Gesichtet

„Es gibt keine halbgültigen Ehen“

Bischof Athanasius Schneider (ORC) ist einer der prominentesten Kritiker des nachsydonalen Schreibens „Amoris laetitia“ zur Familienpastoral der katholischen Kirche. Im BN-Interview mit Gereon Breuer macht er die wesentlichen Punkte deutlich.

BlaueNarzisse.de: Durch das nachsydonale SchreibenAmoris laetitiavon Papst Franziskus ist hinsichtlich der Frage der Zulassung sogenannterwiederverheirateter Geschiedenerzum Empfang der Sakramente und insbesondere der Kommunion viel Verwirrung entstanden. Warum aber ist eine irreguläre Verbindung ein so wesentlicher Hinderungsgrund für den Kommunionempfang?

Bischof Athanasius Schneider: Eine sogenannte irreguläre Verbindung ist eine Lebensweise, die sich direkt dem Sechsten Gebot Gottes und somit dem ausdrücklichen Willen Gottes widersetzt. Dieses Gebot lautet: „Du sollst nicht die Ehe brechen“. Gemäß dem einmütigen Verständnis dieses Gebotes sowohl im Alten als auch im Neuen Testament, der Predigt der Apostel und der beständigen zweitausendjährigen Auslegung des kirchlichen Lehramtes bedeutet dieses Gebot, dass jeder sexuelle Akt außerhalb einer gültigen Ehe objektiv schwer sündhaft ist und eventuelle subjektive Schuldminderungen die objektive Schädlichkeit und Gottwidrigkeit eines solchen Aktes nicht aufheben können. Es ist kein menschliches und auch kein kirchliches Gebot, also keine kirchliche Norm, sondern der Ausdruck des Willens Gottes selbst.

Eine absichtliche und freiwillige Nichtbeachtung dieses Gebotes bedeutet Verachtung Gottes und Widerstand gegen Seinen heiligen Willen. Solch ein schwerwiegendes Verhalten des Menschen zieht den ewigen Tod der Seele, d.h. die ewige Verdammnis, nach sich. Das sieht man am Verhalten unserer Stammeltern Adam und Eva, die sich im Paradies dem ausdrücklichen Gebot und Willen Gottes widersetzt haben, und anstelle des Willens Gottes ihren eigenen Willen gesetzt haben. Die Konsequenzen dieser Tat kennen wir: Tod des Leibes, Ausschluss der Seele aus der Gemeinschaft mit Gott, Krankheiten, Katastrophen, Mord, Kriege und alle Formen des sittlichen Übels, die Erbsünde mit der Begierde, d.h. der Lust zur Sünde. Die Zehn Gebote, die Gott den Menschen gab, sind ein Ausdruck höchster Weisheit und Barmherzigkeit Gottes gegenüber dem schwachen, gefallenen Menschen. Diese Gebote sind lebensrettend, gleichsam wie ein schützender Zaun vor einem Abgrund. Der Mensch ist allerdings frei und Gott zwingt ihn nicht, Seinen Willen zu erfüllen, sonst wäre der Mensch lediglich eine Marionette.

In einigen Gemeinden in Deutschland war es lange vor Amoris laetitia schon üblich, dass Pfarrer Sakramentemit der Gießkanneverteilten, anstatt auf die Person und ihre jeweilige Lebenssituation zu sehen. Diese Praxis wird durch die missverständlichen Formulierungen in Amoris laetitia scheinbar bestätigt und es ist mindestens zweifelhaft, ob eine päpstliche Klarstellung an dieser Praxis etwas ändern wird. Welche Folgen hat das aus Ihrer Sicht für die pastorale Arbeit vor Ort?

Leider Gottes ist es wahr, dass sich in nicht wenigen Orten in Deutschland, und nicht nur dort, sondern auch in zahlreichen Pfarreien der westlichen Welt in den letzten fünfzig Jahren bei Priestern und Laien ein Verständnis der Eucharistie entwickelt hat, das eindeutig nicht mehr katholisch ist. Danach wäre die Eucharistie eher ein Symbol der Gegenwart Christi und nicht die reale Gegenwart Christi, der in der Gestalt des wesensverwandelten Brotes und Weines mit Seinem Leib und in Seinem Blut und Seiner wahren Gottheit gegenwärtig ist.

Ferner wäre nach diesem Verständnis die Eucharistiefeier nicht die sakramentale Gegenwart des Kreuzesopfers, sondern ein sentimentales brüderliches Mahl mit religiösem Charakter, an dem alle Anwesenden gemäß den Regeln der Gastfreundschaft und der Höflichkeit eingeladen sind teilzunehmen. Solch ein Verständnis erniedrigt die Heiligkeit und Übernatürlichkeit des Geheimnisses der Eucharistie zu einer naturalistischen, humanitären und soziologischen Veranstaltung, die dann nichts mehr mit dem Geist Christi und der Apostel zu tun hat, und damit nicht mehr die Eucharistie der Kirche ist, sondern ein „Event“ einer selbstfabrizierten Religion.

Obwohl Priester und Laien mit einem solchen Eucharistieverständnis sich gerne auf die Urkirche berufen, befinden sie sich in diesem Fall allerdings in einem offenkundig schreienden Gegensatz zu den Worten Christi und der Apostel und der beständigen Lehre und Praxis der Kirche, welche die Worte Christi „Gebt das Heilige nicht den Hunden und werft eure Perlen nicht vor die Schweine hin“ (Mt. 7, 6) immer in erster Linie auf die Sakramente bezog. Die folgende Lehre und pastorale Methode des heiligen Apostels Paulus bleibt für alle Zeiten gültig: „Wer also unwürdig von dem Brot isst und aus dem Kelch des Herrn trinkt, macht sich schuldig am Leib und am Blut des Herrn. Jeder soll sich selbst prüfen; erst dann soll er von dem Brot essen und aus dem Kelch trinken. Denn wer davon isst und trinkt, ohne zu bedenken, dass es der Leib des Herrn ist, der zieht sich das Gericht zu“ (1 Kor. 11, 27 – 29). Priester, welche Gläubige und überhaupt alle Menschen unterschieds- und verantwortungslos zur Eucharistie zulassen, handeln gegen das hier zitierte eindeutige Wort Gottes und machen sich schuldig, in diesen Menschen den Rest des noch vorhandenen übernatürlichen Glaubens und der Gottesfurcht zu zerstören.

Solche Priester und Gläubige kommen mit der Zeit, wenn sie sich nicht bekehren, in einen geistigen Zustand, auf den man folgende Worte des Apostels anwenden kann: „Denn es ist unmöglich, Menschen, die einmal erleuchtet worden sind, die von der himmlischen Gabe genossen und Anteil am Heiligen Geist empfangen haben, die das gute Wort Gottes und die Kräfte der zukünftigen Welt kennengelernt haben, dann aber abgefallen sind, erneut zur Umkehr zu bringen; denn sie schlagen jetzt den Sohn Gottes noch einmal ans Kreuz und machen ihn zum Gespött“ (Hebr. 6, 4-6).

Gerade in Deutschland scheint dasProblemdes Kommunionempfangswiederverheirateter Geschiedenerbesonders populär zu sein. Das mag darüber hinwegtäuschen, dass es in der katholischen Kirche drängendere Fragen der Familienpastoral und auch darüber hinaus gibt. Welche sind das Ihrer Meinung nach?

Das „Problem“ des Kommunionempfangs „wiederverheirateter Geschiedener“ ist nicht selten ideologisch zu einem Problem gemacht worden. Durch die Einführung solch einer Praxis wird letztlich etwas anderes bezweckt, nämlich: die de facto kirchliche Anerkennung der sittlichen Unbedenklichkeit von sexuellen Akten und der Geschlechtsgemeinschaft außerhalb einer gültigen Ehe, und damit bedeutet es die Annahme der Ehescheidung. Es stellt somit die Anpassung an den unchristlichen Zeitgeist und eine Kollaboration mit der „Plage der Ehescheidung“ unserer modernen Welt dar, wovor schon das II. Vatikanische Konzil gewarnt hat (vgl. Gaudium et spes, 47).

Eine echte katholische Familienpastoral müsste im Gegenteil alle Kräfte dafür aufwenden, um diese Plage der Ehescheidung zu mindern. Ferner besteht die unersetzliche Priorität der Familienpastoral in der Erziehung der jungen Menschen zur christlichen Keuschheit und in der Vorbereitung zur Ehe. Sodann müsste eine Familienpastoral viel Kraft investieren, um die jungen Eheleute und Familien in den ersten Jahren durch Gebet, Beratung und andere menschlichen und geistlichen Hilfen zu begleiten.

Sicherlich sollte man eine besondere Aufmerksamkeit den Eheleuten widmen, die getrennt leben oder zivilrechtlich geschieden und eine neue Verbindung eingegangen sind. Man soll sie mit viel Geduld, Takt aber auch mit der Klarheit der Wahrheit über Gottes Gebot und Wort begleiten. Es wäre eine Lüge, würde man ihr ehebrecherisches Zusammenleben nicht als solches bezeichnen und ihnen sagen, dass ihre Lebenssituation gesund sei und nicht gegen den Willen Gottes verstoße. Eine bewusst falsch gestellte Diagnose hilft keinem Kranken. Das wäre im Gegenteil eine Grausamkeit gegenüber dem Kranken. Entweder ist eine Ehe gültig oder sie ist es nicht.

Es gibt keine halbgültigen Ehen. Die gültige Ehe unter Getauften ist nämlich ein Sakrament. Ein Sakrament aber ist schlechthin eine objektive, öffentliche und soziale Wirklichkeit. Über die Gültigkeit der Sakramente kann daher nur die Kirche befinden und ihr steht auch keine Vollmacht zu, die Wesensbestimmung der Sakramente zu ändern (vgl. Konzil von Trient, sess. 21, cap. 2). Deshalb kann ein subjektives Gewissensurteil über die vermeintliche Ungültigkeit der eigenen Ehe keine rechtlichen und öffentlichen Folgen für die liturgische Feier der Sakramente haben.

Teil 2 dieses Gesprächs erscheint in Kürze.

(Bild: Athanasius Schneider, von: Marko Tervaportti, CC BY 3.0)

Jahrgang 1986, hat Soziologie und Politikwissenschaft studiert und lebt als selbständiger Autor in Köln. Für die Schriftenreihe BN-Anstoß hat er bereits zwei Bände beigesteuert: Geopolitik. Das Spiel nationaler Interessen zwischen Krieg und Frieden (2015). Sowie: Die ganze Wahrheit. Meinungsfreiheit als Herrschaftsinstrument (2016).

1 Kommentar zu “„Es gibt keine halbgültigen Ehen“

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