Gesichtet

Notizen zu Halle aus jüdischer Perspektive

Die vom Täter selbst ins Netz gestellten Aufnahmen zu sehen, kann für einen jeden Juden, unabhängig von seiner politischen Einstellung oder seinem Verhältnis zum Judentum, nicht anders als erschreckend wirken.

Wie er dreimal hintereinander mit seiner Schrotflinte auf die unscheinbare Holztüre schießt, dieses einzige dürftige Hindernis auf dem Weg zu seinen designierten Opfern, und dann, nach dem dritten dröhnenden Schuss, auf die Türe zurennt, in der Gewissheit, sie eintreten zu können: auch wenn man zuvor vom weiteren Verlauf seines Amoklaufs gelesen hat und daher weiß, dass er nicht eindringen konnte in das Gotteshaus, erschaudert man doch und ist schließlich erleichtert, ihn scheitern sehen zu dürfen.

Aber gerade für diejenigen, die man seinerzeit als Nationaljuden bezeichnete, also solche, die das Judentum in erster Linie als Volk interpretieren, mithin seine (gerade gegenüber dem Christentum deutlich sich abzeichnenden) partikularistischen Wesenszüge, seine Exklusivität und damit verbundene Wehrhaftigkeit hervorheben, und für die Judentum durchaus nicht zwangsläufig Minderheit zu sein hat: gerade für diese Juden ist der Anblick eines solchen Täters zugegenebermaßen ungewohnt und daher besonders erschreckend, zumal es mehr als vierzig Jahre her ist, dass Deutsche zuletzt eine größere Gruppe an Juden gezielt umzubringen versuchten. Freilich handelte es sich schon damals nicht um Wiederbetätiger, sondern um Linksextreme.

Der Nationaljude hat, sofern er nicht selbst in Israel lebt, doch zumindest ein inniges Verhältnis zum einzigen Staat der Welt, in dem Juden keine Minderheit darstellen, hält sich für gewöhnlich regelmäßig dort auf und ist daher den Anblick uniformierter und bewaffneter Juden in weitaus größerem Maße gewohnt als denselben Anblick bei dem Volk, in dessen Mitte er lebt, dem er sich aber, aus politisch-ethischen Gründen, zumeist zunehmend entfremdet, wie sehr er es auch wertschätzen mag.

Zusammengehörigkeit und Wehrhaftigkeit

Für den Nationaljuden stellt sich Deutschland, ob er diesen Umstand nun gutheißt oder (wie immer häufiger zu beobachten ist) für zuhöchst bedauerlich und jüdischem Leben in Europa abträglich hält, als eine effeminierte Nation dar, bestehend aus vom Hass auf das Eigene befallenen Pazifisten, die längst vergessen haben, wie wichtig Zusammengehörigkeitsgefühl und Wehrhaftigkeit ist und was für einen Segen es bedeutet, einen Ort zu haben, an dem man in der Mehrheit ist. Diese Vergesslichkeit bringt den Durchschnittsdeutschen übrigens, bei allem vornehmlich rhetorischen Philosemitismus, so häufig dazu, keinerlei Verständnis aufzubringen für die Politik des jüdischen Staates.

Der Nationaljude macht sich darüber hinaus nichts vor, was den Ursprung des heutigen Judenhasses anbelangt, und sieht sich in seinen persönlichen Erfahrungen bestätigt, wenn er Erhebungen von unabhängiger, d.h. nicht-staatlicher Seite verfolgt, denen zufolge 62 Prozent der Beleidigungen und 81 Prozent der physischen Attacken auf Juden in Deutschland von Moslems, also einer Bevölkerungsgruppe, die bislang nur etwa zehn Prozent der Gesamtbevölkerung ausmacht, verübt werden. (Siehe in dieser PDF auf S. 21)

Wenn also der Nationaljude im Moslem einen Gegner erblickt, der zum Kampf gerüstet ist und dem gegenüber jegliche Zaghaftigkeit zu großen Versehrungen führen kann, sieht er im gewöhnlichen Westeuropäer, institutionell verkörpert durch die EU, eher eine zwar begüterte (und mit ihrer finanziellen Unterstützung linksradikaler und arabischer NGOs zweifelsohne Schaden zufügende), aber alles in allem eher schwächliche Feindkarikatur, der gegenüber ein etwaiges Übermaß an Härte geradezu einem Verbrechen gleichkäme. Daher muss uns diese Tat eines jungen Deutschen derart ungewohnt erscheinen.

Ein einsamer Wolf

Es handelte sich bei diesem jungen Mann allerdings, ungeachtet all seiner gewöhnungsbedürftigen Militanz, anders als bei den meisten islamischen Attentätern, tatsächlich um einen lone wolf, der zu seiner Tat von niemandem angestiftet wurde, keinerlei logistische oder finanzielle Unterstützung erhielt und im Anschluss an seine Tat von niemandem bejubelt wurde.

Und wenn er, wie der politisch-mediale Komplex mit berufsjüdischer Unterstützung lautstark zu wissen vorgibt, tatsächlich wenn schon nicht im Auftrag, so doch zumindest im Sinne der AfD zu handeln geglaubt hätte, dann hätte er sich gegen eine solche Tat entscheiden müssen, da es auf der Hand liegt, dass die politische Rechte in Mithaftung genommen werden wird für sein Vorgehen (wie es bereits im Zusammenhang mit der Tat Brenton Tarrants und seiner Spende an Martin Sellner geschah), und es nur denjenigen von Nutzen ist, die in ihm eine willkommene Gelegenheit sehen, vom tatsächlichen Ursprung heutigen Judenhasses abzulenken.

Merkel und eine antiisraelische Palästinenserin

Beides ist bereits eingetroffen. Während die AfD von den am zügigsten zur Waffe greifenden (zum Teil jüdischen) Amtsinhabern für den Hallenser Anschlag verantwortlich gemacht wurde, traf sich noch am Tag des Anschlags die notorisch antiisraelische „Palästinenserin“ Sawsan Chebli, in Begleitung jener Bundeskanzlerin, die Jerusalem nicht als Israels Hauptstadt anerkennen will und sich weigert, das iranische Mullahregime als antisemitisch zu bezeichnen, an der Synagoge in der Oranienburger Straße mit der Rabbinerin Gesa Ederberg, die ihnen bereitwillig den jüdischen Segen erteilte und ihnen auf diese Weise eine der inzwischen recht seltenen Gelegenheiten verschaffte, sich als Advokaten der Juden aufzuspielen.

Bei Ederberg handelt es sich um eine konvertierte Jüdin, die weder etwas für die jüdische Orthodoxie (vonseiten derer sie nicht als geistliche Autorität und vermutlich nicht einmal als Jüdin anerkannt wird), noch für das Judentum als Abstammungsgemeinschaft (der sie schlichtweg nicht angehört) übrig hat. Henryk M. Broder fand einmal ein Bonmot, das Ederberg treffend beschreibt: „Es gibt Leute, die nur zu Juden werden, um das Judentum von innen heraus bekämpfen zu können.“

Zu erwähnen bleibt der tragikomische Umstand, dass sich das illustre Treffen der Muslimin und ihrer Gönnerin mit den Vertretern des Assimilationsjudentums, bei der erstere, wie Chebli ankündigte, „Haltung zeigen“ durften, just an derselben Synagoge stattfand, in die erst vergangene Woche, am Freitagabend beim Empfang des jüdischen Ruhetags, ein bewaffneter Syrer einzudringen versucht hatte, indes er „Fuck Israel“ und „Allah-u Akbar“ rief.

Zum Zeitpunkt des Hallenser Anschlags war der Syrer aber bereits längst wieder auf freiem Fuß, denn die Berliner Staatsanwaltschaft hatte bei seiner Tat kein politisches Motiv erkennen können. Und auch Chebli, Merkel und die Clique deutscher Reformjuden hatte keinen Grund dazu gesehen, Haltung zu zeigen. Überhaupt schien sich außer einer Handvoll Nationaljuden und der politischen Rechten niemand lange damit aufhalten zu wollen. Vielleicht ist dieser Umstand tatsächlich der Gewöhnlichkeit dieser Tat zuzuschreiben; nur ist es ein Irrtum, zu glauben, dass von den gewohnten Taten weniger große Bedrohung ausgehe als von den ungewohnten.

(Bild: Innenstadt Halle)

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