BN VOR ORT: Gestern sprach der Thüringer AfD-Chef Björn Höcke auf Einladung der Parteijugend im repräsentativen Ballhaus Watzke in Dresden. Höcke + Dresden: Das mußte ein denkwürdiger Abend werden und es wurde einer.
Die BILD-Zeitung titelt heute: „Nazi-Rede von Björn Höcke“. Der Tagesspiegel nennt den AfD-Politiker den „totalen Höcke“ und die Huffington Post fand seine Rede einfach „irre“. „Wieder einmal“ habe er für einen „Eklat“ gesorgt. Die über 500 Zuhörer waren aber gerade davon begeistert und feierten ihr Idol mit „Höcke, Höcke“-Rufen, während die Antifa schon längst wieder daheim war.
Überdachte PEGIDA-Demo
Während der gesamten Veranstaltung konnte man den Eindruck gewinnen, daß hier gerade eine überdachte PEGIDA-Demonstration stattfindet. Bereits Höckes Vorredner, die Dresdner Direktkandidaten der AfD, brachten den Saal zum Kochen. So fühlt sich Wahlkampf an. Das Publikum ging ab wie Schmidts Katze. Ständig gab es Sprechchöre: „Merkel muß weg!“, „Abschieben“, „Widerstand“ und was man sonst noch so von den montäglichen Spaziergängen kennt.
Björn Höcke (hier im BN-Gespräch) dagegen begann seine Rede vergleichsweise verhalten. Er schilderte, wie er sich das erste Mal eine PEGIDA-Demonstration anschaute und dankte den Dresdnern dafür, den ersten Schritt getan zu haben. Dann kam er zum Kern seiner Rede, die aus mehreren Gründen Beachtung und eine kontroverse Diskussion verdient. Mehrmals wiederholte der prominenteste Vertreter des rechten Flügels der AfD, daß er sich eine „inhaltliche Fundamentalopposition“ wünsche, um den Staat zu schützen.
Wieviel Inhalt bietet die „inhaltliche Fundamentalopposition“?
Wieviel Inhalt diese Fundamentalopposition zu bieten hat und welchen ist dabei noch weitestgehend offen. Die AfD ist sich einig darin, die Überfremdung zu stoppen. Gerade Höcke wirbt für einen romantischen Patriotismus. Der Euro und die EU müssen weg. Soviel ist klar und diese Punkte müssen bedingungslos umgesetzt werden. Die Grünen haben vorbildlich gezeigt, wie es gelingen kann, Kernanliegen durchzuboxen und den Rest des Programms als Verhandlungsmasse einzusetzen.
Aber reicht das der AfD? Reicht das Höcke? In Dresden betonte er, seine Partei müsse durchhalten, bis sie 51 Prozent erzielt habe. Wer Volkspartei sein will, muß sich aber zu allen großen Zukunftsfragen positionieren. Zur sozialen Gerechtigkeit, zu Umweltthemen, Außenpolitik und, und, und …
Hier herrscht bei der AfD bisher ein diffuses Durcheinander, das auch an diesem Abend deutlich wurde. Vor Höcke sprach der Aachener AfD-Politiker Markus Mohr über die soziale Marktwirtschaft. Im Gegensatz zum Parteiprogramm und dem, was Parteichefin Frauke Petry noch am Montag in der TV-Talkrunde „hart aber fair“ sagte, wünscht sich Mohr eine Vermögens- und Erbschaftssteuer, um etwas für die Armen tun zu können. Er setzte ganz auf die Karte, die unteren Schichten des Volkes zu gewinnen und nahm dabei in Kauf, beim Linkspopulismus der politischen Konkurrenz abzukupfern. Seine Ausführungen gipfelten in der Forderung nach einem „bedingungsarmen Grundeinkommen“.
AfD als Bewegungspartei
Höcke dagegen verlor sich nicht in solchen Details. Er begnügte sich mit der Behauptung, die deutsche Wirtschaft sei nur noch ein „Wrack“, ohne sich damit näher zu beschäftigen. Vielmehr ging es ihm darum, die AfD als „Bewegungspartei“ zu erhalten, die einen engen Kontakt zu Bürgerbewegungen pflegen solle. Parlamentarismus alleine helfe Deutschland nicht weiter.
Auch damit traf er den Nerv des Publikums. „Freifressen und Freisaufen“ in Berlin dürfe nicht das Ziel des AfD-Nachwuchses sein, betonte der Anti-Politiker. An die Mitglieder der Jungen Alternative gewandt, ergänzte Höcke, sie sollten zunächst ein Studium abschließen, sich im Berufsleben bewähren, eine Familie gründen und nicht allein auf eine Karriere als Berufspolitiker hoffen. Für die Konsequenz dieser Haltung hat Höcke in der Tat Anerkennung verdient. Obwohl sich auch ein großer Teil der Dresdner an diesem Abend „Höcke nach Berlin“ wünschte, hat er vor einigen Tagen erklärt, in Erfurt bleiben zu wollen, um seine Aufgaben dort zu Ende bringen zu können.
Spiegelverkehrte Distanzierung: Der Kampf gegen die „Luckisten“
Dennoch warnte er davor, daß nun von der AfD viele übriggebliebene „Luckisten“ in den Bundestag einziehen könnten, die längst „Establishment“ seien oder dort so schnell wie möglich ankommen möchten. Es gebe jedoch keine „Alternative im Etablierten“. Mit dieser Schelte vollführte Höcke eine spiegelverkehrte Distanzierung. Die AfD-Parteirechte beschwert sich gewöhnlich mit guten Gründen über den vom Mainstream eingeforderten Distanzierungswahn nach Rechtsaußen und fordert das patriotische Lager zur Geschlossenheit auf.
Ein Distanzierungswahn zur Mitte ist aber genauso schädlich wie ein Distanzierungswahn nach rechts. Jede Partei muß verschiedene Strömungen vereinen – erst recht, wenn sie Volkspartei werden will und 51 Prozent anstrebt, wie sich das Höcke vorstellt. Er sieht das Volk „tief gespalten“, „in seiner Existenz elementar bedroht“ und wird Deutschland deshalb nur „Stück für Stück zurückholen“ können, wenn es ihm mit seiner Partei gelingt, große Teile des Volkes auf dem gemeinsamen Weg mitzunehmen, statt die „Halben“ auszugrenzen.
Keine Relativierung des Holocausts
Im letzten Drittel seiner Rede skizzierte Höcke dann jene „erinnerungspolitische Wende um 180 Grad“, die gerade von allen Medien skandalisiert wird. Er sagte: „Wir Deutschen sind das einzige Volk der Welt, das sich ein Denkmal der Schande in das Herz seiner Hauptstadt gepflanzt hat.“ Daß dies keine Relativierung des Holocausts ist, sondern eine zugespitzte und in der Sache zutreffende Kritik am Schuldkult, sollte nüchtern zur Kenntnis genommen werden. Vom Dresdner Publikum erhielt Höcke dafür viel Applaus und Zustimmung. Ein geeignetes Wahlkampfthema ist der Schuldkult dennoch nicht. An seiner Entkräftung sollten mutige Wissenschaftler und Publizisten arbeiten. Eine Partei kann sich daran aber nur die Finger verbrennen.
Inzwischen hat sich AfD-Chefin Frauke Petry gegenüber der Jungen Freiheit von den „ständigen Querschüssen“ Höckes distanziert. „Wir werden Realisten sein oder politisch irrelevant werden“, so Petry. Letztendlich mußte es so kommen, weil die Skandalokratie nun einmal so funktioniert: Die Medien überspitzten Höckes provokante Äußerung mit dem Ziel, den seit dem Abgang von Bernd Lucke oberflächlich herrschenden Parteifrieden zu stören. Das ist ihnen gelungen. Punktsieg für die BILD und ihre fakenewsenden Kollegen! Niederlage für die gesamte AfD!
Zwischen Idealismus und Pragmatismus
Es bleibt aus patriotischer Sicht zu hoffen, daß es der AfD gelingt, ihren idealistischen Kern ohne Selbstzerstörung zu bewahren. Nationale Romantiker wie Björn Höcke sind für die AfD ein Lebenselixier. Das hat der gestrige Abend in Dresden gezeigt. Er besitzt die seltene Fähigkeit, genau das zu sagen, was das Publikum gerade hören möchte. Er ist ein Populist im positiven Sinne, der Identifikation und Begeisterung auslösen kann. Die Kritik am Schuldkult empfanden die Zuhörer so als eine Befreiung von einem Dogma, dessen Haltbarkeitsdatum längst überschritten ist. Das hat gutgetan und doch war es nur eine Bedürfnisbefriedigung an der völlig falschen Stelle zum völlig falschen Zeitpunkt.
(Bild: Metropolico.org, flickr, CC BY-SA 2.0)
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12 Kommentare zu “Höcke in Dresden: Es mußte zum Skandal kommen!”