Gustave Le Bons „Psychologie der Massen“ ist ein Klassiker, den man heute schon im Nachdruck für 4,95 Euro erstehen kann. Unbedingt lesen!
Das Buch, das laut ZEITauch Björn Höcke seinen Schülern ausdrücklich zur Lektüre empfohlen haben soll, wird vom Ruf verfolgt, von großen Staatsmännern und Herrschern des 20. Jahrhunderts als regelrechte Anleitung zur Führung ihrer Völker verwandt worden zu sein.
Diktatoren brauchen einen Nimbus
Wer zum Anführer tauge, bestimme sich laut Le Bon maßgeblich daran, ob es ihm gelinge, einen Nimbus um sich herum zu schaffen – also den außergewöhnlichen Hauch des Besonderen, Geheimnisvollen, Bewundernswerten. Regelrecht systematisiert wurde dieser Nimbus des Führers in Nordkorea, wo er letzten Endes wohl die einzige, den Staat wirklich stabilisierende Konstante der Kim-Dynastie ist.
Ohne den Nimbus lässt sich jedenfalls nicht erklären, warum der Tod von Kim Jong-Il zehntausende Nordkoreaner in Weinkrämpfe an den Rande eines Nervenzusammenbruchs führte oder auch warum Adolf Hitler neben Heiratsanträgen, Honig-Proben vom lokalen Imker auch schwärmerische Lobeshymnen eigentlich nüchterner, seriöser Bürger erhielt, wie in dem Film „Lieber Onkel Hitler – Briefe an den Führer“ dargestellt ist.
Donald Trump ist ein Paradebeispiel
Verfügt jemand über einen ausreichenden Nimbus, so wirkt das selbst auf seine Gegner: Beispiele sind etwa Jörg Haider oder ganz aktuell HC Strache, die trotz aller politischer Differenzen immer mehr Akzeptanz auch bei ihren Gegnern fanden, weil sie zumindest in bestimmten Bevölkerungsschichten über einen großen Nimbus verfügten. Aus ihm folgt die Angst der Gegner zu widersprechen und dadurch letztlich auch der weitere Siegeszug. Momentan wirkt es geradewegs so, als würden ÖVP und SPÖ die FPÖ nachäffen und hofieren, als ob sie deren Machtanspruch insgeheim schon akzeptiert hätten. Zaghafte Pflänzchen dieser Entwicklung waren auch im Wahlkampf in Mecklenburg-Vorpommern schon zu beobachten.
In den USA ist der Nimbus als Phänomen derzeit in ausgezeichneter Weise an Donald Trump zu beobachten. Der erfolgreiche Unternehmer, Patriot und Klartextpolitiker hat unter dem wachsenden unzufriedenen und Washington-kritischen Teil der weißen US-Bevölkerung einen enormen Nimbus erlangt. Gut erkennbar war das etwa am jüngsten TV-Duell mit Hillary Clinton, welches er laut politischen Analysten klar verloren haben soll. Schon bei den Vorwahlen wurde ihm immer wieder vorgehalten, er habe sich deutlich schlechter als seine republikanischen Konkurrenten in Debatten präsentiert. Doch aus massenpsychologischen Gesichtspunkten hat sich Trump für seine Wählerklientel wohl ideal verhalten und deshalb ist er wohl auch allen Analysen zum Trotz Kandidat geworden und mittlerweile mit Clinton nahezu gleichauf.
Im Meinungskampf geht es um Stoßrichtungen, nicht um Details
Studien haben ergeben, dass schon bei einer Tagesschausendung der Großteil der in fünfzehn Minuten vermittelten Informationen bei Zuschauern direkt nach dem Anschauen der Sendung verloren war. Bei einem wesentlich längeren und zugleich kontroversen Duell dürfte es angesichts dieser Erkenntnis für das absolute Gros der Zuschauer, die eben nicht wie Analysten eine TV-Debatte sezieren, kaum auf Inhalte ankommen. Nach Le Bons Logik kommt es nicht einmal auf die Argumente an – die Reden zahlreicher historischer Führer seien nüchtern betrachtet überaus oberflächlich und nicht überzeugend gewesen – sondern auf die gezielte Ansprache des Menschen in der Masse und ihrer Instinkte: „Man erschrickt, welche Macht ein Mann, der sich mit einem Nimbus zu umgeben weiß, durch die Verbindung von starker Überzeugung mit außergewöhnlicher Beschränktheit des Geistes erlangt.“
Clinton hätte so auch vor zwanzig Jahren auftreten können
Und Donald Trump hat in Gestik, Schärfe des Auftretens und verbalem Vortrag genau den Zahn einer Zeit getroffen, in der die Amerikaner links wie rechts von Mainstream-Politikern eigentlich die Schnauze voll haben. Clinton hingegen hätte so auch vor zwanzig Jahren auftreten können: Detailliert einstudiert, künstlich, fakten– und programm-basiert und eben wie ein echter Politiker im negativen Sinne. Und diese haben mit genau diesem Auftreten auf republikanischer Seite letztlich alle gegen „The Donald“ verloren.
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