Gesichtet

Über die Bedeutung der asymmetrischen Kriegsführung

Mit dem Ende des Kalten Krieges verschwand die letzte breite Front zweier konkurrierender Hegemonien auf dem Globus. Große Panzerheere und schwere Schlachtschiffe schienen plötzlich obsolet.

Abrüstung hieß der Nerv der Zeit. Doch wer wie Francis Fukuyama glaubte, die Konflikte schienen gelöst und das „Ende der Geschichte“ stehe kurz bevor, erlag der vielleicht bedeutsamsten Lebenslüge der frühen 90er Jahre. Durch den Zerfall der sozialistischen Regime in Mittel- und Osteuropa zeichnete sich kein ewiger Frieden ab, denn dieser setzt ein globales Wertesystem voraus.

Unipolare Weltordnung konterkariert Vorsätze von Toleranz und Vielfalt

Diese, gerade in der westlichen Hemisphäre, populäre unipolare Weltsicht impliziert einen Kulturchauvinismus und widerspricht damit jeglichen heuchlerischen Vorsätzen von Toleranz und Vielfalt, wodurch die Weichen für neue Auseinandersetzungen gelegt sind. Viel mehr kündigten sich neue und alte Konflikte, wie denen auf dem Westbalkan an.

Bewaffnete Konflikte wurden hier u.a. nicht mehr wie in den Weltkriegen zwischen großen stehenden Heeren ausgefochten, sondern verliefen zunehmend asymmetrisch. Gemeint ist, dass kriegerische Parteien in ihrer Organisation, Ausbildung und Ausstattung stark unterschiedlich geprägt sind. Bisweilen bezeichnet man dies auch als Partisanenkrieg. Auch das Eingreifen der USA in den Balkankrieg konnte diese Asymmetrie nicht aufheben, wenngleich zu ihren Gunsten entscheiden.

Fast alle folgenden bewaffneten Konflikte wurden stark asymmetrisch ausgetragen. Das soll jedoch nicht bedeuten, dass stehende Heere tatsächlich überflüssig und unzeitgemäß sind. Vielmehr gehört der Partisanenkampf seit jeher zum Krieg (Bsp.: Varusschlacht, Bauernaufstände, Vietnamkrieg). Doch worauf muss man sich in Zukunft einstellen? Nimmt die Asymmetrie zu oder erleben große See- und Panzerschlachten ihr Comeback?

  1. Partisan vs. Terrorist

Um die Asymmetrie im Krieg zu verstehen, muss man sich mit dem Partisanen auseinandersetzen. Der Partisan ist ein irregulärer Kämpfer. Der Staatsrechtler Carl Schmitt attestierte dem regulären Charakter des Soldaten eine Uniformierung. Die Uniform und die zur Schaustellung der Waffe demonstriert eine Beherrschung der Öffentlichkeit. Der zweite große Unterschied zwischen dem Partisanen und regulären Streitkräften ist der intensive politische Charakter des Partisanen. Der Partisan engagiert sich nicht auf Grund der privaten Bereicherung. „Der Partisan kämpft in einer politischen Front“, so Schmitt.

Die Grenze zwischen Partisanen, freiwilligen Verbänden, Milizen und Terroristen sind dabei fließend und sehr oft unscharf bzw. sogar nicht erkennbar. Das legt nahe, dass es sich bei Terroristen um Partisanen handelt. Terrorismus wäre damit ein propagandistischer Kampfbegriff zur Negierung einer unlauteren Kriegsform. Der Begriff des Terroristen kann zugleich aber auch Ausdruck einer Marketingstrategie der Furchteinflößung sein.

Mit einem Partisanenkrieg motiviert man keine Armee der Welt. Jeder Soldat und sogar viele Zivilisten verbinden mit diesem Begriff verlustreiche und langwierige Kämpfe ohne sichtbare Erfolge. Mit dem Krieg gegen den Terror konnte man nach dem 11. September jedoch erneut und erfolgreich zum Krieg trommeln.

  1. Die Rolle des Partisanen als Akteur auf modernen Schlachtfeldern

Betrachtet man die Kriege in der Ukraine und in Syrien fällt auf, dass das alte Stigma vom Schurkenstaat trotz massiver medialer Verzerrung der Realität nicht so recht greift. Ein Grund hierfür ist sicherlich, dass die Konfliktparteien zum Teil sehr unklar verteilt und aufgestellt sind. Beide Kriege eint die hohe Anzahl an Milizionären, Freiwilligen oder Partisanen, von denen ein großer Anteil ausländische Akteure sind. Mit Carl Schmitt gesprochen, verdeutlicht dieser Umstand den intensiven politischen Charakter dieser Kriege. Dadurch erfährt der Konflikt eine enorme ideologische Aufladung der Kampfhandlungen. Hierzu schreibt Carl Schmitt:

Der Krieg spielt sich dann in der Form des jeweils „endgültig letzten Krieges der Menschheit“ ab. Solche Kriege sind notwendigerweise besonders intensive und unmenschliche Kriege, weil sie, über das Politische hinausgehend, den Feind gleichzeitig in moralischen und anderen Kategorien herabsetzen und zum unmenschlichen Scheusal machen müssen, das nicht nur abgewehrt, sondern definitiv vernichtet werden muß, also nicht mehr nur ein in seine Grenzen zurückzuweisender Feind ist.

Das erklärt, warum es in beiden Konflikten immer wieder zum Bruch von Waffenruhen kommt und in Syrien sogar von vielen Parteien gar kein Friedensschluss bemüht wird. Die Rollenverteilung zwischen dem Partisanen und den regulären Streitkräften ist also heute deutlich ausgeglichener als im Zweiten Weltkrieg. Dem Partisanen, Freiwilligen, Milizionär oder Terroristen kommt damit eine höhere Bedeutung auf modernen Schlachtfeldern zu.

  1. Kein Verzicht von regulären Streitkräften

Reguläre Streitkräfte verkommen dadurch aber nicht zu einer Feuerwehr gegen terroristische Brandherde, sondern haben gerade in jüngster Zeit ihre Daseinsberechtigung erwiesen. Die NATO forciert mit großen Truppenbewegungen an ihrer Ostflanke eine Taktik der Abschreckung. Russland soll damit sein Engagement in Osteuropa aufgeben.

Gemeint ist wohl aber auch die Vorbereitung eines Konfliktes zweier regulärer Kombattanten. Selbst Staaten, die sich bis zur Wehrlosigkeit defensiv verhielten (z.B. Bundesrepublik Deutschland), sind neuerdings gewillt ihre Rüstungsausgaben zu erhöhen. In Anbetracht der sich dramatisch veränderten Sicherheitslage in und um Europa ist dieser Vorgang auch dringend erforderlich. Zu lange wurde das Politische geleugnet. Noch einmal Schmitt dazu:

Dadurch, dass ein Volk nicht mehr die Kraft oder den Willen hat, sich in der Sphäre des Politischen zu halten, verschwindet das Politische nicht aus der Welt. Es verschwindet nur ein schwaches Volk.

(Bild: Pixabay)

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