Die strategischen Winkelzüge chinesischer Investoren sind für die leitenden Angestellten der deutschen Automobilkonzerne offenbar kaum verständlich. Kostendruck und eine ideologisierte Politik im Nacken sorgen für Angst in den Vorstandsetagen und für berechtigte Sorgen bei den Arbeitnehmern.
Mit der Verabschiedung des EU-Haushaltsrahmens am 16. Dezember im EU-Parlament wurden nicht nur gerade mal mehr als 1,8 Billionen Euro von den EU-Abgeordneten für europäische Projekte genehmigt, es wurde auch neben einigen anderen fragwürdigen Entscheidungen die „Klimarettung“ zu einem der obersten EUZ-Ziele ausgerufen. Die im eigenen Land längst technologisch, ökonomisch und ökologisch gescheiterte sogenannte „Energiewende“ der schon viel zu lange regierenden Angela Merkel, wird nun zur selig machenden Haushaltsdoktrin der EU.
Denn immerhin 30 Prozent der abgenickten Summe sollen in CO2-reduzierende Wirtschaftszweige gesteckt werden. In diesem Zusammenhang steht der Industrie eine Verschärfung des Emissionshandels bevor. Betreiber von Fabriken und Kraftwerken müssen für jede Tonne Kohlendioxid ein Zertifikat kaufen, dessen Preis aufgrund der Emissionsreduktion steigen wird. Ein wachstumsimpulsgebender Green Deal sieht anders aus. Finden offenbar auch die Chinesen, die als vielgepriesenes Elektro-Musterland vorerst am Verbrenner festhalten wollen.
Andreas Radics, geschäftsführender Partner der Unternehmensberatung Berylls Strategy Advisors in München, vermutet, dass sich China mit einem Aussortieren konventioneller Pkw noch bis 2060 Zeit lassen wird. Radics: „Die Co-Existenz zwischen E-Auto und Verbrenner wird in China allerdings noch länger andauern als zunächst erwartet“, und: „Für die Unternehmen der Automobilindustrie bedeutet das neue Datum, dass sie weiter mehrgleisig fahren müssen.“ Gleichzeitig geraten die deutschen Automobilhersteller unter Druck seitens chinesischer Investoren.
Der Daimler-Konzern etwa hat mit den Autoherstellern Geely und Baic gleich zwei chinesische Großaktionäre, die gemeinsam auf einen Aktienanteil von fast 15 Prozent kommen. Besitzer des chinesischen Herstellers Geely ist der Chinese Li Shufu, der auch bei Volvo, der Elektro-Performance-Marke Polstar über Proton sowie bei der Londoner Taxi-Marke LEVC und Lynk & Co bis Lotus engagiert ist.
Die Produktion bestimmter Volvo Modelle findet heute schon in China statt, und es bleibt deshalb fragwürdig, ob Daimler langfristig wirklich von Li Shufus Aktivitäten erbaut ist, denn das Smart-Problem hat der umtriebige Investor den bräsigen Auto-Managern längst abgenommen und auch schon nach China geholt. Während hier der verwöhnte und selbstgefällige Konzern-„Lenker“ sich von Abgasaffären durchschütteln lässt, Kreide schluckt und das Hohelied des politisch korrekten E-Antriebs singt, spielen die Chinesen als gewiefte Strategen ein völlig anderes Spiel.
Der smarte Asiate Li Shufu bietet mit seiner neuen Plattform fürs Elektroauto SEA (Sustainable Experience Architectur) hohe Reichweiten und modellbezogene Skalierbarkeit. Das klingt für die leitenden Angestellten der hiesigen Automobilindustrie erstmal verführerisch, denn die 40 Prozent Kosten für eine eigene Plattformentwicklung ließen sich so sparen und Geely und die SEA-Abnehmer könnten ihre Investitionen wieder mehr in andere zukunftsträchtige Antriebstechnologien fließen lassen.
Doch der Griff der Chinesen nach allen Komponenten der deutschen Schlüsselindustrie – auch durch Schaffung von technologischen und finanzplanerischen Abhängigkeiten – ruft Widerstand auf den Plan. Daimler-Betriebsratschef Michael Brecht verriet unlängst dem Manager Magazin, dass er im Erstarken chinesischer Investoren eine Gefahr für den Wirtschaftsstandort Deutschland sähe. Schlüsselbereiche wie die Autoindustrie sollten „politisch geschützt“ werden. Der Arbeitnehmervertreter denkt bei seiner Kritik an Konzernchef Ola Källenius natürlich auch an den eigenen Sessel, denn Daimler will die Komponentenwerke in Untertürkheim und Berlin-Marienfelde drastisch verkleinern. Man sieht circa 5.000 Stellen gefährdet.
Bis vor kurzem schien selbstverständlich, dass China bereits im Jahr 2030 aus der Verbrennertechnik aussteigen wolle. Für Andreas Radics und andere Experten scheint mittlerweile allerdings klar zu sein, dass sich ganz allein in China entscheiden wird, wie der Antriebsstrang der Zukunft aussehen wird. Mit dem Engagement der Chinesen für die besonders in Deutschland ausgefeilte und perfektionierte Verbrennungsmotortechnologie wird jedenfalls erkennbar, dass genau diese Zukunft nicht ohne Verbrennungsmotor auskommen wird.
Anstatt also blindlings in sinnlosen Aktionismus zu verfallen und es besser machen zu wollen als der Rest der Welt, wären Politik und wirtschaftliche Führung der betroffenen Branchen wohl beraten, wenn sie eine umsichtige Industriepolitik fahren würden, die den Verbrenner, auch mit synthetischen Kraftstoffen und Brennstoffzellenantrieb, als Alternative zum Elektroantrieb weiterhin seine angestammte und wichtige Rolle behalten lässt.
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