Anstoß

Deutschland 2050: Eine Vision!

Realist, bodenständig, bescheiden! Auf solche Adjektive sind Konservative stolz. Utopist, revolutionär und Idealist sind dagegen böse Wörter.

Das ist gut, wenn man hinten im Wagen der Geschichte sitzt und sicherstellt, dass alles gut läuft. Wer führen will, muss dagegen nach vorne schauen und Visionen haben. Wenn wir diese Position erobern wollen, um eine Kurskorrektur zu unternehmen, müssen wir die dazu nötigen Fähigkeiten lernen. Deshalb mache ich einen Versuch und stelle mir vor, wie Deutschland in 2050 ausschauen könnte? Es geht hier nicht um Realismus. Ich will nur einen unerreichbaren Stern finden, der uns den Weg in dieser dunklen Nacht zeigen kann.

Die Geschichte

Willkommen in Deutschland 2050. Wer hätte vor 30 Jahren glauben können, dass soviel in so kurzer Zeit sich ändern könnte? Zweifellos hat die Finanzkrise von 2021 und die folgende Depression eine große Rolle gespielt und als Katalysator gedient. Ob etwas Ähnliches ohne die Krise passiert wäre, ist eine Frage, die Historiker für immer beschäftigen wird.

Gewiss ist jedoch, dass die Europäische Zentralbank eine große Rolle gespielt hat. Die Finanzkrise selbst ist aus der Niedrigzinspolitik der EZB entstanden, die verschiedene europäische Banken in die Insolvenz führte. Das hat die EZB allerdings nicht daran gehindert, die Zinsen weiter ins Negative zu bringen, um aus der Depression zu kommen und den Euro zu retten. Das hat indes nicht funktioniert, wie gedacht.

Die Angst vor Strafzinsen diente eher dazu, die Verbreitung von Kryptowährungen zu beschleunigen, was die EZB völlig entmachtete. Das hat letztendlich zum Zerfall des Euro am Ende der 20er Jahren und zur Rückkehr der nationalen Währungen geführt. Die neuen Währungen dienen jedoch nur zur Preisbestimmung, denn die Mehrheit behält ihr Geld in Kryptowährungen.

Was aus der EU geworden ist?

Die Währungskrise löste auch eine politische Krise aus, die letztendlich zum Zerfall der Europäischen Union beitrug. Als Ersatz wurde am Anfang der 30er der Europäische Bund (EB) gegründet. Dieser hat als oberste Priorität die Erhaltung der Souveränität der europäischen Völker in ihren jeweiligen Ländern.

Anders als bei der EU gibt es bei diesem Bund keine große Geldumverteilung, da diese zur Unterminierung der Souveränität ärmerer Länder führen könnte. Der EB hat stattdessen einen Wechselkurs zwischen den nationalen Währungen festgelegt, der dieselben Vorteile für Tourismus und Handel bringt und gleichzeitig die Möglichkeit von Korrekturen offen lässt.

Wie die Demokratie sich verändert hat?

Wie erwartet, sind während der Depression verschiedene populistische Parteien an die Macht in ganz Europa gekommen. Diese haben Reformen gebracht, um die Macht der Staaten über die Bürger zu reduzieren und mehr direkte Demokratie herzustellen. In Deutschland zum Beispiel haben die Bundesländer ihre Macht gegenüber der Bundesregierung ausgebaut.

Das Grundgesetz wurde auch geändert, um den Staat zu verpflichten, regelmäßige Volksbefragungen durchzuführen. Deshalb werden parallel zur Bundestagswahl Referenden abgehalten, bei denen zehn verschiedene politische Fragen gestellt werden. Die Antworten darauf sind zwar nicht bindend und werden nicht immer befolgt, sind aber maßgebend für die Regierungsbildung und für den Koalitionsvertrag.

Wie die Migration gestoppt wurde?

Die Massenmigration der 2010er ist auch inzwischen Geschichte. Schon in den 20er gab es eine starke Remigration, denn der Staat musste aus Geldmangel viele Leistungen streichen oder zumindest kürzen. Zudem haben viele Migranten ihre Hilfsarbeiten infolge der Krise und der Robotisierung verloren. Eine konsequente Remigrationspolitik ist jedoch erst in den 30er etabliert worden.

Das Asylrecht wurde reformiert, damit es nur persönliche politische Verfolgung umfasst. Für Krieg und Hunger kann eine Flüchtlingshilfe beantragt werden. Diese wird in UN-Lagern nahe den Heimatländern gewährt. Von legalen Migranten wird erwartet, dass sie sich assimilieren. Wer nicht willig ist, wird zur Remigration aufgefordert, denn keiner soll gezwungen werden in einem Land zu leben, mit dem er sich nicht identifizieren kann. Es gibt sogar Programme, um Arbeitsplätze in den Heimatländern zu finden.

Wie die Wohnungskrise gelöst wurde

Die Remigration hat verschiedene positive Vorteile: Die Nachfrage für neue Wohnungen ist z.B. drastisch gesunken. Gleichzeitig wurde die Wirtschaft in kleineren Städten gestärkt, um die Belastung der größeren Städte zu reduzieren. Auch die Spekulation mit Immobilien ist zurückgegangen, da Kryptowährungen eine bessere Geldanlage bieten. Immer mehr Menschen kaufen ein Eigenheim.
Am Ende der 30er und während der 40er Jahre hat auch die Globalisierung ihre Puste verloren. Viele Waren, die mal in Übersee produziert worden sind, werden seit ein paar Jahren wieder in Deutschland produziert.

Zum einen haben Protektionismus und Umweltschutz dazu beigetragen, dass der Import teurer wurde. Zum anderen haben neue Technologien – die sogenannten Mikroindustrien – die Produktion kleinerer Mengen rentabel gemacht. Obwohl das zu Spannungen zwischen den Ländern führte, ist die internationale Kooperation immer noch stark. Zum Beispiel hat Deutschland das von den USA vorgeschlagene „Internet Bill of Rights“ unterschrieben, um die Rechte von Internetnutzern zu sichern.

Wie der Nihilismus überwunden wurde?

Diese politischen Änderungen sind jedoch winzig im Vergleich zu den kulturellen. Seit den späteren 2010er Jahren gab es immer mehr Menschen, die das materialistische und nihilistische Weltbild ablehnten und auf die Suche nach transzendentalen Idealen gingen. Das anonyme Dasein konnte nicht mehr überzeugen, denn der Mensch kann seine Selbstverwirklichung erst in Beziehung zu einer Gemeinschaft und einem höheren Ideal schaffen.

Statt in Kollektivismus zu verfallen, erreichten die Menschen aber eine symbiotische Beziehung mit größeren Gruppen. Gemeinschaftsstiftende Institutionen wie Vereine und Kirchen haben deshalb in den 20er und 30er ein Aufblühen erlebt. Das hat die katholische und evangelische Kirche allerdings unvorbereitet erwischt und hatte auch inhaltliche Konsequenzen.

Fortschritt und Tradition

In diesem Zuge haben auch traditionalistische Vorstellung in der Gesellschaft wieder zugenommen, die viele Entwicklungen aus dem 1960er Jahren in Frage stellten. Das hat in den 2030er Jahren viel Streit zwischen Traditionalisten und Progressiven ausgelöst. Aus diesem Streit hat sich in den 40er Jahren ein Kompromiss herauskristallisiert.

Es gab eine Säkularisierung vom Staat, der sich nicht mehr um moralische Fragen kümmern soll. Die Kirchensteuer wurde abgeschafft und die Zivilehe zur Partnerschaft umgewandelt, sodass sie nicht mehr mit der kirchlichen Ehe gleichzusetzen ist. In der Gesellschaft ist jedoch eine viel stärkere Moral entstanden. Da, wo sich der Staat zurückzog, sind Kirchen eingesprungen, so dass das Tabu bei Abtreibung, Euthanasie und Drogen trotz Legalisierung verstärkt wurde. Versuche, wieder Verbote einzuführen, gibt es nicht, denn das Motto lautet: „Was der Herrgott toleriert, soll der Mensch auch nicht verbieten.“

Welche Aufgaben uns noch erwarten?

Trotz der glücklichen Entwicklungen der letzten 30 Jahre sind weiter viele Probleme geblieben. Der Durchbruch bei Batterietechnik ist ausgeblieben, so dass wir weiterhin von fossiler Energie und somit von Russland abhängig sind. Der Islam ist zwar als Problem erkannt worden, verschwunden ist er jedoch nicht und der Erfolg der Remigration hat sich auf neue Migranten beschränkt.

Die alten Parallelgesellschaften sind geblieben. Die soziale Spaltung zwischen Armen und Reichen ist zudem nicht viel kleiner geworden. China ist immer noch eine Diktatur und kontrolliert einen Großteil von Ostasien. Der Konflikt mit den USA ist noch nicht abgeschlossen.

Der Nahe Osten ist auch nicht friedlicher geworden. Die Steuern sind außerdem immer noch zu hoch und Politiker immer noch korrupt. Ich bleibe jedoch optimistisch, die Geschichte kommt nie zu einem Ende, aber nach so viel Zeit sind wir zurück in der Normalität.

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