Rezension

Zuerst verleumdet, dann vergessen: Iddo Netanyahu und sein Roman Itamar K.

Gesellschaftliche Missstände von unten darzustellen und auf diese Weise anzuprangern ist seit jeher eine Spezialität linker Literatur. Die Topoi: der redliche, aber naive Underdog, dessen hohe Ideale an der Realität einer korrumpierten Elite zerschellen, die mittels konzentrierter Macht verhindert, dass er sein Talent gebührend zur Geltung bringen und reüssieren kann. Er muss schließlich erkennen, dass die Welt nach anderen, weitaus weniger idyllischen Mechanismen funktioniert, als es ihm noch zu Beginn der Handlung vorschwebte.

In den literarischen Werken der Aufklärung, etwa dem bürgerlichen Trauerspiel, nahmen diese Topoi ihren Anfang. Damals noch gegen Adel und Kirche gerichtet, und in der Neoromantik, etwa Hesses schmachtendem Frühwerk, sowie in den Dramen des Expressionismus (hier freilich zumeist in eine Rebellion des Helden mündend) wandten sie sich schließlich gegen das Bürgertum.

Linke Methoden von den Gegnern der Linken

Seitdem aber die politische Linke im Westen die kulturelle Hegemonie innehat, erfreut sich dieses Schema zunehmend größerer Beliebtheit bei ihren Gegnern. Schon im Ostblock hat es Milan Kundera vorgemacht, der das Schema insofern abwandelte, als er den Naivling in seinem antikommunistischen Roman Das Leben ist anderswo keine hohen Ideale hegen, sondern im Gegenteil einen Opportunisten sein ließ, der an seiner eigenen Abgefeimtheit zugrundegeht.

Eine weitere, andersgeartete Abwandlung legte der südafrikanische Nobelpreisträger John Maxwell Coetzee mit seinem Roman Schande vor, wo es kein junger Mann ist, dessen Fall beschrieben wird, sondern im Gegenteil ein gesetzter Literaturdozent in der Zeit nach der Apartheid, welcher, infolge einer Affäre mit einer Studentin, unter dem Druck der feministischen Hochschulgruppe „Women Against Rape“ seine Professur verliert und dann, auf dem Land, miterleben muss, wie seine lesbische Tochter von einer Horde Zulus vergewaltigt wird, ohne dass sich das linke Establishment darum schert.

Der jüngere Bruder Benyamin Netanyahus

Im Gegensatz zur damaligen Tschechoslowakei und dem heutigen Südafrika scheint Israel zumindest dem Bewohner Westeuropas wohl nicht geeignet als Schauplatz einer Erzählung solchen Zuschnitts, wo es sich doch gerade bei diesem Land zwar um eine Industrienation handelt, die aber nicht von innerer Zersetzung befallen ist, in der etwa kaum jemand, jedenfalls niemand Ernstzunehmendes, aus seiner Gated Community heraus lauthals behauptet, eine allgemeine Wehrpflicht sei inhuman und recht eigentlich sogar kryptofaschistisch.

Diese Koinzidenz beherrscht das Bild, das viele Westeuropäer von Israel haben: nicht nur seine Freunde, die eben diesen Umstand zu schätzen wissen, sondern ebenso seine zahlreichen Feinde, die die fragliche Meinung teilen, ohne aber die nötige Gesinnung zu besitzen, um diese in Westeuropa nicht mehr anzutreffende Koinzidenz wertschätzen zu können.

Es erstaunt daher nicht wenig, dass das Israel der Neunzigerjahre tatsächlich als Schauplatz einer derartigen Erzählung gedient hat; warum es freilich erstaunt, wird späterhin ersichtlich werden. Es handelt sich um Iddo Netanyahus 1998 erschienenen Kurzroman Itamar K.

Iddo ist der jüngere Bruder Benyamins und damit auch Yonatan Netanyahus. Er kam 1952 in Jerusalem zur Welt, lebte lange in den USA und ist von Beruf Radiologe. Sein literarisches Werk ist dementsprechend recht schmal, bestehend aus einem Band mit Kurzgeschichten, einer Dokumentation der Operation Entebbe, bei der sein Bruder Yoni umkam, sowie fünf Theaterstücken, die nicht nur in Israel, sondern auch in den USA, Italien, Russland, Aserbaidschan, Usbekistan und sogar in Deutschland aufgeführt worden sind. Allerdings ist auf Deutsch keine einzige Zeile von ihm im Druck erschienen.

Militarist und Judaö-Rassist?

Itamar K. handelt von dem jungen Titelhelden, der im Anschluss an ein Studium der Filmwissenschaften an der amerikanischen Ostküste nach Israel heimkehrt, um einen Film zu drehen über einen verstorbenen Kammersänger, Shaul Melamed. Itamar ist Violinist gewesen, bis ihm, zu Zeiten seines Wehrdienstes beim ZaHaL, während eines Konzerts des Militärorchesters ein Sektkorken den Mittelfinger zertrümmert hat; noch aus der vorigen Zeit an der Juilliard School rührte seine Bekanntschaft mit Melamed her.

Itamar ist ein auf rein harmlose Weise ehrgeiziger Bursche, im Kunstbetrieb völlig unerfahren, der jetzt, mit einem Drehbuch im Arm, nach Protektion sucht und eher zufällig in die maßgeblichen Tel Aviver Kreise gerät. Da ist eine Akademie, die aus Künstlern verschiedener Sparten besteht und über die Gewährung staatlicher Filmförderung entscheidet. Und da ist die acht Jahre ältere, verheiratete Hausfrau Rita, die, gelangweilt von ihrer bürgerlichen Ehe, Filmwissenschaften studiert und ab und an Affären mit jüngeren Männern pflegt, sofern diese ihr als talentiert erscheinen. Selbst künstlerisch völlig unbegabt, liegt ihre Stärke allein im Horizontalen; und so kommt es zu einer Affäre mit Itamar.

Derweil lassen erste Anzeichen dafür, dass die Förderung an bestimmte Bedingungen geknüpft sein könnte, den jungen Mann Befürchtungen hegen. Es stellt sich heraus, dass eine kurze Szene in seinem Drehbuch die Unzufriedenheit der Akademie hervorruft. Bei einer Sitzung ihrer Mitglieder kommt es zu Vorwürfen gegen den verstorbenen Melamed, er sei ein „Militarist“ und Vertreter der „judäo-rassistischen Gesellschaft“ gewesen; man diskutiert sogar darüber, ob ein Mensch mit solchen Ansichten überhaupt schöpferisch tätig sein könne.

Was aber hat sich Melamed seinerzeit erlaubt? Nichts weiter, als Kritik an der Übertretung der Menschenrechte durch die „Palästinenser“. Itamar, völlig unpolitisch, wie er ist, spielt zunächst mit dem Gedanken, die Szene zu streichen um der Förderung willen; kurze Zeit später beschließt die Akademie aber, ihm stattdessen einen erfahrenen Regisseur gleichsam als Aufsichtsperson zur Seite zu stellen.

Dieser Mann, Uzi Bar-Ner, erweist sich freilich als homosexueller Kommunist, der Itamars gesamtes Drehbuch umschreiben will, um Melamed als nationalistischen Fanatiker darstellen zu können. Nachdem Itamar die Zusammenarbeit mit Bar-Ner aufkündigt, wird ein von diesem in Auftrag gegebener Artikel veröffentlicht, in welchem Melamed als „Beispiel unseres gesamtnationalen Größenwahnsinns“ und Itamar als sein Jünger verunglimpft wird. Dieser Artikel stößt eine landesweite Zeitungsdebatte an, die freilich nicht von außen beeinflusst werden kann, da man nur von den Zeitungen ernannte „Experten“ zu Wort kommen lässt. Auch die wenigen Freunde in der Künstlerszene, die der von Schuldgefühlen geplagte Itamar hat, können ihm nicht helfen; sie sind machtlos.

Schließlich wird er noch der Idee zum Film bestohlen: die Akademie beauftragt nämlich Bar-Ner damit, einen Film über Melamed zu drehen. Dass die nur nach erfolgreichen Männern Ausschau haltende Rita ihn verlässt, versteht sich von selbst. Am Ende bleibt ihm nichts anderes übrig, als ein bescheidenes Dasein als Musiklehrer zu fristen und sich mit unbegabten Kindern herumzuplagen. Das ist die ganze Geschichte, und es ist eine alte, doch bleibt sie immer neu.

Film als Medium der israelischen Linken

Nicht zufällig wählte Netanyahu die Filmbranche als Setting. Der Israeli Film Fund, Keren HaKolnoa Israeli, der Netanyahu zum Vorbild der Akademie diente, hat wiederholt unter Beweis gestellt, dass er seinem Abbild im Roman durchaus gerecht zu werden vermag. So war der Filmbetrieb dasjenige Medium, das der politischen Linken in Israel noch am längsten als Sprachrohr diente.

Ein besonders merkwürdiger Auswuchs dieser Sphäre ist Assi Dayan, der Sohn Moshe Dayans, der in den 90ern Das Leben Agfa zufolge drehte, ein Machwerk voller Gossensprache, das sich weitgehend in der Dekonstruktion des jüdischen Patriotismus erschöpft und von äußerst liebenswürdigen (aber natürlich von Zionisten malträtierten) Arabern sowie rechtsextremistischen israelischen Soldaten handelt, die unschuldige Barbesucher bestialisch ermorden.

Als Anerkennung für seine Arbeit wurde Dayan späterhin in die Jury der Berlinale berufen. Das einzig Positive, das man dieser Ehrung abgewinnen kann, ist, dass sie von der inzwischen bestehenden Notwendigkeit zeugt, ins Ausland zu reisen, um als israelischer Nestbeschmutzer Anerkennung zu finden, so wie ja auch linksradikale NGOs Bankrott machen müssten, wenn sie nicht mit Geldern aus dem Ausland versorgt würden; von Tuvia Tenenbom kann man sich darüber inzwischen hinreichend gut unterrichten lassen.

Israelische Soldaten vergewaltigen palästinensische Frauen

Man staunt aber dennoch nicht schlecht als deutscher Leser über dieses noch gar nicht so lange zurückliegende Israel der 90er und die von Netanyahu entsprechend gezeichneten Figuren, ja man glaubt stellenweise, der Roman spiele in der heutigen Bundesrepublik. In den Kreisen, in die der naive Held gerät, prahlt man damit, dass man der erste gewesen sei, der israelisch-„palästinensischen“ Sex auf die Leinwand gebracht habe.

Man stellt den „unaufhaltsamen israelischen Machismus“ dar, indem man in seinen Filmen israelische Soldaten „palästinensische“ Frauen vergewaltigen lässt. Man lobt sich gegenseitig im Fernsehen, wovon Itamar anfänglich nichts weiß, weil er keinen Fernseher besitzt, ist aber persönlich verfeindet und misst sich daran, wie viele Minuten lang man daselbst gezeigt worden oder über wie viele Wochen hinweg man mit seiner jüngsten Veröffentlichung in den Schaufenstern der Buchhandlungen in SoHo gelegen ist.

Man vermeidet die Nutzung der Autobahn zwischen Tel Aviv und Jerusalem, weil sie über die Grüne Linie führt, und hält sich am liebsten gar nicht in der Heiligen Stadt auf, weil man sonst Gefahr läuft, unwissentlich jenseits der Linie zu landen. Das erinnert doch unweigerlich an das Verhalten deutscher Intellektueller nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion und der „DDR“, die nicht nur keinerlei Freude über die Erlangung nationaler Souveränität zeigten, sondern sogar gegen die Wiedervereinigung und den „hässlichen Deutschen“ polemisierten.

Konformisten, die denken, sie seien nonkonform

Es sind sich für Nonkonformisten haltende Konformisten, die sich da herumtummeln, staatlich subventionierte Rebellen. Im Hetzartikel, den Bar-Ner in Auftrag gibt, wird behauptet, Melamed habe derartige Ansichten vertreten, um seinen Erfolg zu steigern, und also suggeriert, mit rechten Ansichten könne man leichter Karriere machen als mit linken; dabei ist die Zeitung, in der dies geschrieben steht, aus mitunter staatlichen Mitteln finanziert.

Sie halten sich für mutig, wenn sie vor laufender Kamera von dem „seit einem Jahrhundert währenden Landraub“ reden, halten sich für unbequem, sind es aber allenfalls für die von ihnen erwählten Feinde, die sie entweder unbarmherzig unterdrücken oder zur stillschweigenden Kooperation zwingen. So verwundert es nicht, dass Itamar keine Unterstützung findet, nachdem er verleumdet worden ist.

Die wenigen wirklichen Freunde, die er in der Künstlerszene hat, sind zwei alte, orthodoxe Käuze, die nicht in Tel Aviv, sondern in Jerusalem leben, der eine, Benzion Appelbaum, bildender Künstler, der andere, Nimrod Berman, Autor umfangreicher, von antiken jüdischen Helden und Propheten handelnden Romanen. Appelbaum und Berman warnen Itamar beide davor, sich mit den Akademiemitgliedern einzulassen, und späterhin davor, auf die Verleumdungen zu reagieren. Beide haben bereits ähnliches erlebt und sind fürs Leben gezeichnet, welches sie inzwischen zurückgezogen und unbeachtet von der Öffentlichkeit fristen.

Sie können nur noch, wenn auch zugegebenermaßen geistreiche, Suaden zum Besten geben über „Fernseh-Prozesse“, in denen „Banausen die Prophetenkrone aufgesetzt“ wird oder „Kämpfer für die Freiheit zu blutrünstigen Fanatikern degradiert“ werden, und über dieses jüdische Volk, das „im Grunde seines Herzens glaubt, dass Assimilation besser wäre“.

Nur ein einziges Mitglied des Tel Aviver Establishment scheint etwas für Itamar übrig zu haben. Unter vier Augen vertraut der Regisseur Kaganow ihm aber an, dass er seinerzeit selbst eine Szene habe umschreiben müssen im Drehbuch zu seinem Erstling, der von einer scheiternden israelisch-arabischen Liebesgeschichte handelte: zunächst sollte am Ende des Films der arabische Liebhaber aus Verzweiflung zum Terroristen werden, doch habe die Akademie ihn, Kaganow, davon überzeugen können, die Uzi in dieser letzten Szene durch eine Spielzeugpistole zu ersetzen.

Bemerkenswerter Sinn für Tragikomik

Beinahe, so urteilt der nun gänzlich gefügige Kaganow in einem Anfall von Selbstbezichtigung, hätte er unwissentlich Vorurteile befördert; es sei ein Glück, dass er durch die Umsicht der verantwortungsvollen Akademiemitglieder davon abgehalten habe werden können. Überhaupt besitzt Netanyahu einen beachtenswerten Sinn für (Tragi-)Komik. Wie er die Allüren dieser extrovertierten Künstlerfiguren darstellt, zeugt von einer scharfen Beobachtungsgabe. Die weibische Sucht nach einem ruhmreichen Partner, die bei Rita während der Lektüre des Drehbuchs eine sexuelle Erregung hervorruft; die Redeschwalle des ungebildeten Hotelbesitzers und nebenberuflichen Filmproduzenten Karmanski; die Gestik des Homosexuellen Bar-Ner sind äußerst plastisch dargestellt.

Itamar selbst ist hingegen eine Künstlerfigur, die mit ihrem Künstlertum nicht hausieren geht, für die es in erster Linie Übung und Arbeit bedeutet und keinen intrinsischen Wert besitzt. Daher ist er auch weitaus gebildeter als die meisten Parvenüs, auf die er trifft. Aber obwohl er natürlich als Pendant zum linken, pazifistischen Establishment fungiert, ist er bei alldem kein Held. Es ist nichts außerordentlich Maskulines an ihm. Er ist gleichsam ein unpolitischer Bürger inmitten von linksradikalen Revolutionären. Das Paradoxe an dieser Konstellation besteht darin, dass er gleichsam zum bekämpften Rebell avanciert, ohne es auch nur im Entferntesten beabsichtigt zu haben.

Trotz des zweifelsohne vorhandenen literarischen Werts existieren Übersetzungen des Romans nur in zwei Sprachen, nämlich eine vor wenigen Jahren erschienene ins Italienische sowie eine 2001 erschienene ins Russische. Die Entstehungsgeschichte insbesondere der letzteren ist dabei gleichsam eine Bestätigung des Romaninhalts selbst: Es musste nämlich erst ein Quereinsteiger, von Hause aus Musiker, auf Itamar K. stoßen und seine Bedeutung erkennen, bevor der Roman erstmals übersetzt wurde, und zwar nicht zufällig ins Russische, wo es doch, wie der Übersetzer Daniel Fradkin in seinem Nachwort schreibt, gerade „uns ehemaligen Sowjetbürgern, die wir aufgewachsen sind unter den Bedingungen eines totalitären Regimes, bekannt ist, wie die Machthaber Poeten und Künstler, Musiker und Regisseure zu Marionetten geraten lassen, indem sie sie ausnützen zum Zwecke einer ideologischen Bearbeitung des Volkes“.

Politische Gründe ausschlaggebend, was übersetzt wird?

Wie so viele Israelis aus der ehemaligen Sowjetunion, die von Linken gerne verächtlich als „Russit“ bezeichnet werden, zeigt der 1973 aus St. Petersburg eingewanderte Fradkin keinerlei Verständnis für die Allüren der Kibbuznik-Kinder, die sich um den seinerzeitigen Einfluss ihrer Familien gebracht fühlen.

An ihren Übersetzungen sollt ihr sie erkennen! Anhand der Übersetzungen ins Deutsche lässt sich unschwer ablesen, warum hier kaum jemand auch nur davon gehört hat, dass der Bruder des israelischen Premierministers literarisch tätig ist, obwohl er ja durchaus nicht von schlechten Eltern ist und sich ein Buch, auf dem sein Nachname stünde, sogar unabhängig von seinem Inhalt gut verkaufen würde; es kann mithin keine ökonomischen Gründe haben.

Von Moshe Shamir etwa ist nur einziges Kinderbuch ins Deutsche übersetzt, von Uri Zvi Greenberg sogar nichts. Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass die politische Einstellung israelischer Autoren eine nicht unerhebliche Rolle spielt bei der Frage, welche und ob sie überhaupt Übersetzer finden.

Die wohl produktivsten unter ihnen, Mirjam Pressler und Ruth Achlama, beschränkten sich weitgehend auf Shalom-Achshawnikim wie Amos Oz, David Grossman und Zeruya Shalev. Sie hatten in all den Jahrzehnten ihrer Tätigkeit nicht einmal die Muße, auch nur einen einzigen Roman z.B. Eli Amirs zu übersetzen. Es ist wohl kein Zufall, dass es sich bei Amir nicht etwa um einen Sohn aschkenasischer Kibbuznikim handelt, sondern um einen unter Arabern zur Welt gekommenen Mizrachi, der keinerlei Rachegelüste um des verlorenen Einflusses willen hegt, in seinen Werken auch Irgun-Kämpfer empathisch darzustellen vermag und darüber hinaus von der politischen Linken und ihren Friedensbemühungen enttäuscht ist, wie er 2013 in einem Interview mit Henryk M. Broder kundtat.

Aufforderung zur Bezahlung der Rundfunkgebühr

Bedauerlicherweise scheinen sich aber sogar die in deutscher Sprache publizierenden Akademiker obigem Trend anzuschließen. Der wohl profiliertesten unter ihnen, Anat Feinberg, ebenfalls einer Verehrerin Amos Oz’, welche am Lehrstuhl für „Jüdische Literaturen“ an der HfJS Heidelberg arbeitet, sind etwa Eli Amir und Uri Zvi Greenberg kaum eine Erwähnung wert in ihrem Handbuch für Moderne hebräische Literatur. Es erübrigt sich hinzuzusetzen, dass man in diesem Handbuch ganz vergeblich nach Iddo Netanyahu sucht.

Unmittelbar nach der Veröffentlichung von Itamar K. erschien ein Verriss voller justiziabler und seitens der Urheber nach einem Gerichtsprozess widerrufener Lügen in der linken Tageszeitung HaAretz. Seither aber nichts mehr. So geschieht mit Netanyahu das, was er im Roman den Jerusalemer Käuzen widerfahren lässt: damnatio memoriae oder, noch schlimmer, das, was er Itamar widerfahren lässt: „Der Teufel ist nicht der Töter, er ist Diabolos, der Verleumder, ist der Gott, in dem die Lüge nicht Feigheit ist, wie im Menschen, sondern Herrschaft.“ (Arnold Gehlen)

Das Übel liegt zweifelsohne in den Massenmedien. Appelbaum rät seinem jungen Freund daher: „Wenn du das Radio und den Fernseher nicht anmachst und es vermeidest, Zeitung zu lesen, dann ist es durchaus möglich, hier zu leben, und sogar nicht ohne Vergnügen.“ Aber gibt es tatsächlich noch genügend schallfreie Ecken? Netanyahu weiß das zu bezweifeln. Sein Roman endet damit, dass Itamar nach viermonatigem Eremitentum einen Brief erhält, bei dessen bloßem Anblick er sich schon freut. Es ist aber nur eine Aufforderung zur Entrichtung der Rundfunkgebühr.

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