Die sozialistische Linke als Handlanger der Hochfinanz. Der Vorwurf ist über hundert Jahre alt und trifft noch immer.
Allen, die sich mit Sozialpolitik beschäftigen, hat der Publizist Benedikt Kaiser einmal zugerufen, daß dies unabhängig von der Linken und jeder Querfrontträumerei zu geschehen habe. Die Süddeutsche Zeitung zeigt einmal mehr, warum. Da wird die Forderung eines Architekten namens Christian Schöningh abgedruckt, doch bitte das private Grundeigentum zu verstaatlichen. Das klingt nach Enteignung des Großgrundbesitzes, „Nieder mit den Junkern!“ und der Entkulakisierung und im Grunde ist es das auch, nur neu verpackt und mit der nervtötenden Harmlosigkeit eines urbanen Newmales vorgetragen.
Interessant ist es nur als Fallbeispiel dafür, warum man sich mit der Linken auch in der Sozialpolitik so schlecht einigen kann: Weil man nicht den Interessenvertretern der unteren Schichten gegenübersteht, sondern den Anhängern eines wohligen Lebensgefühls.
Immer das Gleiche
Das Schema ist auch das Ewiggleiche. Zunächst das Wettern gegen die Finanzinvestoren, die in diesem Falle die Bauplanung nach ihren Gewinnmargen ausrichten. Nun da die Abneigung der Leser auf eine Zielgruppe gelenkt ist, die man auch als guter Linker hassen darf, saugt sich Schöningh die Ansprüche und Rechte aus den Fingern, mit denen er die Forderung nach einem absurden Rechtsbruch rhetorisch verzuckert:
„Wohnungen als Infrastruktur zu verstehen, heißt eben auch, als öffentliche Hand einen gleichberechtigten beziehungsweise fairen Zugang zu den Wohnungen zu gewährleisten. Das muss nicht bedeuten, dass es nur noch staatlichen oder kommunalen Wohnungsbau gibt; aber zum Beispiel dürfen Grundstücke nur noch an Bauherren vergeben werden, die Wohnen als Grundrecht und Wohnungen im weiteren Sinne als Gemeingut definieren.“
Ad Grundrecht Wohnen: In Deutschland muß niemand auf der Straße wohnen. Obdachlos sein ist eine Entscheidung, wenn auch meist von Leuten, die mehr oder minder geisteskrank sind und früher in die Psychiatrie gesteckt worden wären.
Da die öffentliche Hand „gleichberechtigten beziehungsweise fairen Zugang zu den Wohnungen“ gewähren muß, weil anderenfalls die Grundstücke an Bauherren fallen könnten, für die Wohnen kein Grundrecht ist, können wir leider auf Eigentumsrechte keine Rücksicht nehmen, so die Argumentation.
Erbbaurecht statt Eigentum
Da ist dann auch die Lösung schnell vorhanden: „Boden und Wohnen dürfen keine Ware sein. Es darf kein privates Eigentum mehr an Baugrund geben, sondern nur noch die Nutzung davon. Das funktioniert durch die Vergabe eines Grundstücks mit einem Erbbaurecht.“
Um das klarzustellen: Zwecks Bekämpfung von in Quartalen denkenden Finanzhaien soll an die Stelle des privaten Grundeigentums ein Erbbaurecht treten, also die Vermietung der Grundstücke samt Baurecht auf Jahrzehnte.
Finanztechnisch unterscheidet sich das Erbbaurecht kaum vom Grundeigentum. Es kann ganz genauso mit Hypotheken belastet werden und alle Finanzprodukte, die auf Immobilien basieren, wären auch über das Erbbaurecht konstruierbar.
Das Erbbaurecht soll auch nur dazu dienen, dem bisherigen Grundstückseigentümern Vorschriften zu Nutzung und Mietpreisen zu machen, die gegenüber Privateigentum schwer denkbar wären, so aber vom Eigentümer Kommune als Bedingungen an das Erbbaurecht geknüpft werden sollen.
Welchen Preis die sozialen Kommunen dann noch für das Erbbaurecht verlangen könnten, kann sich jeder selber denken. Gerade internationale Immobilieninvestoren, die sich nur für die Gewinnmarge auf ihre Investition interessieren, dürfte dieses Erbbaurecht kaum stören.
Würde Schöninghs Idee tatsächlich umgesetzt, kein Investor zuckte auch nur mit der Wimper. Das einzige, was dadurch vernichtet würde, wäre der Grundbesitz als Verbindung des Menschen mit dem Boden.
Grundbesitz ist mehr als Investition
Der „Investmentpunk“ Gerald Hörhan macht sich gerne über Familienväter lustig, die jahrelang einen Kredit abzahlen, um ein Eigenheim zu erwerben. Er, Hörhan, besitze zwar zahlreiche Immobilien, werde seine privaten Wohnräume aber stets mieten, so bleibe man schließlich flexibel.
Daran stimmt zumindest, daß dem Grunderwerb etwa innewohnt, das über die bloße Investition hinausgeht. Selbst in unserer Zeit, in der das Haus des Vaters nach dessen Tod in der Regel verkauft wird, steht immer noch die Idee des Familiensitzes im Hintergrund jedes Hausbaus. Die Bindung an den Ort, wenn nicht der eigenen Kindheit, so doch an dem man wichtige Zeiten seines Lebens verbracht hat, ist das einzige, was verhindert den Boden vollständig „in Staub aufzulösen“ (Freiherr vom Stein). Ein solcher Ort ist dann weder Gemeingut, noch Spekulationsobjekt.
Doch auch vom rein finanziellen Standpunkt aus gesehen, ist Grundeigentum der Inbegriff der langfristigen und soliden Investition, die sich vor allem auszahlt, wenn über die Grenze einer Generation hinausgedacht wird. Daß sie nichts von alldem nachvollziehen können, darin sind sich der Immobilieninvestor Hörhan und der Immobilienkommunist Schöningh einig.
Nur noch ermüdend
Es ist bemerkenswert, wie soziale Forderungen der Linken mit traumwandlerischer Sicherheit die Mittelschicht treffen, den angeblichen Feind, das Kapital dabei im besten Falle völlig unberührt lassen, nicht selten stärken.
Zum Teil liegt das einfach am Mangel an Hirnschmalz, an der Unfähigkeit die Folgen der eigenen Projekte auch nur im Groben abzuschätzen. Eine Schwäche, die „die Märkte“ allen Finanzkrisen zum Trotz so nicht teilen. In der obigen Gegenüberstellung ist auch Hörhan zweifellos der bei weitem intelligentere von den beiden.
Aber es ist auch eine Art gewollter Dummheit. Es kümmert diese Leute nicht. Alles, was zählt, ist die gefühlte soziale Wärme der eigenen Wortblasen. Um zum Anfang zurückzukommen: Die Querfront ist deshalb eine bescheuerte Idee, weil man der Linken nicht einmal ihr angeblich ureigenstes Feld, das Soziale überlassen könnte, ohne Unfug befürchten zu müssen. Mich mit diesen Leuten zu beschäftigen ermüdet mich nur noch.
(Bild: Pixabay)
1 Kommentar zu “Die erwachsenen Kinder der sozialen Frage”