitstorm. Dabei geht es ihm wie den Horrorclowns um die Aufwertung des eigenen Selbst. Über andere herzuziehen und sie mit Kommentaren zu demütigen, verschafft ihnen eine Befriedigung ihrer inneren Sehnsucht nach dem absoluten Gut Sein.

Brüder im Geiste

Hinter den Masken der Horrorclowns dürften sich indes sehr wenige Gutmenschen verbergen. Solcherart Aktionismus erscheint für diese Spezies viel zu real. Ihr Metier ist dann doch eher das weitgehend konsequenzlose Moralisieren im Internet. Dennoch gibt der Umgang mit Gutmenschen einen Hinweis darauf, wie auch mit Horrorclowns umzugehen ist, weil sie beide die gleiche Motivation teilen. Möglichkeit eins ist das Ignorieren. Dies trifft Menschen mit einem Minderwertigkeitskomplex in der Regel besonders hart. Sie wollen Aufmerksamkeit um jeden Preis. Deshalb versuchen Horrorclowns Aufmerksamkeit zu erzwingen, indem sie auf Menschen losgehen oder sie wie ihr gutmenschliches Pendant anpöbeln.

Die Experten empfehlen in einem solchen Fall das Wegrennen. Das machen viele auch bei Gutmenschen. Leider wirkt das auf ein gestörtes Selbstwertgefühl bestätigend. Gutmensch und Horrorclown triumphieren angesichts der Angst, die sie verbreiten. Deshalb ist als zweite Möglichkeit das Auslachen durchaus angebracht. Wer mit einer Latexmaske in dunklen Ecken herumlungert, der hat es nicht besser verdient. Bei den Horrorclowns kann das wie bei ihrem gutmenschlichen Gegenstück aber zu einer gesteigerten Aggressivität führen. Handgreiflichkeiten sind wie beschrieben nicht selten die Folge. Hier hilft dann Möglichkeit drei: Zurückschlagen. Das muss nicht zwingend nur mit Worten erfolgen. So sind Horrorclowns und Gutmenschen zwar ein lästiges Übel, aber ein Übel, dem begegnet werden kann.

(Bild: michael kudela, flickr, CC BY-NC 2.0)

Jahrgang 1986, hat Soziologie und Politikwissenschaft studiert und lebt als selbständiger Autor in Köln. Für die Schriftenreihe BN-Anstoß hat er bereits zwei Bände beigesteuert: Geopolitik. Das Spiel nationaler Interessen zwischen Krieg und Frieden (2015). Sowie: Die ganze Wahrheit. Meinungsfreiheit als Herrschaftsinstrument (2016).

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