Während in Deutschland niemand so richtig an die Einsatzbereitschaft der Bundeswehr glaubt und man sich in der Von der Leyen-Clique den Kopf über eine sträfliche Militärintervention in Syrien zermartert, findet derweil im Osten Sibiriens das größte Militärmanöver seit dem Ende des Kalten Krieges statt.
Vom 11. bis 19. September exerzieren Russland, die Mongolei und China eines der größten Konfliktszenarien unserer Zeit durch. Der russische Verteidigungsminister Sergey Shoygu spricht von rund 300.000 Soldaten, 36.000 Militärfahrzeugen, 1.000 Flugzeugen und 80 Schiffen.
Offizielles Ziel der Großübung „Vostok 2018“ sei es, die Koordination und Zusammenarbeit solch gewaltiger Streitkräfte einzustudieren und den Ernstfall zu proben. Seit „Zapata-81“ gab es keine Truppenbewegung dieser Art von russischer Seite.
Übungen von wem?
Dass Staaten ihr Militär erproben und trainieren, ist zunächst nichts Ungewöhnliches und bedarf in der Regel kaum der Erwähnung. Zumindest solange man sich an die Regeln Washingtons hält. Dazu muss festgehalten werden, dass in fast allen westlichen Medien selten über Manöver der einzelnen NATO-Staaten berichtet wird.
Gelegentlich erfährt die Bevölkerung von großangelegten Übungen, wie zuletzt während der Manöverreihe „Saber-Strike“. Diese multinationale Übung spielt seit 2011 fast jährlich einen Überfall Russlands auf das Baltikum und Polen durch. In Deutschland war davon vor allem etwas durch große Truppen- und Materialbewegungen gen Osten auf Autobahnen und Zugstrecken zu bemerken. Hier kann also festgestellt werden, dass große Manöver auch in der westlichen Hemisphäre keine Seltenheit sind.
Berichterstattung wozu?
Was man hingegen viel häufiger aus der Presse erfährt, sind Übungen Russlands an den NATO-Außengrenzen. So zuletzt bei „Sapat-2017“ vor gut einem Jahr. Damals übte Russland gemeinsam mit seinem strategischen und kulturellen Nachbarn Weißrussland. Hinzu kommen jedoch immer wieder Meldungen von Verletzungen des europäischen Luftraums durch russische Militärflugzeuge oder angebliche U-Boot Sichtungen vor Schwedens Küste.
Im Oktober 2014 berichtete Schweden von einem angeblich russischen U-Boot in schwedischen Hoheitsgewässern. Später stellte sich heraus, dass es sich hierbei um Fake News handelte. Erst zwei Jahre später gab der schwedische Verteidigungsminister zu, dass es sich um ein schwedisches U-Boot gehandelt hatte. Die permanente Betonung der russischen Gefahr, auch unter Einsatz falscher Meldungen ist ein Indiz für den propagandistischen Charakter der militärischen Berichterstattung in Europa.
Neues Bündnis im Osten?
Dass die aktuelle Situation in Russland trotzdem beachtlich ist, zeigt die sich möglicherweise formende Allianz im Osten. Mit Russland und China trainieren die beiden größten Kontrahenten der USA gemeinsam. Multinationale Übungen sind ansonsten nur unter militärischen Verbündeten üblich. Dieses Manöver kann somit als ein inoffizieller Schulterschluss zwischen Russland, China und der Mongolei gewertet werden.
Russland und China streben seit geraumer Zeit auch wirtschaftlich aufeinander zu. Russland versucht seinerseits die Eurasische Wirtschaftsunion zu stärken und auszuweiten. Direkter Handelspartner ist unter anderem das Reich der Mitte. China hingegen reaktiviert die Seidenstraße und verschafft sich dadurch ebenfalls einen enormen wirtschaftlichen Vorteil. Beiden Akteuren liegt demnach viel an der Stabilität in Zentralasien, weswegen sie entschiedene Gegner des Islamismus und Dschihadismus sind. Dritter Kandidat dieser eurasischen Allianz wäre der Iran.
Warum jetzt?
Russland hat ähnliche Probleme wie viele Staaten in Europa. Die Geburtenrate ist niedrig, die Bevölkerung wird immer älter und die Steuerlast ist hoch. Der Kreml reagierte und hob das Rentenalter von 60 auf 65 Jahre für Männer und von 55 auf 60 Jahre für Frauen an. Dazu sei gesagt, dass die Lebenserwartung in Russland bei 70 Jahren liegt. Das löste landesweite Proteste aus.
Die Popularität Putins sank von 80 auf 67 Prozent. Grund genug um der Bevölkerung zu demonstrieren, wofür sie ihr Leben lang arbeiten muss. Ebenfalls will Russland damit auch seine Einsatzbereitschaft weit über das Ausmaß des aktuellen Einsatzes in Syrien beweisen. Eine Warnung an den Westen, falls dieser Syrien unter dem Vorwand der Vergeltung für fragliche C-Waffenangriffe bombardieren würde.
Masse statt Klasse?
Noch gegen Ende der 90er Jahre und zu Beginn der 2000er war das russische Militär geprägt von alter Sowjetausrüstung und damit weitestgehend veraltet. Seit Wladimir Putin hat sich das geändert. Nach der traurigen und peinlichen Jelzin-Ära zeigte sich Russland wieder aktiver und bestimmter in der Weltpolitik. Um dabei ernst genommen zu werden, braucht man starke Freunde oder selbst starke Arme.
Russland hatte keine strategischen Partner und war nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion isoliert. Es war also notwendig die Militärausgaben zu steigern. Heute sehen wir eindrucksvoll das Ergebnis. Russland entscheidet im Moment den Krieg in Syrien zu Gunsten der Regierung in Damaskus. Wie satisfaktionsfähig die russische Rüstungsindustrie im Vergleich zur amerikanischen ist, lässt sich nur schwer beurteilen. Fest steht aber, dass Russland international auch militärisch äußert ernst genommen wird.
Land | Aktive Soldaten | Reserve |
Russland | 1.013.628 (Stand: 2018) | 2.572.500 (Stand: 2017) |
China | 2.260.000 (Stand: 2017) | 1.452.500 (Stand: 2017) |
USA | 1.400.000 (Stand: 2016) | 1.100.000 (Stand: 2016) |
Großbritannien | 113.970 | 160.000 |
Frankreich | 227.000 (Stand: 2012) | (keine Angaben) |
Deutschland | 179.797 (Stand: 2018) | 110.000 (Stand: 2016) |
Türkei | Ca. 772.000 | Ca. 285.000 |
(Angaben unter Einbeziehung zivilen Mitarbeiter)
Russland demonstriert dieser Tage an vielen Fronten, dass die internationale Politik nicht mehr ohne russische Beteiligung funktioniert. Es hat den Anschein, als sei Russland auch zum Äußersten bereit, sollten russische Interessen massiv verletzt oder übergangen werden. Die Bundesregierung wäre also gut beraten, sich nicht der Destabilisierungspolitik der USA anzuschließen.
Gerade bei der zur Zeit drohenden Bombardierung Syriens durch die NATO-Staaten USA, Großbritannien und Frankreich, welche im Übrigen erst durch den Parlamentsbeschluss abgesegnet werden müsste und ohne UN-Mandat auch völkerrechtswidrig wäre, würde Deutschland nur zur Eskalation gegenüber Russland beitragen. Dies bedeutet keinesfalls eine Appeasement Politik im Stile Chamberlains. Vielmehr ist eine Intervention in Syrien zum jetzigen Zeit völlig unsinnig.
Der Krieg in Syrien ist längst entschieden. Assad jetzt noch aus dem Amt zu bomben, würde Syrien zu einem zweiten Afghanistan machen. Die Folgen davon wären ein nicht abreißender Asylstrom nach Europa, ein Wiedererstarken des Islamismus und Dschihadismus, mögliche NATO-Verteidigungsfälle an der türkischen Grenze, eine Destabilisierung von Irak, Iran, Jordanien, Libanon, Ägypten und Israel.
Russland liefert also nicht das Feindbild, sondern eine alternative Betrachtungsweise der internationalen Politik. Abseits dieser Politik muss die Bundesregierung trotz allem die Rüstungsausgaben und Investitionen in die deutschen Streitkräfte erhöhen, um handlungs- und vor allem verteidigungsfähig zu sein. „Vostok 2018“ ist also auch ein Signal an den Westen. Ein Signal, das weniger als eine Drohgebärde, als vielmehr ein Hinweis auf das, was folgen kann, zu verstehen ist.
(Bild:
0 Kommentare zu “Vostok 2018: Ein Signal an den Westen”