„The European Mainstream and the Populist Radical Right“ zählt zu den besseren Publikationen über „die bösen Rechten“. Für Fachleute interessant und für Laien gut zu lesen.
Beim Wort „Extremismusforschung“ denken die meisten an letztklassige Akademiker, die sich als hauptamtliche Verleumder doch noch einen Platz an den Fleischtöpfen gesichert haben. Dieses Vorurteil ist, gerade in Deutschland, leider nur allzu berechtigt. Daß es diesbezüglich in der internationalen, englischsprachigen Forschungswelt besser steht, zeigt der jüngst von den beiden Edinburgher Professoren Pontus Odmalm und Eve Hepburn herausgegebene Band The European Mainstream and the Populist Radical Right.
Auch für ein breiteres Publikum gut lesbar
Der Band, an dem außer den Herausgebern noch neun andere Wissenschaftler beteiligt sind, zeichnet sich dadurch aus, daß er ernsthafte quantitative Forschungsarbeit präsentiert, ohne für ein breiteres Publikum unlesbar zu werden. Oder umgekehrt, das Buch ist (auf gehobenem Niveau) populär, ohne den wissenschaftlichen Anspruch einzubüßen.
Dies gelingt, weil die Autoren gewissermaßen zweigleisig fahren. Der Band orientiert sich an den eingangs von Odmalm und Hepburn gestellten Forschungsfragen und den von ihnen vorgegebenen Methoden. Die sechs eigenständigen Länderstudien jedoch führen darüber hinaus den Leser auch in die jeweiligen Verhältnisse ein, erläutern die historischen, kulturellen und verfassungsmäßigen Besonderheiten.
Was macht die Rechten stark?
Wer wußte schon, daß in Dänemark Minderheitenregierungen der Normalfall sind? Und daß deswegen die Dänische Volkspartei ohne weiteres in vorgefundenen institutionalisierten Formen eine liberal-konservative Regierung unterstützen und dafür ihren Preis in der Einwanderungspolitik einfordern kann? Es sind solche, am richtigen Punkt eingebrachte Details, die The European Mainstream and the Populist Radical Right auch für den Nicht-Fachmann zu einem Gewinn machen.
Vor allem aber stellen die Autoren drei weitverbreitete Annahmen über das Verhältnis zwischen Rechtsparteien und dem Mainstream auf den Prüfstand. Stehen in der Einwanderungspolitik tatsächlich die einsamen Außenseiter der Einheitsfront der Etablierten gegenüber? Sind Rechtsparteien erfolgreicher, wenn niemand außer ihnen eine restriktive Einwanderungspolitik anbietet? Sind es vor allem strategische Fehler der Etablierten, die den Aufstieg der Rechten begünstigt haben?
Ergebnis durchwachsen
Die Datenauswertung Odmalms und Hepburns ergibt ein deutlich komplexeres Bild. Zwar gibt es bei den Etablierten einen klaren Trend hin zu liberaler Einwanderung und Multikulturalismus, doch in den meisten der untersuchten Wahlen, hatte der Wähler auch Einwanderungsbeschränkung von Seiten des Establishments auf dem Stimmzettel. Deren Wahlversprechen waren zwar fast immer bescheidener, als die der Rechtsparteien, doch trotzdem vorhanden.
Zudem gibt es hier große länderspezifische Unterschiede. In Schweden herrscht tatsächlich die große Einheitsfront der Multikultis, der andere Extremfall ist Britannien, hier vertrat selbst die Labourpartei oft restriktive Maßnahmen (zumindest im Wahlprogramm).
Auf der anderen Seite: Rechtsparteien sind oft auch dann erfolgreich, wenn Establishmentparteien versuchen mit Anti-Einwanderungsrhetorik zu punkten. Nimmt das Establishment ihnen mit dieser Strategie Stimmen weg? Oder beißt sie sich damit ins eigene Bein und legitimiert den Außenseiter? Das ist gar nicht so einfach zu sagen.
Verspieltes Vertrauen
Ein in den Länderstudien immer wiederkehrendes Thema sind die Schwierigkeiten des Establishments, sich in der Einwanderungsthematik als kompetent darzustellen. Auch viele Wähler, die am Ende des Wahltages einer etablierten Partei ihre Stimme gegeben haben, schätzen die Kompetenz der Rechten auf diesem Gebiet als höher ein.
Die Unfähigkeit, die oft versprochene Verbesserung der Integrationslage auch zu liefern, macht den Etablierten zusehends zu schaffen. Dennoch, hier muß auch ein Rechter den Autoren des Buches recht geben, der Vorteil der meisten Rechtsparteien besteht bis dato immer noch darin, daß sie aller Wahrscheinlichkeit nach so schnell nicht in die Regierungsverantwortung kommen und deshalb viel versprechen können.
Relativierte Frontstellung
Das größte Verdienst von The European Mainstream and the Populist Radical Right liegt sicherlich darin, daß es das Bild der klaren Frontstellung zwischen dem einwanderungsfreundlichen Establishment und den einwanderungskritischen Rechtsparteien zwar der Tendenz nach bestätigt, aber relativiert. Es gab und gibt in vielen europäischen Ländern durchaus Fälle von Kooperation, vor allem in Dänemark, aber auch in den Niederlanden und Finnland, begrenzt auch in Frankreich. Die in diesem Buch nicht behandelten Fälle Norwegens und Österreichs wären hinzuzufügen.
Doch auch in der Positionierung sind beide Parteifamilien nicht so streng voneinander geschieden, wie es oft behauptet wird. Dies macht verständlich, warum es eben durchaus, sogar in großer Zahl, Bürger gibt, die zwischen einer Rechtspartei und einer Mainstreampartei schwanken, ohne sich fest an eine zu binden.
Vor allem nach Wahlen, mit der Frage im Kopf: „Wie kann das sein? Warum haben schon wieder so viele Leute XYZ gewählt?“, sollte man sich das zu Gemüte führen. Das Verhältnis rechter Parteien zum Mainstream wie zur Wählerschaft ist komplizierter als es scheint. Doch es ist letztlich auch kein Hexenwerk.
Odmalm, Pontus / Hepburn, Eve (Hrsg.) (2017): The European Mainstream and the Populist Radical Right, Routledge, 166 Seiten.
(Bildhintergrund: Markus Spiske, flickr, CC BY 2.0)
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