Prolog:
Flugzeuge fliegen in einer Höhe von 250 Metern über Wohnungen, Schulen, Kindergärten, Krankenhäuser und Altenheime, reißen Dachziegel herunter und gefährden Menschenleben. Zuletzt passierte dies einem in der neuen Einflugschneise des Frankfurter Flughafens lebenden Familienvater aus Raunheim: Er wollte gerade in sein Auto steigen, da zertrümmerte ein von einer Wirbelschleppe eines vorbeifliegenden Flugzeugs heruntergerissener Ziegelstein die Windschutzscheibe seines Autos. Er erstattete Anzeige wegen versuchten Totschlags, bekam jedoch von der Polizei zu hören, dass dies nicht möglich sei. Schließlich habe die Fraport AG eine gültige Betriebserlaubnis für den Flughafen. Ein Vorsatz sei somit nicht erkennbar.
Das hessische Verkehrsministerium und die Verwaltungsgerichte hatten zuvor in dem Planfeststellungsbeschluss zum Ausbau des Frankfurter Flughafens ein Wirbelschleppenrisiko kategorisch ausgeschlossen. Grundlage für diese Entscheidung war ein Gutachten der Fraport AG.
Willkommen im Zeitalter des Manchester-Kapitalismus, als Chemieunternehmen in Frankfurt/Höchst ihre Abwässer noch ungefiltert in den Main leiten durften. Die Neuauflage dieser dunkel-habgierigen Welt sieht offensichtlich nicht die Möglichkeit vor, die Betriebserlaubnis für eine Anflugroute zu entziehen, die nachweislich Menschenleben gefährdet. Solange es Arbeitsplätze vom Himmel zu regnen verspricht, dürfen die Gesichter von Fluglärmopfern ruhig auch pechschwarz sein.
Blinde Wachstumsideologen ignorieren die Tatsache, dass nach Auskunft von Bürgerinitiativen bereits mehrere Menschen unter dem Dauerlärm der neuen Nordwest- Landebahn (seit 2011) gestorben sind.
Die Frage, ob der Frankfurter Flughafen tatsächlich eine Jobmaschine ist, hat nach dem oben Gesagten keine Relevanz. Ethisches Handeln geht weder für wenig mehr noch für viel mehr Arbeitsplätze über Leichen! Sie wird aber trotzdem gestellt, um die Annahme wahrscheinlich zu machen, dass ein Machtkomplex aus Politik, Industrie, Justiz nur als Ziel hat, das Geschäftsmodell eines lobbystarken Großkonzerns auf Kosten der Gesundheit und des Lebens der Bewohner der Rhein-Main-Region durchzudrücken.
Frankfurt: Der Landraub aus der Luft – Teil 1: Das Ende eines Gemeinwesens
„Liebe Frankfurterinnen und Frankfurter, der „Grüngürtel“ umschließt unsere Stadt mit seinen vielen Rad- und Wanderwegen, den Flüssen und Bächen, Wäldern und Wiesen (…)“
Wörtliches Zitat von Frankfurts ehemaliger Oberbürgermeisterin, Petra Roth, aus dem Februar 2012, 3 Monate nach Eröffnung der Nordwest-Landebahn, die den Freizeitwert des Frankfurter Stadtwalds ruiniert.
Fraport ist in der Frankfurter Gesellschaft unantastbar. Die Bekenntnisse sind aufrichtig – die IHK: „FRA ist der einzige relevante deutsche Verkehrsflughafen mit interkontinentaler Funktion (Drehkreuz)“ – und voller Wundergläubigkeit. Ihr Präsident Mathias Müller: „Ich bin gegen die Beschränkung der Flugbewegungen nach oben, da der Flughafen die ganz entscheidende Stellschraube für die wirtschaftliche Prosperität dieser Region ist.“
Die Frankfurter Größen aus Wirtschaft, Politik, Sport, Kultur und hessischer Geschichtswissenschaft stehen tief loyal zu Fraport. Fänden Fraport-Archäologen heraus, dass es schon vor 2000 Jahren in Frankfurt einen Flugplatz gegeben hat, die meisten würden es glauben.
Ein typischer Frankfurter ist Heribert Bruchhagen, Vorstandsvorsitzender von Eintracht Frankfurt. Zur Zeit als Fraport noch Hauptsponsor von Eintracht Frankfurt war, heißt es in einem Gespräch mit der Süddeutschen Zeitung: „Über Heribert Bruchhagen dröhnen die Flieger im Minutentakt, so tief, dass man ihre Räder zählen kann. Er steht vor der
Frankfurter Fußballarena und der Lärm juckt ihn nicht, er fliegt ja selbst fast jede Woche.“ Weiter unten dann: „Seit elf Jahren lebt Bruchhagen jetzt in Sachsenhausen direkt am Main, wo er abends noch am Ufer joggt mit Blick auf die Skyline, wo er nachts um drei noch auf joggende Banker trifft und die ‚unheimlich friedfertige Atmosphäre‘ genießt.“
Zuerst die unbedingte Bündnistreue zu Fraport, dann der Respekt für seine Mitmenschen. Solange der gemeine Frankfurter Mensch seine Fraport-Sponsorengelder / Gewerbesteuereinnahmen kassiert, juckt es ihn nicht, unter welchen Umständen seine Mitmenschen in den Einflugschneisen leben müssen; in Sachsenhausen am Stadtwald – dort, wo die Fußballarena steht – ,in Offenbach, Mainz, Flörsheim, Gelnhausen und weit darüber hinaus. Solange der gemeine Frankfurter Mensch auch mal fliegen darf und sich darüber freut wie ein Hund, dem man ein Stück Fleischwurst hinschmeißt, juckt es ihn nicht, dass Fraport-Diebe die Häuser ausrauben; in Sachsenhausen am Stadtwald – dort, wo die Fußballarena steht – ,in Offenbach, Aschaffenburg, Bad Kreuznach, im Rheingau und weit darüber hinaus.
Eine ganze Stadt wird geopfert
Die neue Nordwest-Landebahn am Frankfurter Flughafen ist raumunverträglich! In einem mit der Rhein-Main-Region vergleichbaren Stadtgebiet wie London oder Berlin läge der Flughafen mitten in der Stadt. Nach einer Analyse des Deutschen Fluglärmdienstes vergrößert die neue Landebahn das verlärmte Gebiet netto um ca. 1000 km². Sie weitet die Fläche des Siedlungsbeschränkungsgebiets von 270 km² auf 430 km² aus. Offenbach ist eine Großstadt mit 120.000 Einwohnern und besteht zu ca. 75 % ihrer Fläche aus Siedlungsbeschränkungsgebiet. Offenbach kann dort keine Kindergärten, Schulen und Krankenhäuser bauen und Wohnungen nur noch mit Ausnahmegenehmigung. Ca. 75% des Siedlungsgebiets einer Großstadt mit 120.000 Einwohnern ist am Tag einem Dauerschallpegel von mindestens 55 dB ausgesetzt.
Flugzeuge, die auf dem zentralen Marktplatz einer Großstadt zu landen scheinen. In welchem zivilisierten Staat gibt es das?
Bei den Planungen zum Ausbau des Frankfurter Flughafens spielten die Gesundheit und das Seelenheil von Hunderttausenden, die jetzt mit Lärmterror überzogen werden, allerdings keine Rolle. Genauso wurde die Idee vernachlässigt, dass sich Städte und Gemeinden durch den Bau von Wohnungen, Krankenhäusern, Schulen und Kindergärten entwickeln können. Es ging stattdessen um harte Faktoren wie strukturpolitische Effekte und Arbeitsplätze. Die sogenannten harten Faktoren werden im Folgenden untersucht.
Was wäre Frankfurt ohne den Flughafen
Die Statistischen Landesämter/Bundesämter führen Beschäftigungsstatistiken, deren Zeitreihen bis in das Jahr 1975 zurückreichen. Vom 30.6.1975 bis zum 30.6.2013 stieg in Frankfurt der Anteil der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten um 12%. In Hessen im gleichen Zeitraum um 23% und in Westdeutschland um14%. Die Weltflughafenstadt Frankfurt ist – trotz Startbahn West und Nordwest Landebahn – in puncto Beschäftigungsdynamik nur graues Mittelmaß!
- Frankfurt hatte längst seinen Status als Wirtschaftsmetropole erreicht, bevor der Flughafen über alle Maßen ausgebaut
- Hermann Simon, Autor des Buchs „Hidden Champions – Aufbruch nach Globalia“, sagte 2012: „In den meisten Ländern dieser Welt ist die Intelligenz an einem Ort, in der Regel in der Hauptstadt, konzentriert. Wenige Länder sind so dezentral strukturiert wie Deutschland. Selbst auf dem Lande findet man bei uns überall Weltklasseunternehmen. Ich halte diese regionale Streuung für einen enormen Vorteil. Selbst in den neuen Bundesländern sind mittlerweile 45 Hidden Champions entstanden.“
Die Zahlenmagie der Luftverkehrsbranche
BARIG, ein Luftverkehrsverband, der die meisten nationalen wie auch internationalen Passagier- und Frachtfluggesellschaften vertritt, die in Deutschland geschäftlich tätig sind, befragte 2013 seine 99 Mitgliedsairlines – darunter vier der fünf größten – und ermittelte für sie 10.5800 direkt Beschäftigte. Der Bundesverband der Deutschen Fluggesellschaften BDF befragte 2012 und 2013 seine 6 Mitgliedsairlines – darunter vier der fünf größten – und ermittelte für sie 135.000 direkt Beschäftigte. Mengenlehre ist manchmal schwierig.
Anständig zu zählen ist die nächste große Herausforderung.
Das Statistische Bundesamt, das seine Erhebungen in der gewerblichen Luftfahrt als Vollerhebung durchführt, zählt in diesem Sektor aktuell ca. 66.000 Beschäftigte.
Andrea Hütter, zuständig für Unternehmen im Luftverkehr, erklärt in einer Antwort-E-Mail, wie das Bundesamt die Statistik definiert: „In die Erhebung werden Unternehmen, die entsprechende Verkehre betreiben, in die Statistik einbezogen, auch wenn sie den jeweiligen Verkehr nicht als Haupttätigkeit betreiben. Der Statistik liegt somit eine funktionale Betrachtung zugrunde. Die Untergliederung des Personalbestands erfolgt nach fliegendem Personal und Bodenpersonal. Zum Bodenpersonal bzw. sonstigem Luftpersonal gehören z. B. diejenigen Beschäftigten, die für Wartungs- und Überholarbeiten an Luftfahrzeugen sowie in der Verwaltung und in der Passagier und Frachtabfertigung für Zwecke der Luftfahrt eingesetzt sind. Es werden nur die Personen eingerechnet, die im Luftverkehr ihre Haupttätigkeit haben.“
Frankfurt: Der Landraub aus der Luft – Teil 2: Propaganda und Lügen
Das Geheimnis der 100.000 neuen Arbeitsplätze
Deutliche Zahnlücken hatte das Fraport-Gutachten G 19.1. Es war das wichtigste Gutachten im Ausbaugenehmigungsverfahren zum Frankfurter Flughafen und dokumentierte im Rahmen des Planfeststellungsverfahrens eine Arbeitsstätten- und Beschäftigtenerhebung. Die Fraport AG kannte die genaue Anzahl der Firmen auf dem Flughafen nicht. Sie schätzte „mindestens“ 450, von denen es aber nur für 376 Firmen Angaben zur Beschäftigtenzahl gab.
Der Flughafenbetreiber schrieb schließlich 191 Unternehmen an, mit einem Rücklauf von 108 verwertbaren Antworten. Das Ergebnis des Gutachtens aus dem Jahr 2004 ist bekannt: „Bis 2015 werden im Planungsfall rund 100.000 Arbeitsplätze mehr entstehen als beim Prognoseunfall.“ Da der Prognoseunfall eines Nicht-Ausbaus vermieden werden konnte, ist nächstes Jahr große Bescherung unter dem Weihnachtsbaum. Fraport-Arbeitsdirektor Michael Müller bestätigt in der Fraport-Postille „Startfrei“ 3/2013: „Flughafenbeschäftigte schaffen weitere Arbeitsplätze in der Region, weil sie Wohnungen mieten und Bankkonten unterhalten.“ Vielleicht relevanter als zahllose Fraport-Mitarbeiter, die zahllose freie Wohnungen in Frankfurt anmieten und Frankfurt damit zur unangefochtenen Wohnungsmetropole Nr.1 machen, ist die Frage, wie „beschäftigungsintensiv“ der Frankfurter Flughafen ist. Wir hören Michael Müller noch einmal: „Das Rationalisierungspotential ist gering, das Job-Wachstum korreliert mit dem Verkehrswachstum, je mehr Menschen befördert und Güter transportiert werden, desto mehr Frauen und Männer sind am Flughafen (…) nötig.“ Die Fraport AG, Eigentümerin und Betreiberin des Frankfurter Flughafens, erreichte laut Geschäftsbericht 2012 ein Jahr nach Eröffnung der Nordwest-Landebahn ein Beschäftigungsplus von 76 Frauen und Männern. Bei einem etwa gleichbleibendem Passagier- und Frachtaufkommen baute Fraport innerhalb von drei Jahren über ein Drittel der Belegschaft ab. Beschäftigte der Konzern 2007 noch 30.437 Mitarbeiter waren es 2010 nur noch 19.792.
Aus einer aktuellen Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung: „Derzeit ist international ein Strukturwandel im Luftverkehr zu beobachten, der weitreichende Folgen für die Arbeitsplätze nach sich zieht. 1975 kamen auf eine Millionen beförderte Passagiere noch etwa 2100 Jobs an Flughäfen. 2005 war bedingt durch Rationalisierungen diese Zahl auf 850 Jobs gesunken. In Zukunft wird mit 500/eine Millionen Passagiere gerechnet. An typischen Low Cost Airports kommen heute schon Werte von 300 Jobs/eine Millionen Passagiere vor.“
Die Wissenschaft hat festgestellt
E-Mail-Anfrage an den damaligen Fraport-Gutachter, den emeritierten Professor für Statistik und Ökonometrie, J. W. Goethe Universität Frankfurt Main, Reinhard Hujer:
„Ist es richtig, dass das Gutachten 19.1 nur positive Aspekte, aber keine negativen Aspekte untersucht hat; dass der mögliche Wegfall von Arbeitsplätzen durch eine drohende Monostrukturierung der Region bzw. der mögliche Wegzug von Unternehmen wegen Fluglärmbelästigung und der mögliche Rückgang der Neuansiedlungen durch Beeinträchtigung der sogenannten weichen Standortfaktoren nicht in Betracht gezogen wurde.
Ist es somit richtig, dass in G 19.1 keine gesamtwirtschaftlichen Auswirkungen untersucht wurden? Keine Wegfalleffekte, keine Verlagerungseffekte und keine Verdrängungseffekte?“ Die Anfrage blieb unbeantwortet.
Im Erörterungstermin im Planfeststellungsverfahren zu den wirtschaftlichen Auswirkungen des Flughafenausbaus vom 29.09.2005 sagte Reinhard Hujer auf ähnliche Einwände, er habe ein Standardverfahren angewendet, das auch bei anderen großen Investitionen weltweit verwendet würde. In der Literatur heißt es dazu: „Das Quantifizieren katalytischer Effekte in Gutachten ist nicht nur unüblich, sondern gilt aus wissenschaftlicher Sicht als unseriös.“ Und weiter: „Gutachten, die von Flughäfen in Auftrag gegeben werden, sind rein privat vergebene Begutachtungen, die sich aus den Wünschen der Auftraggeber ergeben. Entsprechend niedrig ist der Stand ihrer Methodik. Häufig werden diese Gutachten an Behörden weitergegeben, um Ihnen Informationen für notwendige Analysen zukommen zu lassen oder sie finden in Gerichtsverfahren als parteiische Meinung Verwendung.“
Keiner nix weiß
Die Fraport AG gab das Gutachten G 19.1 in Auftrag und war gleichzeitig zusammen mit der Lufthansa AG der wesentliche Lieferant der für das Ergebnis entscheidenden Eingangsdaten. Die Öffentlichkeit hatte keine Möglichkeit, die Qualität der Eingangserhebungen zu kontrollieren. Auch heute noch gelten Beschäftigungszahlen zur „größten Arbeitsstätte Deutschlands“ als betriebsintern und geheim.
E-Mail-Anfrage an Christopher Holschier, den Stellv. Pressesprecher von Fraport: „Wie viele Flugbegleiter und Piloten arbeiten am Frankfurter Flughafen?“
„Diesbezüglich liegen uns keine Angaben vor. Bitte wenden Sie sich direkt an die
Fluggesellschaften.“ Telefonische Anfrage an Klaus Gorny, Produkt Bord und Boden, Hub Frankfurt, Lufthansa Group: „Wie viele Beschäftigte hat Lufthansa aktuell am Standort
Frankfurt?“ „38.000 in Hessen.“ „Und in Frankfurt?“ „38.000 in Hessen.“
E-Mail-Anfrage an Christopher Holschier, den Stellv. Pressesprecher von Fraport: „Es heißt, im Gateway Gardens arbeiten im Moment 3500 Menschen. Ist das richtig? Wie viele Menschen arbeiten zurzeit im The Squaire?“ „Hierzu sprechen Sie bitte die Gateway Gardens Projektgesellschaft bzw. die The Squaire GmbH an.“ E-Mail-Anfrage an Ellen Elstner, Associate Director, IVG Asset Management GmbH, Asset Management THE SQUAIRE: “Wie viele Arbeitsplätze gibt es zurzeit im The Squaire?“ „Bitte wenden Sie sich dazu an die Fraport, da dort die offiziellen Statistiken geführt werden.“
Kommunikationsfreudiger ist Dietmar Müller, Pressesprecher der Grundstücksgesellschaft Gateway Gardens, einem Gewerbegebiet am Flughafen: „Über 4000.“ Was er allerdings verschweigt, ist, dass Condor seinen Standort von Kelsterbach nach Gateway Gardens verlagert hat. Die Speditionsfirma Panalpina zog von Mörfelden in die Cargo-City-Süd. Das sind zwei von vielen Beispielen dafür, dass Fraport Arbeitsplätze aus den Anrainerstädten absaugt.
Frankfurt stellte Gateway Gardens auf der Expo Real vergangenes Jahr in München so vor:
„(…) Frankfurts Stadtwald und der zentrale Park garantieren eine grüne Umgebung inmitten der Arbeitswelt.“ Für den Bau der Nordwest-Landebahn ließ der Flughafenbetreiber, die Fraport AG, rund 300 Hektar Bannwald kahl schlagen. Kosten der öffentlichen Hand, um den Büro-Stadtteil am Flughafen in Zukunft mit einem eigenen S-Bahnhof zu versorgen: mindestens 215 Millionen Euro.
Ist die Katze Flughafen gesund, dann freuen sich die Menschen in Rhein-Main-Gebiet! Büroleerstand in Frankfurt am Main: ca. 1,5 Mio. m². Fahrtzeit mit der S-Bahn vom Flughafen in die Frankfurter Innenstadt: 15 min.
„Jeder hat das demokratische Recht wegzuziehen.“
Das war die Reaktion der Frankfurter Oberbürgermeisterin Petra Roth auf die Ängste und Nöte der Menschen in Frankfurt und im Rhein-Main-Gebiet. Condor-Chef Ralf Teckentrup nahm diesen Ball sehr gerne auf, als er im Magazin „Stern“ formulierte: „In einer Region von sieben Millionen Menschen, die unmittelbar oder mittelbar vom Flughafen Frankfurt profitieren, reden wir über ein paar Tausend Leute, die alle nicht dort wohnen müssen, wo sie wohnen.“ Ralf Teckentrup sagte aber auch: „Geld wird nicht mehr mit Abfertigung oder
Luftfracht verdient, sondern mit der Umsatzbeteiligung am Einzelhandel.“ Der Autor dieser Zeilen bat Friederike Langenbruch, Fachbereichsleiterin Öffentlichkeitsarbeit des ADV- Flughafenverbands, um eine aktuelle Einschätzung dieser Aussage. „Es gibt Statistiken, schreiben Sie uns doch eine Mail!“ Antwort-E-Mail vom 28.01.14: „haben Sie vielen Dank für Ihre Mail. Wir würden den Satz wie folgt leicht anpassen: Geld wird nicht mehr im Aviation-Bereich, d.h. mit Passagier-Abfertigung oder Luftfracht verdient, sondern im Non- Aviation-Bereich mit Parken, Retail und sonstigen kommerziellen Aktivitäten.“
Bereits am 19.9.2013 sagte ein Manager der Fraport AG der FAZ: „Unter betriebswirtschaftlichen Aspekten ist der Rhein-Main-Flughafen vor allem ein hochrentables Parkhaus mit einem angeschlossenen Einkaufszentrum, dem Millionen von Besuchern per
Flugzeug, Bahn und Auto zugeführt werden.“
Fraport plant, den Netto-Retail-Erlös pro Passagier auf vier Euro zu steigern. Der Non- Aviation-Bereich – also nicht die Segmente Flugbetriebs- und Terminalmanagement, Unternehmenssicherheit und Bodenverkehrsdienste – trägt bereits jetzt zu knapp 50 % zum Gesamtergebnis bei.
Der ehemalige Vorstandsvorsitzende der Fraport AG, Wilhelm Bender, hatte sogar einst die Vision, den Anteil der Umsatzerlöse aus dem Segment Retail&Real Estate am Gesamtumsatz auf 80% zu steigern.
Fazit: Ein Flughafen, der sich schon als Luftverkehrsknotenpunkt nicht zu rechnen scheint, kann auch kein Jobmotor für die Region sein. Der Frankfurter Flughafen und die Stadt Frankfurt am Main haben das gleiche Geschäftsmodell: noch viel mehr Bürofläche, noch viel mehr Hotel- und Tagungsfläche und noch viel mehr Einzelhandelsfläche. Wer da von wem profitieren soll, ist unklar.
Frankfurt: Der Landraub aus der Luft – Teil 3: Jetzt spricht der Mittelstand
Frankfurt stürzt ab
Laut einer Pressemitteilung des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln (IW) vom 17.2.14 ist für die Unternehmen in Deutschland eine stabile Stromversorgung der wichtigste Infrastrukturbereich, gefolgt von einem hochwertigen Straßennetz und einem leistungsfähigen Kommunikationsnetz. Das Luftverkehrsnetz sei für viele Unternehmen dagegen nicht so wichtig. Das gleiche Institut befragte im Oktober 2011 rund 4000 Unternehmen in den 50 größten Städten Deutschlands zu ihrer Standortzufriedenheit und im Oktober 2012 rund 2700.
Abgefragt wurden drei Felder: das Verwaltungshandeln (Wirtschaftsfreundlichkeit, Serviceorientierung, Einsatz von E-Administration und Sparsamkeit), die Infrastruktur (Verkehr, Gewerbeflächen, Schulen, Kinderbetreuung, Freizeit- und Kultureinrichtungen) sowie die Attraktivität, in denen weichere Faktoren, wie das Image der Stadt bzw. die Zukunftssicherheit als Unternehmenssitz einfließen. Ein Jahr nach Eröffnung der Nordwest- Landebahn verlor Frankfurt vier Plätze im Standortranking und erzielte Rang 20 von 50. In zwei Unterpunkten überraschen deutliche Rückgänge: Die Verkehrsinfrastruktur wurde nur noch unterdurchschnittlich bewertet: Rang 26 nach Rang 7. Bei der Frage „Würden Sie Frankfurt noch einmal als Unternehmensstandort auswählen?“ fiel Frankfurt von Rang 2 auf Rang 20.
Ein Vertreter aus dem Mittelstand wehrt sich
Inwieweit die Ergebnisse für Frankfurt im Zusammenhang mit der neuen Nordwest- Landebahn stehen, ist spekulativ. Der ehemalige Präsident der IHK Offenbach, Dr. Wolfgang Kappus, resümierte aber schon 2001: „Ich habe selbst einige der Fragebogen der Fraport damals im Mediationsverfahren ausgefüllt. Da waren so Fragen drin: Glauben Sie, dass ihr Unternehmen in zehn Jahren noch wachsen kann, wenn Sie nicht mehr im Stundentakt eine Verbindung nach London oder Paris haben? Ja, das waren wirklich Fragen, die in der Mediation gestellt wurden. Diese Verbindung im Stundentakt oder die Erreichbarkeit eines Flughafens innerhalb von 45 Minuten steht auf der Liste der unabdingbaren Ansiedlungsvoraussetzungen nicht an wichtiger Stelle. Neben einer sicherlich notwendigen vernünftigen Verkehrs- und Infrastruktur gibt es viel wichtigere Probleme zu lösen: die Zulieferersituation, gut ausgebildete Arbeitnehmer, wirtschaftsfreundliche Verwaltungen, Wohnumfeld, Freizeit- und Erholungsmöglichkeiten. Gerade die zuletzt genannten weichen Standortfaktoren spielen bei den Unternehmen eine viel größere Rolle und dafür ist der Ausbau des Flughafens kontraproduktiv.“ Mittlerweile fliegt man im 20-Minutentakt von Frankfurt nach Paris.
Zwei Fragen stellen sich hier: Lag die deutsche Exportnation vor ca.15 Jahren am Boden, als es nur eine Verbindung im Stundentakt von Frankfurt nach Paris gab?
Angenommen, die extrem hohen Flugmöglichkeiten in Frankfurt sind nicht das Resultat eines Bedarfs, sondern die logische Konsequenz des Hubs: Wie viele Zehntausende Flugbewegungen können am Flughafen Frankfurt problemlos gestrichen werden, ohne dass es die deutsche Exportnation tangiert, sondern allerhöchstens das Fraport- Geschäftsmodell, das darauf abzielt, kauffreudige Umsteigepassagiere durch Einkaufspassagen zu schleusen? – Laut Fraport sind ca. 55% der Passagiere Umsteiger.
Zehntausende weniger Flüge würden es Zehntausenden Menschen in der Region einfacher machen, nicht als Nervenbündel an ihren Arbeitsplätzen zu erscheinen, sondern für ihre jeweiligen Arbeitgeber ihre vollen Produktivkräfte zu entfalten. Noch einmal Wolfgang Kappus: „Es gibt nicht nur wirtschaftliche Gründe für den Ausbau, sondern eine Reihe wirtschaftlicher Gründe gegen den Ausbau, die viel schwerer wiegen. Oft sind es ethische und regionalpolitische Gründe, die so viel schwerer wiegen als diese schlicht vordergründigen „Erfolgsaussichten” der Wirtschaft. Viele Unternehmer wissen das, und viele Unternehmer werten das auch so. Die Bevorzugung des Giganten Fraport gegenüber anderen Wirtschaftsunternehmen ärgert mich als Mittelständler ganz besonders. Ich habe mich immer als ein Repräsentant mittelständischer Unternehmen verstanden, die den größten Teil der Arbeitsplätze in dieser Region schaffen.“
Der Standort Frankfurt hat mit der neuen Landebahn nicht an Attraktivität für die lokalen Unternehmen gewonnen. Es nicht zu gewagt zu behaupten, dass Frankfurt somit auch für externe Unternehmen nicht attraktiver geworden ist.
Das Rheinisch-Westfälische-Wirtschaftsinstitut Essen fand 1999 in einer Studie heraus, dass der Arbeitsmarkt in Relation zur Größe eines Flughafens nicht positiv beeinflusst wird.
Über die magnetische Anziehungskraft eines Luftverkehrsdrehkreuzes
Gibt es also keine unternehmensseitigen katalytischen Effekte, die man dem Wert der negativen externen Effekte (Krankheit, Umweltverschmutzung, Immobilienwertverlust) gegenrechnen könnte, die der Ausbau des Frankfurter Flughafens ausgelöst hat? E-Mail- Anfrage an Anja Obermann, die Geschäftsführerin der Wirtschaftsförderung Frankfurt GmbH: „Ist es feststellbar, dass sich aufgrund der neuen Landebahn am Frankfurter
Flughafen im Oktober 2011 neue Unternehmen in Frankfurt angesiedelt haben?“ „Die Inbetriebnahme der zusätzlichen Landebahn ist für eine unternehmensstrategische Entscheidung wie z.B. die Eröffnung einer Niederlassung oder der Verlagerung eines Unternehmenssitzes nicht ausschlaggebend. Vielmehr sind begleitende Entwicklungen wie
z.B. die Fertigstellung des The Squaire oder die Verfügbarkeit neuer Flugziele von vorrangiger Bedeutung.“ E-Mail-Anfrage an Christopher Holschier, den Stellv. Pressesprecher von Fraport: „Werden mit Eröffnung der neuen Landebahn neue Flugziele angeflogen?“ „Es ist uns nicht möglich, eine direkte Aussage darüber zu treffen, in wie weit neue Flugziele in Zusammenhang mit der Eröffnung einer neuen Landebahn stehen. Die Entscheidung, welche Ziele angeflogen werden, treffen die Fluggesellschaften. Die grundsätzlichen Erweiterungen im Winterflugplan 2011/2012 (also mit Inbetriebnahme der Landebahn Nordwest) können Sie unter folgendem Link ansehen:“ Die verlinkte Presseerklärung informiert nicht darüber, ob und inwieweit Airlines aus Effizienzgründen redundante Strecken gestrichen haben.
E-Mail-Anfrage an Christopher Holschier, den Stellv. Pressesprecher von Fraport:
„Gibt es eine Art Historie der Ziele, die angeflogen werden, so dass man z. B. sagen kann:1990 gab es 90 Flugziele, 1995 95 Flugziele, 2000 flogen die Fluggesellschaften 94 Ziele an usw.?“ „Hierzu kann ich Ihnen lediglich das Dokument ‚Historische
Verkehrszahlen‘ anbieten, das Sie auf unserer Internetseite finden. Es reicht bis 1980 zurück:“ Das Dokument informiert über die Anzahl an Flugbewegungen, die Anzahl an beförderten Passagieren und das Gewicht an transportierter Fracht.
Die Fraport AG kann also nicht sagen, wie viele Flugziele im Verlauf der Jahre bis heute in den jeweiligen Sommer/Winterflugplänen angesteuert wurden. Daher sind Aussagen von ihr, wonach die Exportnation Deutschland von der neuen Nordwest-Landebahn profitiere, da mit ihr die Drehscheibenfunktion des Frankfurter Flughafens gestärkt würde, als reine Behauptung einzustufen. Entsprechend ist nicht erkennbar, dass durch die neue Bahn für die in der Region ansässigen Firmen ein Markterweiterungspotential entstanden ist.
Warum der Frankfurter Hub für die Rhein-Main-Region nicht attraktiv ist
In Hinblick auf internationalen Umsteigeverkehr und unter der Voraussetzung, dass man die Bedeutung des Frankfurter Flughafens als Arbeitsstätte verwirft, fand Prof. Dr. Friedrich Thießen von der Technischen Universität Chemnitz ein treffendes Bild: „Einen Hub in das Zentrum eines Ballungsraumes zu setzen, ist etwa so, wie wenn man ein Stahlwerk oder ein Chemiekombinat in die Mitte einer Menge von Menschen setzt: Die Menschen haben die Nachteile dieser Betriebe aber keine Vorteile, die andere von den Werken belieferte Menschen nicht auch hätten.“
Das Institut der deutschen Wirtschaft Köln (IW) formuliert am 17.2.14 in seinem Gutachten:
„Infrastruktur zwischen Standortvorteil und Investitionsbedarf“: „Ein fehlender Ausbau der Kapazitäten an den wichtigen Flughafenstandorten mit Drehkreuzfunktion könnte die Verlagerung interkontinentaler Verkehre zulasten des Wirtschaftsstandorts Deutschland begünstigen.“ Mitverfasser Klaus-Heiner Röhl konkretisiert, was mit „dem Standort Deutschland schaden“ gemeint ist: „Weil es sonst nicht mehr unsere Fluggesellschaften sind, die das Geschäft machen.“
Am Standort Frankfurt sehen sich die Fraport AG und die Lufthansa AG aus geschäftlichen Gründen – Langstreckenverbindungen sind meistens profitabel – in einem Elefantenrennen mit zukünftigen Mega-Hubs wie Abu Dhabi, Dubai, Katar und Istanbul. Da Fraport zur optimalen Auslastung des Frankfurter Drehkreuzes auf eine große Anzahl von Zubringerflügen (engl. „Feeder“) angewiesen ist, ist die AG im globalen Kampf um Verkehrs- und Passagierzahlen dankbar für jeden (Interkontinental)flug. Frankfurt gehört laut airportwatch.org.uk weltweit zu den sechs Flughäfen, die mehr als 50 reguläre Langstrecken- Linienflüge in ihrem Flugplan haben.
Die Frage ist allerdings: Kennen die Verantwortlichen bei Fraport, bei Lufthansa und ihrer Unterstützer in der Politik, die mit einer Weiterwachsen-oder-Sterben Rhetorik den ewigen Ausbau des Frankfurter Flughafens propagieren, den Unterschied zwischen einer von Menschen dicht besiedelten Region und “Sandkörnern-soweit-das-Auge-reicht”?
Und: Der geplante Mega-Hub in Istanbul, der ab 2018 der größte Flughafen der Welt sein soll und dessen Konkurrenz Fraport fürchtet, liegt 35 km außerhalb des Stadtkerns Istanbuls.
Dr. Stefan Schulte, Vorsitzender des Vorstands der Fraport AG: „Frankfurt war als einer der ersten Flughäfen überhaupt auf den Airbus A380 vorbereitet. Der Einsatz der neuesten Generation von Großraumflugzeugen an unserem Flughafen stärkt unsere Rolle als internationale Verkehrsdrehscheibe.”
Dem von Lufthansa und Fraport konsequent verfolgten Hub-Konzept erwächst allerdings inzwischen deutliche Konkurrenz durch umsteigefreie Interkontinentalflüge mit kleineren und dank einer Leichtbauweise in kohlefaserverstärkte Kunststoffe, deutlich sparsameren Flugzeugen.
So äußert selbst Airbus-Finanzvorstand Harald Wilhelm auf einer Investorenkonferenz am 10.12.14 Zweifel an der Zukunft des Riesenfliegers A380: „Wenn für die Großraummaschine keine nachhaltige Geschäftsgrundlage gefunden werden kann, muss der Bau eingestellt werden.” Denn neben Qatar hatte auch die arabische Fluglinie Emirates teure Wünsche an den Flugzeugbauer gestellt. Die Triebwerke seien nicht leistungsfähig genug, der Innenraum zu wenig modern. Die Weiterentwicklung könnte Milliarden kosten. Zum jetzigen Zeitpunkt ist es unklar, ob Airbus oder dessen Zulieferer dieses Risiko tragen wollen.
Frankfurt: Der Landraub aus der Luft – Teil 4: Die Wahrheit über „Deutschlands größte Arbeitsstätte”
Dass der Frankfurter Flughafen ein großartiger Jobmotor sei, ist längst zu einer hegemonialen Glaubenstatsache geworden. Entsprechend formuliert FAZ-Redakteur Thomas Holl am 9.11.2013: „Mit mehr als 78.000 Beschäftigten ist der Flughafen Frankfurt nicht nur die größte Arbeitsstätte in Hessen, sondern auch in ganz Deutschland.“ Bei aller Religiosität, ist diese Behauptung sachlich richtig?
Der Frankfurter Flughafen ist keine Arbeitsstätte, da es um, am, im, auf dem Flughafen sehr viele unterschiedliche Unternehmen (Arbeitgeber) aus verschiedenen Branchen gibt. Zutreffender ist die Bezeichnung „Industriegebiet“ oder „Gewerbegebiet“.
Abgesehen davon: Das Finanzgericht Münster entschied in einem aktuellen Urteil vom 2. Juli 2013 (Link: Aktenzeichen – 11 K 4527/11 E), dass der Heimatflughafen von Flugbegleitern keine regelmäßige Arbeitsstätte ist, auch wenn dieser mit einer gewissen Nachhaltigkeit immer wieder aufgesucht wird, um z. B. arbeitsvertragliche Pflichten zu erledigen.
Grund: Laut aktueller Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs ist eine regelmäßige Arbeitsstätte nur dann gegeben, wenn der Ort der Mittelpunkt der dauerhaft angelegten beruflichen Tätigkeit ist. Und dieser Ort liegt bei Flugbegleitern und Piloten nicht am Heimatflughafen, sondern in der Luft.
Busfahrer, die in Deutschland hin- und herfahren, tun dies auch nicht an der Arbeitsstätte
„Busbahnhof-Hauptbahnhof Frankfurt“. 78.000 Beschäftigte minus ca. 28.000 Flugbegleiter und Piloten = 50.000 Beschäftigte. (Diese Zahlen, wie auch die folgenden Zahlen, konnten aufgrund fehlender Verifizierungsmöglichkeiten teilweise nur geschätzt werden.)
Niemand mag sich das Bahnhofsviertel ohne Polizisten vorstellen. Fraport rechnet Polizei, Post, Zoll usw. ein. 50.000 minus ca. 3.500 = 46.500.
Fraport wühlt jenseits des eigenen Betriebszauns nach direkt Beschäftigten, solange die nicht zum Konzern gehörenden Firmen nur irgendwie in Sichtweite des Flughafens liegen.
Flughafenaffin seien sowieso alle. Mit dem Quartier „Gateway Gardens“ vereinnahmt Fraport einen ganzen Frankfurter Stadtteil für sich und mit „The Squaire“ fast einen ganzen Frankfurter Stadtteil. 46.500 minus ca.11.5000 = 35.000.
Der Frankfurter Hauptbahnhof hat täglich etwa 350.000 Reisende (Pendler). Das Bankenviertel mit ca. 100.000 Beschäftigten wird sich nicht zufällig in direkter Nähe des Hauptbahnhofs befinden. Was spräche also dagegen, sämtliche Banker in Mitarbeiter der Arbeitsstätte „Frankfurt Hauptbahnhof“ umzudefinieren? Der Zusammenhang zwischen dem größten Kopfbahnhofs Europas und der Tatsache, dass das Viertel mit der weltweit größten Hoteldichte direkt am Hauptbahnhof liegt, scheint genauso evident.
Was spräche also dagegen, sämtliche Hotelmanager und ihre Bediensteten in Mitarbeiter der Arbeitsstätte „Frankfurt Hauptbahnhof“ umzubenennen?
Was ist mit den sonstigen kommerziellen Aktivitäten der sonstigen Wirtschaftszweige auf dem Flughafen? Die Angestellten, die in der B-Ebene des Frankfurter Hauptbahnhofs für ihre jeweiligen Arbeitgeber Würste, Bücher und Gürtel verkaufen, sind auch nicht direkt Beschäftigte der Arbeitsstätte „Frankfurt Hauptbahnhof“. Was ist mit Fraport-Mitarbeitern auf dem Flughafen, die z. B. Immobilien vermieten? Folgt man der funktionalen Betrachtung des Statistischen Bundesamts, dürfen sie niemals als flughafenaffin dazugezählt werden.
35.000 minus ca. 15.000 = 20.000. Spätestens wenn S-Bahn-Fahrer, die an der S-Bahn- Station Flughafen halten, als direkt Beschäftigte des Frankfurter Flughafens gelten, sollten Gläubige wieder zu Atheisten werden.
82% der neuen Arbeitsplätze sind verlagert
E-Mail-Anfrage an den Städtebauer und Flughafenplaner, Albert Speer, dessen Büro gemeinsam mit Fraport einen Masterplan für die „Airport City Frankfurt“ entwickelt hat:
„Die Fraport AG wirbt mit ‚Deutschlands größter Arbeitsstätte‘, schließt in ihre Rechnung aber auch diejenigen Beschäftigten ein, die in der Airport City z.B. im Einzelhandel tätig sind. Was denken Sie, wie viele Beschäftigte werden effektiv benötigt, um einen reibungslosen
Flugbetrieb am Frankfurter Flughafen zu gewährleisten?“ Die Anfrage blieb unbeantwortet. Im Verhältnis zur Größe des Fraport-Betriebsgeländes von rund 2240 Hektar sind es sehr, sehr wenige.
Anfrage des ARD-Politikmagazins „Report Mainz“ vom 14.02.12: „Wie viele Arbeitsplätze haben Firmen mit ihrer Ansiedlung am Flughafen geschaffen?“
Fraport: „6450 Arbeitsplätze.“ Auf Nachfrage von „Report Mainz“ erklärten die betreffenden Firmen, dass mehr als 5300 (82%) Arbeitsplätze nur von bestehenden Firmenstandorten im Rhein-Main-Gebiet in neue Gewerbegebiete am Flughafen verlagert worden seien.
In der Literatur heißt es über Fraport: „So sieht die Mehrzahl der neuen Arbeitsplätze offenbar aus: Minijobs, Teilzeit- oder Schichtarbeit mit harter körperlicher Arbeit zu derart geringen Löhnen, dass viele einen zweiten Job brauchen, um mit ihren Familien leben zu können. Im Flughafenumland gibt es dafür keine Bewerber. Zu solchen Bedingungen arbeiten Menschen, die in ihrer Heimat keine Arbeit finden.“
Anfrage an den Magistrat der Stadt Frankfurt: „Liegt es nach Auffassung des Magistrats im Interesse der Stadt Frankfurt, wenn ein Unternehmen (Fraport) zwar neue Stellen schafft, diese jedoch kostenneutral finanziert, wobei die Kosten pro Mitarbeiter entsprechend reduziert werden?“ Bericht des Magistrats an die Stadtverordnetenversammlung vom 18.03.2013. „Für die einzelnen Mitarbeiter ergeben sich unterschiedliche Kostenansätze, die zu Kostensenkungen führen, sobald durch normale Fluktuation Mitarbeiter der Fraport AG ausgeschieden und diese Stellen verstärkt mit Kollegen der Fraport Tochtergesellschaft
Airport Service Personal GmbH ersetzt wurden.“ Lufthansa lagerte schon vor Jahren Teile ihrer Belegschaft aus und erteilte an Fraport den Auftrag, für sie Bodenpersonal zu rekrutieren. Diese Fraport-Mitarbeiter verdienen heute ca. ein Drittel der ursprünglichen Lufthansalöhne. Motto: Aus einem Arbeitsplatz mach zwei oder drei!
Aktenzeichen: 9 C 574/12.T
Kassel, 1.10.2013. „Der 9. Senat des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs hat heute über eine weitere Klage gegen die vom Bundesaufsichtsamt für Flugsicherung festgesetzten An- und Abflugverfahren zum und vom Flughafen Frankfurt Main entschieden und die gegen die Endanflüge auf die Südbahn (25L) und die Nordwest-Landebahn (25R) gerichtete Klage der Stadt Offenbach abgewiesen. Auch mit seinem heutigen Urteil bestätigt der Verwaltungsgerichtshof nochmals seine bisherige Rechtsprechung, der zufolge die An- und Abflugverfahren der sicheren und flüssigen Abwicklung des Flugverkehrs dienen, dessen Kapazität durch das in einem gesonderten Verfahren zuvor planfestgestellte Vorhaben zum Bau bzw. zum Ausbau eines Flughafens bestimmt wird. Weiter führt der Gerichtshof zur Begründung seines Urteils im Wesentlichen aus, dass bei der Berücksichtigung der Lärmbelange der Stadt Offenbach durch das Bundesaufsichtsamt für Flugsicherung kein Abwägungs- oder Ermittlungsmangel festzustellen sei. Der Umstand, dass in dem vorangegangenen Planfeststellungsverfahren über den Ausbau des Flughafens Frankfurt Main keine konkreten Flugverfahren überprüft worden seien, führe für das Verfahren über die Festsetzung des Endanflugs zu keinem gesteigerten Abwägungsanspruch der Stadt Offenbach. (…) Für die Stadt Offenbach sei auch berücksichtigt worden, dass die Lärmbelastungen die Schwelle der Unzumutbarkeit in weiten Teilen des Stadtgebiets überschreiten. Die Festsetzung der Endanflugverfahren infolge der Inbetriebnahme der Nordwest-Landebahn sei aber sachlich deshalb besonders gerechtfertigt, weil sie der sicheren Durchführung unabhängiger Parallelanflüge auf verschiedene Landebahnen dienten und die dabei einzuhaltenden Präzisionsanflugverfahren und die daraus folgenden Vorgaben zu Sicherheitsabständen beachteten (…).“
„Die freie ökonomische Entfaltung Fraports führt zum wirtschaftlichen Wohl aller (Frankfurter Untertanendogma), der Bürger muss bei Fluglärm aber mehr eingebunden werden (Frankfurter Untertanensprech).“
Epilog
Deutschlands größte Arbeitsstätte ist zugleich auch Deutschlands größte Illusionsstätte. Sie glitzert durch das Umdefinieren, Eingemeinden und Absaugen von Arbeitsplätzen. Warum sollte ein Flughafenbetreiber als bloßer Verwalter bzw. Organisator von Mobilität auch die Arbeitsstätte schlechthin sein? Sind die eigentlichen Arbeitsstätten nicht eher dort zu erwarten, wo Menschen und Güter herkommen bzw. hinbefördert werden? Und wenn ein hohes Passagier- und Frachtaufkommen – im Gegensatz zu dem oben Festgestellten – tatsächlich ein Gradmesser für mehr Arbeitsplätze sein sollte, ist zu bedenken, dass das Autobahnkreuz Frankfurt bei ca. 330.000 Fahrzeugbewegungen pro Tag deutlich mehr Passagiere/Autofahrer und Tonnen Fracht befördert als der Frankfurter Flughafen. Die über das Frankfurter Kreuz transportierte Fracht hat nicht nur aufgrund ihres viel höheren Volumens eine hohe regionale Relevanz. Dagegen: Mehr als 90% der umgeschlagenen Luftfracht am Frankfurter Umlade-Hub kommt nicht aus der Region und wird auch nicht in die Region ausgeliefert.
Ein Flughafen ist nur Verkehrsinfrastruktur. Normalerweise verbindet man die einzelnen Verkehrsträger und -wege so, dass sie den Bedarf der Menschen optimal decken und lässt nicht zu, dass ein Ego-Shooter-Flughafen über jeden angemessenen Bedarf hinaus die Menschen einer ganzen Region terrorisiert.
Nach Stefan Schulte, dem Vorstandsvorsitzenden der Fraport AG, ist „mit dem Planfeststellungsbeschluss klar verabschiedet worden, dass ein Bedarf für zukünftiges Wachstum im Luftverkehr hier in der Region bejaht wird.“ Salopp und ungezwungen könnte man auch sagen: Der Clanfeststellungsbeschluss sagt „Ja“ zu dem Bedürfnis der Luftverkehrsunternehmen, in der Rhein-Main-Region noch viel mehr rumzufliegen als bisher.
Dass sich die Zukunftsentwicklung einer gesamten Region den betriebswirtschaftlichen Zielen eines lobbystarken Großkonzerns unterwerfen muss, ist Kolonialismus. Nur eine jahrzehntelange Propaganda kann aus einem innerstädtischen Umsteige- und Umladeflughafen, der die Bewohner der Region verachtet, einen Ast machen, auf dem die Bewohner dieser Region sitzen. In diesem Zusammenhang sind auch die zahllos von Fraport in Auftrag gegebenen Gutachten zu sehen. Zuletzt ermittelte das nach eigener Aussage
„unabhängige, unvoreingenommene und redliche“ Schweizer Forschungsunternehmen Infras die Sicherung von rund 116.000 Stellen in der Region durch den Frankfurter Flughafen. Die Infras-Medienmitteilung vom 11.03.14, die am nächsten Tag in der FAZ, der Frankfurter Neuen Presse und der Offenbach Post lanciert wurde, verfasste Fraport allerdings selbst.
Wenn jedes Unternehmen in Deutschland seine regionalökonomischen Effekte begutachten lassen würde, sprich: beziffern lassen würde, wie viele direkte, indirekte, induzierte und katalysierte Jobs von seiner Firma abhingen, käme man, nach einer Eingebung des Autors, deutschlandweit auf genau 10.000.897.000 gesicherte Arbeitsplätze.
Es ist zu prüfen, ob der Frankfurter Flughafen angesichts immer besser werdenden Alternativen nicht in gewisser Weise und in gewissen Grenzen überflüssig ist.
Da sagte der Herr zu Mose: „Auf, geh hinunter; denn dein Volk, das du aus Ägypten herausgeführt hast, begeht eine große Sünde. Sie sind sehr eilig von dem Wege abgewichen, den ich ihnen befohlen habe. Sie haben sich ein Stierbild gemacht und es angebetet, sie haben ihm geopfert und ausgerufen: Dies ist dein Gott, Israel, der dich aus Ägyptenland herausgeführt hat.“
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