Gesichtet

Eine Frage des Vertrauens

Im sich nun dem Ende zuneigenden Jahr ist neben der stetig wachsenden Querdenkerbewegung ein generelles Misstrauen in die Maßnahmen der Regierung zur Eindämmung der Coronapandemie und die damit beauftragten oder sich dazu berufen fühlenden Forschungseinrichtungen und sonstige Organisationen gewachsen.

Der Diskurs, ob die Maßnahmen der Regierung sinnvoll sind oder nicht, ob eine Impfung mehr Schaden als Nutzen bringt, ob der Virus aus Fernost tatsächlich so gefährlich ist, wie von offiziellen Stellen behauptet, oder ob hinter dem Coronakomplex nicht eine ohnehin düstere Absicht irgendwelcher elitärer Gruppen steckt, ist seit der Ankunft des Erregers in Deutschland häufig emotional aufgeladen geführt worden.

Die vermeintliche Dummheit und Leichtgläubigkeit des Gegenübers ist dabei ein immer wiederkehrender Vorwurf. Auch scheinbar sinnvolle und belegbare Einwände, wie beispielsweise die angebliche Versessenheit Drostens, auch bei vergangenen Pandemien einen Lockdown zu fordern, werden ebenso mit Dummheit, Vertrauen in die falschen Leute und den Glauben an sinnfreie und unwahre Verschwörungen abgetan, wie der Einwand, dass es in einigen Regionen Europas massive zum vermeidbaren Tod von Patienten führende Überlastungen des Gesundheitswesens gegeben hat.

Vertrauen und Wissenschaft

Doch ist da etwas unter der Oberfläche. Etwas, das mit weit mehr zu tun hat, als mit wissenschaftlichen Fragen bezüglich eines Virus oder der Verschwörungstheorien. Es ist eine Frage des Vertrauens. Denn es liegt in der Natur der Sache, dass nicht jeder alles wissen kann. Nicht jeder ist ausgebildeter Virologe, Krisenmanager oder Experte für Okkultes und Geheimes und selbst die, die es sind, können in ihrem Fachbereich nicht alles wissen und müssen sich auf die ehrliche und richtige Arbeit ihrer Kollegen und der von ihnen genutzten Hilfswissenschaften vertrauen.

Das Vertrauen in offizielle Autoritäten scheint jedenfalls in weiten Teilen der Bevölkerung zerrüttet zu sein. Die dauerhafte Beschallung mit dramatischen Bildern und Berichten verknüpft mit dem Appell, das zu tun, was die mütterlich auftretende kinderlose Kanzlerin und ihr Kabinett fordern, die Überhöhung eines sicher talentierten Wissenschaftlers der Virologie, eines fleischgewordenen Davids, an dem Michelangelo sicher nicht nur seine künstlerische Freude hätte, welcher mit seiner Weisheit durch den medialen Äther wabert um uns zu erleuchten und seinen Weg aus der schlimmsten Katastrophe seit dem Zweiten Weltkrieg (O-Ton Merkel) aufzeigt. Und nicht zuletzt die unmittelbare Gängelung, die Verbote, der Zwang der so von den Herrschenden durchgedrückt wird, wie sonst nur entnervte Eltern mit ihrem ungezogenen Nachwuchs umspringen, lässt viele an dem Geforderten und denen, die es fordern, zweifeln.

Appelle und Hypermoral

Das Ganze erinnert doch zu sehr an jene Ereignisse der jüngeren Vergangenheit, die zu einem Bruch nicht unbeträchtlicher Teile der Bundesbürger mit der Regierung führten. So wie die Finanzkrise 2008, die Asylkrise 2015 und die Wahl und Amtszeit Trumps und die einseitige und für gewöhnlich negative Berichterstattung über all jene, die bei diesen Dingen nicht auf Kurs mit der Bundesregierung und dem Großteil der herrschenden Klasse lagen. Dabei wurde ebenfalls appelliert, moralisiert und nur das gezeigt, was ins Bild der Herrschenden passte.

Wenn nötig wurde zuweilen auch falsch zitiert oder schlicht und einfach dreist gelogen. Dass all das nicht das Vertrauen in die Herrschenden stärkt, sollte klar sein. Die Bruchlinie zwischen denen, die Vertrauen haben und denen, die es verloren haben, zieht sich durch weite Teile der Bevölkerung und durch alle Schichten. Es findet teils eine absurde Umkehr der Verhältnisse statt. Einige linksextreme selbsternannte Anarchisten fordern nun das harte Vorgehen der Regierung und ihrer Organe (andere aus dem gleichen Lager fordern teils das Gegenteil), während geradezu spießbürgerlich anmutende Bürger, die ohne allzu großes Murren bisher geschluckt haben, was von oben kam, nun beginnen aufzubegehren und die Rechtmäßigkeit der Maßnahmen der Bundes- und Länderregierungen und der Polizei in Frage stellen.

Fehler der Opposition

Bedauerlicherweise rutschen dabei viele in Gefühlsduselei und unsinnige Erklärungen ab. Manche laufen gar Leuten wie Attila Hildmann hinterher. Auf der anderen Seite wird jede noch so sinnlose oder gar schädliche Maßnahme gerechtfertigt oder zumindest in Schutz genommen. Der Riss, der sich da auftut, macht es schwer miteinander in Gespräch zu kommen und die Gegenseite ernst zu nehmen.

Es ist ein folgenschwerer Fehler, den jede Seite im Begriff zu tun ist, die Anderen nicht ernst zu nehmen. Schlicht alles, was von der anderen Seite kommt für Unsinn und Ausdruck von Dummheit und falschem Gehorsam zu halten. So verspielt bloß eine durchaus berechtigte systemkritische Bewegung ihre gesellschaftliche Akzeptanz und eine Regierung und die zumindest ideell mit ihr verwobenen Medien ihr Vertrauen.

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