Rezension

Der Rauch Satans: Glaube, Tradition und der Zeitgeist in der Kirche

1970 gründete der französische Erzbischof Marcel Lefebvre die Priesterbruderschaft St. Pius X. mit dem Ziel, die vom Zweiten Vatikanischen Konzil bedrängten Teile von Glaubenslehre und Liturgie zu bewahren.

Die Folge waren heftige Auseinandersetzungen, die bis heute anhalten. Im Patrimonium Verlag ist nun ein interessanter Gesprächsband zwischen dem Journalisten Ingo Langner und Pater Schmidberger, einem langjährigen Mitglied der Piusbruderschaft, erschienen. Das Buch gibt Aufschluss über die konservative Konzilskritik, die Geschichte der Piusbruderschaft und das Wirken von Marcel Lefebvre.

Das Zweite Vatikanische Konzil (1962-1965) sollte Reformen einleiten und die katholische Kirche so „fit für die Zukunft“ machen. Der Kern des Glaubens und die innere Haltung der Kirche sollten davon unberührt bleiben. Tatsächlich hat es jedoch eine kleine, aber aktive Gruppe von Modernisten geschafft, ihre Ideen in die Kirche zu tragen. Dabei ging es unter anderem um die Ökumene und eine Veränderung der althergebrachten Liturgie. Das Ergebnis der Reformen: Eine katholische Kirche, die nicht mehr an die eigene Sendung und die zweitausendjährigen Wahrheiten ihrer Religion glaubt.

Glaube mit einem Augenzwinkern

Selbst unter praktizierenden Katholiken werden Dogmen wie die Jungfräulichkeit Mariens oder die leibhafte Auferstehung Jesu Christi oft nur mit einem Augenzwinkern bekannt. „Toleranz ist ein Beweis des Misstrauens gegen ein eigenes Ideal“, lässt uns Friedrich Nietzsche wissen. Mit der Ökumene ist genau das in die Kirche eingezogen – der permanente Zweifel am Eigenen. Wenn aber viele Wege zum Heil führen, dann wird mit der eigenen Exklusivität auch jede Notwendigkeit zu Disziplin und Treue zur Kirche in Frage gestellt. Und damit ist nicht nur die kraftvolle Mission der Kirche verschwunden. Ersetzt wurde sie durch eine Art NGO.

Verschwunden ist in der Kirche der tiefe Glaube, der halb Spanien aus der Hand der Mauren befreien, Malta gegen eine unvorstellbare Übermacht verteidigen und die moslemische Flotte bei Lepanto vernichten konnte. Stattdessen ist die katholische Kirche in ihrer Außenwahrnehmung oft zu einer Vorfeldorganisation von Grünen und Roten verkommen. Nicht zuletzt deshalb fällt es Konservativen, Rechten, Patrioten schon seit langem schwer, eine innerliche Nähe zur katholischen Religion zu finden.

Wider den Zeitgeist

Während das Zweite Vatikanische Konzil zunächst von weiten Kreisen der Kirche befürwortet wurde, stellte sich bereits im Verlauf der ersten Sitzungen heraus, dass gut organisierte, modernistische Kräfte ihre Positionen durchsetzen wollten. Mit Erfolg. Am Ende gestand Papst Paul VI. unter Tränen ein, dass mit dem Konzil der „Rauch Satans“ in die Kirche eingezogen sei.

Die bereits zu Konzilszeiten erwachsene Gegenbewegung unter Marcel Lefebvre ging – mit Umwegen – in die Opposition zum neuen Zeitgeist-Mainstream in der Kirche. Das Ziel: die katastrophalen Reformen in der Liturgie (was man heute in einer katholischen Kirche im Gottesdienst erlebt, ist oft nur eine infantile Skizze dessen, was die Heilige Messe einst war) revidieren, die Gleichstellung aller Glaubensrichtungen beenden und zweifelhafte Konzilstexte korrigieren – also nichts weniger, als eine konservative Revolution.

Die Priesterbruderschaft St. Pius X.

Zu diesem Zweck gründete Erzbischof Lefebvre die Priesterbruderschaft St. Pius X. Anfangs von kirchlicher Seite anerkannt, versuchte Rom von Lefebvre zu erzwingen, die Ergebnisse des Konzils anzuerkennen. Er sah darin jedoch eine Gefahr für den Glauben und das Seelenheil der Menschen. Seinem Alter war geschuldet, dass er seine Nachfolge regeln musste, um der Piusbruderschaft eine Zukunft zu ermöglichen, denn nur mit Bischöfen können neue Priester geweiht werden.

Nachdem Rom in dieser Frage auf Zeit spielte, weihte Lefebvre auf eigene Faust vier Bischöfe – und führte damit den Bruch zum Vatikan herbei, der bis heute andauert. Erzbischof Marcel Lefebvre verstarb 1991. Sein Werk, die Priesterbruderschaft St. Pius X. aber lebt. Gegenwärtig gehören ihr über 600 Priester und mehrere Hunderttausend Gläubige an.

Spannender Blick auf die jüngste Kirchengeschichte

Pater Franz Schmidberger war nach dem Abschluss seines Mathematikstudiums an der Ludwig-Maximilians-Universität einer der ersten Seminaristen der Piusbruderschaft. Er war enger Vertrauter von Erzbischof Lefebvre und hatte wichtige Ämter innerhalb der Priesterbruderschaft inne. Aktuell ist er Regens des Priesterseminars Herz Jesu in Zaitzkofen. Schmidberger ist also nicht nur ein wichtiger Zeitzeuge, sondern auch Akteur mit tiefem Einblick und Sachkenntnis zu allen Fragen der Auseinandersetzung zwischen Konservativen und Modernisten in der katholischen Kirche.

Der kürzlich im Patrimonium Verlag erschienene Band Gott, Kirche, Welt und des Teufels Beitrag dokumentiert ein kluges Gespräch zwischen dem Journalisten und Filmemacher Ingo Langner und Pater Franz Schmidberger. Letzterer legt präzise die Gründe dar, woran die Kirche heute krankt und weshalb eine Reform der Reform nötig ist. Als fundierter Kenner der Kirchengeschichte führt er den Leser durch die Zeit seit dem Aufkommen des Modernismus und die Reaktionen der Kirche darauf. Aber auch ein Ausblick, wie eine konservative Wende möglich sein kann, kommt nicht zu kurz.

Der Interviewband erlaubt einen ehrlichen und sympathischen Einblick in das Leben der Piusbruderschaft sowie die Hintergründe ihres Handelns. Dem Leser eröffnet das Buch einen neuen Blick auf Kirche und Glauben – und eine Möglichkeit, die Dimensionen der gesellschaftlichen Auseinandersetzungen nicht nur rein politisch, sondern auch metaphysisch zu betrachten.

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