Journalisten entdecken immer häufiger die „harten Zahlen“ für sich. Zunehmend „belegt“ die Presse ihre eigene Wahrheit mit halbwissenschaftlichen Graphiken, Tabellen, Zahlen.
Wohlgemerkt werden nur diese herangezogen, die der eigenen Überzeugung dienlich sind. Noch vor kurzer Zeit waren es Medien, Politiker und Akteure abseits des gesellschaftlichen Hauptstromes, die darauf angewiesen waren, sich der Statistiken zu bedienen. Die Deutungshoheit der etablierten Mainstreammedien reichte früher aus, um Meinungen allein im Sinne eines „argumentum ad verecundiam“, also dem alleinigen Verweis auf ihre eigene Autorität und Qualität, zu veröffentlichen.
Alle Kritiker der „schweigenden Übereinkunft“ zu Immigration, Euro, Flüchtlingen und ähnlichen Themen, die am liebsten mit reiner Deutungshoheit eines engen Meinungskorridors geführt wurden, mussten sich auf wissenschaftliche Fakten berufen. Das machen viele noch immer, aber auch die Mainstreammedien beginnen mit „wissenschaftlichen“ Beweisen, die in gewissem Sinne korrekt sind, aber nicht ehrlich ausgewertet wurden.
Armen wählen Marine Le Pen
Nach den französischen Vorwahlen zum Amt des Präsidenten sind irgendwie alle ein bisschen unzufrieden. Die Rechten hätten sich über ein höheres Ergebnis seitens des Front National gefreut. Die linke Mitte ist schockiert darüber, dass Marine Le Pen fast so stark wie der Wunschschwiegersohn Emmanuel Macron (En marche!) abschnitt. Die genuin linken Kandidaten, Benoît Hamon (Parti Socialiste) und der lupenreine Kommunist Jean-Luc Mélenchon (Front de gauche), schieden bereits aus.
Nach der US-amerikanischen Präsidentschaftswahl, die wie keine zweite im Fokus linker Journalisten stand, wird nun auch bewusst Partei im französischen Gerangel ergriffen. Jeder Wald- und Wiesenpolitiker kritisiert Le Pen und lobt Macron in den Himmel. Natürlich auch die deutschen Journalisten. Die FAZ veröffentlichte am 24. April einen Artikel zu „Die Armen wählen rechtsextrem“. Allein die Formulierung „rechtsextrem“ könnte hier schon hinterfragt werden. Aber schauen wir auf die Armen: Die FAZ verweist auf eine Ipsos-Studie, die zeigt, dass Wähler mit geringerem Einkommen eher zu Marine Le Pen tendieren.
Das fehlende Bindeglied im Puzzle
Ja, diese Statistik ist wahrscheinlich korrekt, wird jedoch so dargestellt, dass Armut der auslösende Faktor wäre, „rechtsextrem“ zu wählen. Hierbei handelt es sich jedoch um eine reine Korrelation, also ein Zusammenhang, der keine Informationen zur Kausalität, also zur tatsächlichen Begründung des Wahlverhaltens abliefert. Vermutlich, man kann das anhand fehlender Daten schwer überprüfen, handelt es sich hier um eine Scheinkorrelation, die wichtige Faktoren außer Acht lässt.
Diese „Armen“ wählen nämlich nicht Le Pen, weil sie arm oder dumm oder perspektivlos sind, sondern weil sie tagtäglich spüren, wie die Migration ihr Land und ihr Leben verändert. Wähler, die monatlich mehr als 3.000 Euro verdienen, entschieden sich dagegen für Macron. Man darf davon ausgehen, dass Personen über dieser Gehaltsklasse weit weg von jeglichen Problembezirken wohnen und dementsprechend die Probleme durch ungebremste Zuwanderung nur aus den Medien kennen, die diese gleichzeitig herunterspielen. Unterbewusst werden also negative Aspekte mit dem Front National verknüpft um gezielt die Meinung der Deutschen hinsichtlich Le Pen zu manipulieren.
Regionale Unterschiede
Spannend ist auch das Ergebnis hinsichtlich der Departements, also der regionalen Glieder Frankreichs. Der Westen Frankreichs stimmte geschlossen für Macron, der Osten Frankreichs, bis auf wenige Ausnahmen wie zum Beispiel in Paris oder in den Alpenregionen, stimmte für Le Pen. Dazu zählen auch die Departements am Mittelmeer, die am stärksten mit der Migrationsbewegung zu kämpfen haben. Man kann also sagen, dass Personen, die im Grenzgebiet Frankreichs leben, also mit der Problematik der Freizügigkeit vertraut sind, Le Pen wählten. Diejenigen, die im französischen Hinterland wohnen, entschieden sich für Europa und Multi-Kulti.
Diese Sichtweise ist mindestens genauso wahr, wie die Implikationen der großen Medienhäuser, aber um einiges unbequemer als der simplifizierende Joker, der nach jeder Wahlanalyse seitens der deutschen Presse gespielt wird: Es waren wieder die Armen und Rückständigen! Dass dieses Klientel noch vor einigen Jahrzenten fast ausschließlich links wählte, wurde von den modernen Linken getrost vergessen. Diese verschließen weiterhin die Augen vor der Realität und predigen Multikulturalismus. In den reichen Vorstädten und auf dem Land fällt das heutzutage sehr einfach.
Im Westen nichts Neues?
Frankreich ist hinsichtlich des Wahlverhaltens deutlich mobiler als Deutschland. Aber auch die Situation ist um einiges dynamischer als hierzulande. Die Franzosen ahnen langsam, was auf dem Spiel steht und ändern ihre Präferenzen bezüglich des Front National. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis Le Pen die Präsidentin des Landes wird, sollte sie sich nicht vorher zurückziehen oder auf ominöse Weise ihr Leben verlieren.
Im Juni wird es allerdings noch nicht so weit sein. Die abgeschlagenen Parteien, die nicht mehr zur Stichwahl antreten, werden alles daran setzen, ihre Wähler zu Macron zu schieben. Es entsteht ein „breites Bündnis“, dass mit rationalen Politikinteressen der Wähler nicht mehr viel gemein hat. Stattdessen wird die Wahl eine emotionale Abstimmung gegen die verhasste Le Pen. Einige unserer Nachbarn werden natürlich auch anders entscheiden. Die taz zitierte in einem Bericht die Meinung einer Französin, die mehr Weitsicht enthält, als die meisten Deutschen jemals haben werden:
„Macron ist ein Zauberkünstler, er wird das Bett für Le Pen machen, die dann in fünf Jahren gewählt wird. Frankreich wird zehn Jahre verlieren. Ich denke sogar darüber nach, in vierzehn Tagen für Madame Le Pen zu stimmen, damit die Konservativen das Land 2022 wieder in Ordnung bringen können.“
Kann man so eine Haltung auf Deutschland übertragen? Wann werden die CDUler von ihrer sturen Merkel-Unterstützung abweichen und AfD wählen? Wenn auch nur zu dem Ziel später wieder das Kreuz hinter die Union zu setzen. Vermutlich nie. Sie würden sofort zur SPD wechseln, vollkommen unabhängig von deren Programm. Den Medien sei Dank.
(Bild: Emmanuel Macron, von: Pablo Tupin-Noriega, CC BY-SA 4.0)
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2 Kommentare zu “Macron vs. Le Pen = Reichtum vs. Armut?”