Rezension

Die Rettung der Welt ist kein Verfassungsziel!

Es braucht nicht nur immer einen Mutigen, der die Wahrheit ausspricht. Es kommt im öffentlichen Diskurs-Zirkus auch darauf an, daß derjenige als Experte legitimiert ist.

Genau aus diesem Grund haben die beiden neuen in der Edition Sonderwege bei Manuscriptum erschienenen Bücher von Lothar Fritze und Václav Klaus eine so große Bedeutung. Wenn der ehemalige tschechische Präsident die „Flüchtlingskrise“ eine „Völkerwanderung“ nennt, dann verschafft dies einwanderungskritischen Positionen eine ganz andere Geltung, als wenn nur der angebliche Pöbel von PEGIDA hier ein Problem sieht.

Lothar Fritze ist nicht ganz so bekannt wie Klaus. Dennoch ist sein Essay mit dem Titel Der böse gute Wille. Weltrettung und Selbstaufgabe in der Migrationskrise bemerkenswert. Der Politikprofessor aus Chemnitz wagt es darin, den Kaiser – oder genauer: die Chefverwalterin der Bundesrepublik – als nackt zu bezeichnen. Dies geschieht wohltuend unaufgeregt, nüchtern und mit sachlicher Schärfe.

Wenn Menschen um ihr nacktes Überleben kämpfen …

Fritze erkennt zunächst an, daß Deutschland Flüchtlingen helfen sollte. „Ungeachtet unserer nationalen Interessen haben wir die moralische Pflicht, auch hilfsbedürftigen Menschen, die nicht unserem staatlichen Gemeinwesen angehören, zu helfen“, betont er. Denn: „Menschen, die um ihr nacktes Überleben kämpfen, werden keine Nutzungs- oder Eigentumsrechte und auch keine Staatsgrenzen beachten, wenn diese Beachtung den eigenen Tod bedeuten würde.“

Deshalb ist es eben doch in unserem eigenen Interesse, Unterstützung zu leisten, um eine wirkliche, gewalttätige Invasion zu vermeiden. Sobald ein Mensch in einer existentiellen Notlage ist, bringt es nichts mehr, mit Paragraphen herumzuwedeln. Dann steht die Wahrung eines menschlichen Minimums im Mittelpunkt und es stellt sich nur noch die Frage, wie dies verwirklicht bzw. aufrechterhalten werden kann. Fritze betont nun, daß über dieses „Wie“ die Hilfeleistenden entscheiden können und zugleich alle Hilfspflichten Grenzen hätten: „Zieht es der Helfer vor, Hilfe im Herkunftsland des Hilfsbedürftigen zu organisieren, entfällt ein Einwanderungsrecht.“

Absichten-Moral

Wer dagegen der Meinung ist, vertriebene, heimatlos gewordene und arme Menschenmassen in Deutschland versorgen zu müssen, der macht Gebrauch von einer fatalen „Absichten-Moral“ (Friedrich Nietzsche). Eine Handlung läßt sich aber nicht nur nach dem guten Willen beurteilen. Gerade in der Politik kommt es darauf an, das Ende und die Spätfolgen der eigenen Handlung abzusehen. Merkel hat dies unterlassen und so trifft Fritze ein ums andere Mal ins Schwarze, wenn er ihre Naivität kritisiert, wobei er unsicher ist, ob es sich hier tatsächlich um Naivität oder sogar eiskaltes Kalkül handelt.

Auf den Punkt gebracht, hört sich das dann so an: „Die Repräsentanten des demokratischen Rechtsstaats sind nicht befugt, im Resultat einer spontanen Gefühlsaufwallung oder in kalkulierter Verwirklichung einer politischen Utopie die gesamte Menschheit als potenzielle Mitbürger zu behandeln und von ihrem Volk die dazu nötigen Solidaritätsleistungen zu erzwingen. Denn die ‚Rettung der Welt‘ ist kein Verfassungsziel.“

Die Schwarmdummheit der Intelligenz

So schön diese Analyse formuliert ist, so wenig neu ist sie doch. Spätestens seit Thilo Sarrazins Bestseller Deutschland schafft sich ab von 2010 liegen die Fakten für jedermann auf dem Tisch. Das hat aber weder die Bundesregierung noch die Parteien im Bundestag dazu bewogen, den Asyl-Ansturm von 2015 rechtzeitig zu stoppen. Ein Grund dafür ist, daß eine riesige Mehrheit der bundesdeutschen Intelligenz jeden „Refugee“ noch fanatischer begrüßt als die Münchner Bahnhofsklatscher. Diese „Intelligenz“ definiert sich nicht mehr über kluge, stringente und logische Gedanken. Vielmehr agieren die mit Pöstchen versorgten Wissenschaftler, Publizisten und Journalisten „schwarmdumm“.

Diese gruppendynamischen Zwänge lassen sich nur durch immer mehr mutige Abweichler auflösen. Am Ende dieses Prozesses stellen sich dann selbstverständlich alle Opportunisten hin und erklären, sie hätten ja schon immer gewußt, daß die Asylpolitik ein Fehler war. In Aufsatz „XY“ hätten sie dies durchblicken lassen, aber aufgrund der zu erwartenden Repressionen niemals Tacheles reden können.

Lothar Fritze hat mit seinem Buch über die Migrationskrise sehr eindeutig und klar Stellung bezogen. Positiv fällt außerdem auf, daß er ehrlich Auskunft über seine Quellen gibt. Während andere herumeiern, um nicht zugeben zu müssen, die „Rechten“ gelesen zu haben, benennt Fritze in seinen Fußnote jene Autoren, die schon vor ihm Wichtiges zum Verständnis des deutschen Selbstzerstörungswillens beigetragen haben.

Lothar Fritze: Der böse gute Wille. Weltrettung und Selbstaufgabe in der Migrationskrise. 202 Seiten. 15,80 Euro. Waltrop und Leipzig 2016.

(Bild: Buchcover und: Idomeni, von: Martin Leveneur, flickr, CC BY-ND 2.0)

Geboren 1985 in Karl-Marx-Stadt (heute: Chemnitz). Studium der Medien- und Kommunikationswissenschaften, Politik und BWL in Halle. Lebt in Meißen.

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