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Oswalt Kolle, ein Konservativer

Was ist die größte politische Herausforderung der Konservativen? In den Bundestag einzuziehen? In Königsberg deutsche Schulen einzurichten? Positive Aspekte an Pinochet nachzuweisen? Den Papst als Retter zu feiern? Gegenfrage: Mal Hand hoch, wer sich für die nächsten fünf Jahre fest vorgenommen hat, eine Familie zu gründen. Und? Noch Fragen?

Für die Auseinandersetzung mit dem Themenfeld der Pornographie kurz vor Ostern, was übrigens keine Provokation war, haben wir unglaublich viel Schelte einstecken müssen. Wie kann es sein, daß wir uns solchen Schmuddelthemen zuwenden, wo andernorts die deutsche Schreibschrift untergeht? Was geht es die BN an, wenn einige Leser Pornos schauen? Was ist daran schlimm und ist das nicht privat? Solche Äußerungen müssen zu denken geben, denn sie verraten zweierlei:

Erstens: Die wenigsten haben verstanden (es besteht ein wesentlicher Unterschied zwischen verstehen und drüber reden), daß es für den Konservativen die höchste Herausforderung ist, eine Familie zu gründen. Der Islam, der immer wieder von besonders engagierten Facebook-Nutzern verteufelt wird, die im Privatleben übrigens nicht mal einen zugesagten Termin einhalten können, wird seine dominanter werdende Stellung in Deutschland weiter ausbauen, wenn die Deutschen immer weniger werden. Das ist ein nüchterner Fakt.

Zweitens: Seit Felix Menzels Text über die Linken, die die Frauen haben und die Konservativen, die hinterm PC onanieren, hat sich nichts Wesentliches an diesem Zustand geändert, was darauf verweist, daß es ein typischer Zustand sein muß. Der oder die Konservative stehen sich aus ihrem Wesen heraus dort im Weg, wo sie die Bedürfnisse ihres Körpers nicht ernst nehmen oder gar religiös bedingt ablehnen.

Nun kann man natürlich niemandem vorwerfen, wenn er nicht sofort den richtigen Partner findet. Aber darum geht es auch gar nicht. Es geht vielmehr um die Einstellung, die man zu seinem Körper entwickelt, zu dem, was er einem außer dem Drang zu essen und zu schlafen und zu verdauen noch alles anbietet. Es ist keine in die Luft geschossene Behauptung, daß viele Konservative unheimlich verklemmt sind und natürlich spielt das auf dem Hochzeitsmarkt eine Rolle, weil es schlicht negativ auffällt. Dabei gäbe es auch in ihren Reihen Vorbilder, die es anders gemacht haben, die Lebensreformbewegung beispielsweise oder noch wichtiger: Oswalt Kolle. „Was!?…“, wird es jetzt einigen entfahren, „dieser blöde Achtundsechziger, der die Aufklärungsfilmchen gedreht hat? Der soll ein Konservativer gewesen sein?“ Ja war er und was für einer.

Man kann sich noch heute einen Großteil seiner Filme auf DVD bestellen, auch sein Standarddruckwerk Das Wunder der Liebe (1968) ist noch erhältlich. Sein Konzept ist denkbar einfach auf den Punkt gebracht: Die Ehe retten durch sexuelle Aufklärung. Erst, wenn die Partner um ihre Bedürfnisse und Funktionsweisen wissen, sind sie imstande, eine harmonische Beziehung zu führen, aus der dann auch Kinder hervorgehen. Und auch der oder die, die noch solo sind, steigern ihre Attraktivität dadurch, daß sie ihre Bedürfnisse als gesund und vital einstufen.

Oswalt Kolles Filme wurden von den Deutschen millionenfach gesehen. Besonders empfehlenswert sind bis heute die beiden Teile von Das Wunder der Liebe, der Dreiteiler Deine Frau/ Dein Mann/ Dein Kind – das unbekannte Wesen sowie Zum Beispiel: Ehebruch. Mit Kolle hat das Bewußtsein seiner Zeit eine Schwelle überschritten, hinter die niemand mehr zurückkonnte.

Aber der Philosoph Frank Lisson wies auch in seinem aktuellen Buch darauf hin, daß die Trennung in Körper und Geist (und damit oft die Entfernung von der eigenen Natur) eben ein elementarer Kern im Denken und Fühlen des Abendlandes ist. Kolles Gedanken müssen deshalb in jeder Generation aufgefrischt werden.

Ein Autor, der einem Kulturkreis entstammt, dem die Trennung von Körper und Geist unbekannt ist, ist der indisch stämmige Therapeut Keith Sherwood. Trotz leider sehr plakativen Titels ist sein Werk Im Bett mit Shiva. Eros, Sex und Transzendenz mehr als lesenswert. Was dem an Kolle geschulten Leser auffallen wird: Nichts ist so zeitlos wie die vielen Irrwege, die der Mensch auf dem Weg hin zu einer erfüllten Sexualität gehen kann. Sherwood unterstreicht fast 50 Jahre nach Kolle im Kern dieselben Punkte:

Wenn man sich selbst liebt und sich gestattet, seine ganz eigene sexuelle Identität und die dazugehörige Energie zu leben, hat man alles, was man braucht, um sein wahres Selbst zu verwirklichen und es mit dem Partner zu teilen.

Kolles wie Sherwoods Ausführungen unterstreichen einen wesentlichen Kern im konservativen Kosmos: Alles Denken und Handeln ist eben nicht abstrakt, sondern leitet sich immer vom konkreten Lebensumstand her, der Natur des Menschen, seinen Stärken und Schwächen, seinen Bedürfnissen und Fähigkeiten. Nur, wer damit im Einklang lebt, sie nicht verleugnet, wird ein erfülltes, produktives und geerdetes Leben führen können.

Keith Sherwood: Im Bett mit Shiva. Eros, Sex und Transzendenz – vom Vorspiel bis zum Nachglühen. 240 Seiten, Kösel Verlag, 2012. 17,99 Euro.

httpv://www.youtube.com/watch?v=NrvCz8l1efQ

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