Anstoß

Aufstand der Frauen!?

Mit mehr als fünf Millionen Menschen starken Massendemonstrationen hat Spanien am Weltfrauentag „8-M“ die Welt beeindruckt.

Geplant war das Ganze dabei schon vor Wochen, und zwar als „ziviler“, d.h. brav-bürgerlicher und, infolgedessen, harmloser Frauenstreik. Interessanter als sein Motto –„Ohne uns steht die Welt still“ –, war das Sprüchlein, das die feministische Linke in die Welt gesetzt hatte: „Wenn wir stillstehen, stürzt das System in sich zusammen.“

In der Benachteiligung der Frau, die die Bürgerlichkeit für eine gesellschaftliche Altlast hält – die Benachteiligung, nicht die Frau –, der man durch Bildung, Reform und, vor allem, (Um-)Erziehung begegnen kann, sieht der linke Feminismus ein „System“. Nicht zu Unrecht.

Was für ein „System“?

Beweggrund der Demonstranten war, dass bezüglich der Gleichstellung der Geschlechter noch viel zu tun sei. Im Durchschnitt verdienen Frauen viel weniger als Männer, in einigen Fällen bis zu 30 Prozent. Längst gehört auch in Spanien die berufstätige Frau zum Gesellschaftsbild. Auch drängen immer mehr Frauen in die Chefetagen von Wirtschaft, Politik und Kultur.

Das „System” ist so frauenundurchlässig nicht, es ziert sich einfach nur ein wenig. Auch wenn es im „System” nicht gerade von ihnen wimmelt, so gibt es sie doch, die Einzelkämpferinnen und Karrieristinnen, die mehr an sich als an ihr Geschlecht denken. Auch haben diese nichts dagegen, „besser” als ihre männlichen Kollegen zu sein. Gibt der Erfolg ihnen Recht, wird ihr Einsatz belohnt vom „System”: sie triumphieren über ihre männlichen Kollegen und sind damit erwiesenermaßen auch besser.

So manche erfolgreiche individuelle, alles andere als feministisch motivierte Frauenkarriere wird deshalb auch vom „System” zum Verdienst um die Gleichstellung der Frau stilisiert. So als ob man mit der Prämierung elitärer Karrieristinnen das ganze weibliche Geschlecht abspeisen könnte. Egal wie randständig und extravagant er auch sein mag, der linke Feminismus beweist durch seine Systemkritik sein sicheres Gespür.

Ein noch sichereres Gespür besäßen seine Aktivistinnen, misstrauten sie dem Erfolg des „8-M“: Allein die Verhätschelung durch Medien, Wirtschaft und Politik zeigt, wie viel guten Willen die nominellen, aber auch die faktischen Machthaber aufzubringen geneigt sind. So viel und so guter Wille, noch dazu von Seiten der Machthaber, sollten einen doch nachdenklich stimmen, oder?

Gewalt gegen Frauen

In Spanien herrscht ein eigenartiges Missverhältnis zwischen Diskriminierung und Emanzipation: Die Frauen sind freier, unabhängiger und selbstbestimmter als je zuvor. Die vollkommene geschlechtliche Gleichstellung bleibt ihnen jedoch immer noch versagt. Gewalt gegen Frauen – violencia de sexo, eigentlich: Gewalt dem (weiblichen) Geschlecht gegenüber –, noch vor ein paar Jahrzehnten eine gesellschaftliche Realität um die man sich nicht kümmerte, ist inzwischen geächtet und wird sogar strafrechtlich verfolgt. Was früher totgeschwiegen wurde und im Kreise der Familie duldende Mäßigung fand, ist heute Gegenstand von Sensibilisierungskampagnen: Medien, Schulunterricht und Urlaubsprogramme erziehen in dem Sinne, dass Gewalt gegen Frauen unmöglich ist.

Frauen, die von ihren Partnern aus allen nur erdenklichen Gründen getötet wurden, werden von Medien, Zivilgesellschaft und feministischen Organisationen ohne eingehende Prüfung unter die Opfer machistischer, d.h. männlicher Gewalt, eingereiht. Übers Jahr wird so eine Liste der Opfer geführt, daraus dann eine traurige sowie eine Bilanz der Scham und der Schande gezogen. Dennoch scheint die Gewalt gegen Frauen mit jedem Jahr, das vergeht, immer mehr zuzunehmen.

Gerade bei den Jugendlichen, die andere Erfahrungswerte haben als ihre Eltern und Großeltern, ist ein Trend zur Unterdrückung der Frau erkennbar. Viele junge Männer finden nichts dabei, ihre Partnerin zu schlagen oder sie unter Drohungen über ihren letzten Aufenthalt zu verhören.

„Terrorismus“

Spanische Feministinnen, allen voran feministische Juristinnen, fordern schon seit langem, dass „Gewalt gegen Frauen“ strafrechtlich dem Terrorismus gleichgesetzt werde. Das ist nicht unproblematisch. Die Gründe des echten Terrorismus, z.B. der der ETA, liegen immer offen zutage. Was ein Terrorakt ist, was jemanden zum Opfer des Terrorismus macht, ist ebenfalls leicht ersichtlich. Die Ursachen sogenannter machistischer Gewalt, der jährlich rund 50 Frauen zum Opfer fallen, sind längst nicht so leicht zu erkennen. Eine notwendige soziologische Typisierung, die der strafrechtlichen voranzugehen hätte, fehlt vollends.

Überall spielt die ideologische Verblendung Fachfrauen, aber auch einer beteiligten – und nicht nur weiblichen! – Öffentlichkeit Streiche. Den von sich aus schon schlimmen Tatbestand der Frauentötung zum Terrorismus hin zu verschlimmern, macht zum Politikum, was eigentlich eine gesellschaftliche Angelegenheit ist. Die Moral wird bemüht, strafverschärfend zu wirken, anstatt dass ein gesellschaftliches Übel an seiner Wurzel gepackt wird.

Dementsprechend vermehren sich die Fälle von „Gewalt gegen Frauen”, sowohl strafrechtlich als auch was die gesellschaftliche Realität betrifft. Moralisch wird mit „Terrorismus” ein Verdammungsurteil gesprochen. Verdammungsurteile aber sind typisch für den Ritualismus von Ohnmächtigen und Unbedarften: Man macht sich ein bisschen Luft damit, ansonsten bleibt alles, wie es ist.

Der „Populismus“ tritt auf den Plan

Auch die eindrucksvollen Massendemos, bei denen die Frauen die Hauptdarsteller waren, werden wenig zur Besserung der Situation der Frau in Spanien beitragen. Man wird den Verdacht nicht los, dass es bei ihnen zugegangen ist, wie es sonst auf südamerikanischen populistischen Volksaufwiegelungen zuzugehen pflegt: Alles ist von vornherein inszeniert, mindestens aber kanalisiert.

Machthaber und ihre Wortführer stellen sich an die Seite von genauso unbedarften wie engagierten Aktivisten, klagen gemeinsam mit diesen die Missstände an und zeigen Eintracht. Die Menschen werden von einer Welle der Solidarität erfasst, sind beschwingt und lassen sich von der wirkungsvoll zur Schau getragenen Eintracht betören. Für einen Moment scheint es wirklich so, dass alles anders wird …

Systemstabilisierende Aufstände

In Spanien ist „das System” nicht zusammengebrochen. Es steht stärker und fester da als vorher, ähnlich stabilisiert wie die südamerikanischen Regime durch „Populismus“: „Das System” hat einigen von euch erlaubt, die Arbeit niederzulegen. Es hat es sogar erleichtert, dass ihr euch zu Millionen zusammenfindet um eurem Ärger Luft zu machen. Sogar von einigen Erscheinungen des Männerhasses hat sich „das System” nicht beirren lassen, so großzügig und nachsichtig ist es gewesen mit euch.

Die Erhalter und Erhalterinnen – hört, hört! – des Systems haben euch ein Forum verschafft, euch reden lassen, euch gehört und verstanden und sogar mitgemacht mit euch. Der Aufstand der Frauen, er war zwar echt, aber inszeniert, gut kanalisiert, noch besser arrangiert. Er war ein einziges Arrangement, zu Deutsch Ausgleich.  Es gibt nichts Besseres zur Stabilisierung bestehender Zustände als eben solche Aufstände. Möge es in Zukunft unzählige von ihnen geben!

Für den peruanischen Literaturnobelpreisträger, nationalisierten Spanier und bekennenden Liberalen Mario Vargas Llosa ist der 8. März ein Beweis dafür, dass Spanien kein „unterentwickeltes Land“ mehr ist. Er, der aus einem Land kommt, wo die Unterentwicklung chronisch ist, der Populismus zur Politik gehört wie das Amen in der Kirche, und dort selbst schon Präsidentschaftskandidat war, muss es ja wissen.

Mag sein, dass Spanien kein unterentwickeltes Land ist. Bezüglich seiner politischen Kultur jedenfalls hat es sich von Europa entfernt und sich Südamerika angenähert.

(Bild: luzencor, flickr, CC BY-ND 2.0)

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