Mariana Mazzucato, Professorin für Innovationsökonomie an der University of Sussex, ist uns schon vor einigen Jahren aufgrund ihres Buches über Das Kapital des Staates (2014) aufgefallen. Sie zeigt darin anschaulich, daß die meisten Basisinnovationen nur mit Hilfe staatlicher Förderungen möglich waren und keineswegs allein das Werk von unternehmerischen Genies darstellen.
»Tatsächlich steckt im iPhone nicht eine einzige Technologie, die nicht staatlich finanziert wurde«, betont sie etwa. Der Grund dafür: Für Unternehmen ist das Risiko kostenintensiver Grundlagenforschung zu hoch. Hier muß folglich der Staat ran und Entscheidungen treffen, die betriebswirtschaftlich nicht vertretbar wären. Das heißt zugleich: Der Staat muß innovativ agieren und darf keinesfalls mit der Gießkanne Subventionen verteilen.
Im Mittelpunkt ihres Interesses steht für Mazzucato also schon länger die Frage, wie eine »echte« Wertschöpfung auf den Weg gebracht werden kann. In ihrem aktuellen Buch Wie kommt der Wert in die Welt? knüpft sie genau daran an. Ihr Ziel ist es zu beschreiben, unter welchen Bedingungen »die Wertabschöpfung durch die unproduktiven die Wertschöpfung durch die produktiven Mitglieder (einer Gesellschaft) übersteigt«.
Mathematisierung der Wirtschaftswissenschaften
Während sowohl Adam Smith als auch Karl Marx mit einer klar zu erkennenden »Produktionsgrenze« arbeiteten, hätte Ende des 19. Jahrhunderts mit der Mathematisierung der Wirtschaftswissenschaften eine Entwicklung eingesetzt, die unproduktive Umsätze leugnete. Seitdem gilt annäherungsweise: Alles, womit Geld verdient werden kann, ist produktiv. Dem widerspricht Mazzucato und denkt dabei vor allem an die Wertabschöpfung durch die Finanzwirtschaft.
Bemerkenswert ist aber auch, daß ausgerechnet Karl Marx im Staat einen unproduktiven Akteur sah. Gleiches galt bei ihm für den Haushalt. Wo die Produktionsgrenze gezogen wird, hat gerade in einer auf das Wirtschaftswachstum fokussierten Gesellschaft weitreichende Konsequenzen. Denn das Bruttoinlandsprodukt (BIP) würde steigen, wenn »wir unsere Nachbarn dafür bezahlen, unsere Kinder zu hüten oder unsere Wäsche zu waschen und umgekehrt«.
Dieser absurde Fall verdeutlicht, welche Fehlanreize durch eine schlechte Abgrenzung produktiver von unproduktiven Tätigkeiten entstehen können. Die Klärung, was eigentlich Werte sind (vgl. Recherche D, Heft 6, S. 23ff), ist daher von höchster Wichtigkeit für eine innovative, aber auch soziale Gesellschaft.
Es macht einen Unterschied, ob ich durch steigende Immobilienwerte zu Reichtum komme oder durch eine Erfindung, obwohl sich dieser im Einkommen oder Vermögen nicht zwangsläufig widerspiegeln muß. Dafür, um dieses Problem in all seinen Facetten zu verstehen, leistet Mazzucato einen erheblichen Beitrag. Negativ fällt an ihrem Buch jedoch auf, daß sie seitenweise längst bekannte Erkenntnisse über die Finanzwirtschaft ausbreitet, die ermüdend wirken.
Mariana Mazzucato: Wie kommt der Wert in die Welt? Von Schöpfern und Abschöpfern.
Dieser Beitrag erschien in Recherche D, Heft 8, mit dem Schwerpunkt Sozialpolitik.
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