Wo steht „Femen“ heute? Kann der unkonventionelle Feminismus noch Leute zum Umdenken bewegen oder hat sich die moderne Bewegung längst dem Islam angebiedert?
„Femen“ wurde bereits im Jahr 2008 von der ukrainischen Aktivistin Hanna Huzol gegründet und setzte sich ursprünglich nur für Frauenrechte in der Ukraine ein. Die Bewegung forderte die Kriminalisierung von Prostitution und versucht mit agitatorischen und unkonventionellen Mitteln auf ihre Forderungen aufmerksam zu machen. Damit richten sich die unbekleideten Frauen auch gegen den „veralteten Feminismus, der in Konferenzen und Büchern steckengeblieben sei“.
Seit fast zehn Jahren macht Femen mit den unterschiedlichsten Aktionen auf sich aufmerksam, stets darauf bedacht als selbstbestimmte Gruppe ohne Anstand oder Grenzen für die Rechte der Frauen zu kämpfen. Wo genau in Europa das weibliche Geschlecht de facto weniger Rechte hat als Männer bleibt dabei offen. Ab den 2010er Jahren erweiterte sich das Profil der Bewegung und die ukrainische Bewegung internationalisierte sich. Der Hauptsitz verlagerte sich nach Frankreich. Femen wurde bekannter. Sie demonstrierten gegen Berlusconi, Leihmutterschaft oder das autoritäre Russland.
Selbstbestimmte Feministinnen?
Nach einer Dokumentation über die ukrainischen „Sextremisten“ geriet das Bild der Bewegung allerdings ins Wanken. Kitty Green, eine australische Journalistin, lebte vierzehn Monate mit den Aktivistinnen unter einem Dach und präsentierte im Jahr 2013 auf dem Filmfest in Venedig ihren Streifen. Dabei wurde auch gezeigt, dass ein Patriarch namens Wiktor Swjatskyj die Gruppe mitgründete, leitete und diktatorisch führte. Green zeigte ebenfalls, dass innerhalb der Gruppierung die Frauen für ihre Aktionen bezahlt wurden. Chefideologe Swjatskyj, der vollkommen aus dem Hintergrund operierte, trennte sich erst 2012 von der Gruppe, war also in den ersten vier Jahren für alle Aktionen federführend verantwortlich. Als Green die Veröffentlichung des Filmmaterials ankündigte, darunter auch heimlich mitgeschnittene Szenen, verursachte sie einen Eklat in der Truppe und Femen trennte sich von „ihrem“ Patriarchen.
Der Skandal hielt die Frauen aber nicht davon ab, „weltweit“ gegen das Patriarchat zu kämpfen. Die Gruppe „Femen“ bezeichnet sich als „globale Frauenrechtsbewegung“. Im Widerspruch zu dieser Eigenbeschreibung stehen ihre Auftritte. Ihr Einsatzgebiet beschränkt sich hauptsächlich auf die westliche Welt und Russland. Zwar zeigen die Aktivistinnen auch Einsatz für Probleme außerhalb des christlichen Einflussgebietes, allerdings sind sie spärlich und meist indirekt. Man protestiert beispielsweise „Gegen Religion“, nicht ohne die Vorzüge und die Liberalität des christlich-säkularen Abendlandes zu genießen. Aktionen außerhalb Europas, in Gebieten, in denen Religion noch immer ein echtes Problem ist, sind eine Seltenheit.
„Überraschende“ Verhaftung und Reaktion der Muslime
In Deutschland ist es mittlerweile ruhig um die feministische Bewegung geworden. Bis 2015 schaffte es Femen noch regelmäßig in die Schlagzeilen, indem sie gegen eine Pornomesse demonstrierten, sich auf dem Altar des Kölner Doms entblößten oder vor Botschaften demonstrierten – allerdings immer auf europäischem Boden. Eine Ausnahme machte der Vorfall aus dem Jahr 2013. Zum ersten Mal gerieten eine deutsche und zwei französische Aktivistinnen in richtigen Kontakt mit dem Islam.
In Tunesien demonstrierten die drei nackten Frauen vor dem Justizpalast der Hauptstadt gegen die Verhaftung ihrer muslimischen Mitstreiterin. Wie war es anders zu erwarten? Sie wurden ebenfalls verhaftet und zu vier Monaten Haft verurteilt. Von dem Vorgehen Tunesiens war die Deutsche „völlig überrascht“. Ihre Bedenkzeit musste sie allerdings nicht vollständig absitzen. Nach diplomatischen Verhandlungen seitens der Bundesregierung wurde sie nach einem Monat freigelassen.
Eines der typischen Probleme internationaler und feministischer Agitationsformen ist wie immer das Nichtbeachten nationaler Kultur. Genau wie der Marxismus und die Komintern bei der westlichen Arbeiterschaft scheiterte, misslingt Femen die Übertragung in die islamische Welt. Denn: Musliminnen richteten sich immer häufiger gegen die Femen-Bewegung. Aus ihrer Sicht belächeln die nackten Frauenrechtlerinnen die Rolle der islamischen Frau und würden mit ihrem Extremismus und radikalen Protestformen die langsamen Fortschritte in der Maghreb-Region zunichtemachen. Die Facebook-Gruppe „Muslim Woman against Femen“ hat mit über 16.000 Likes fast ein Viertel der internationalen Femen-Gruppe. Eine „selbstgewählte Gefängnismentalität“ trifft auf nudistische Hyperemanzipation. Wen wundert’s also?
Ganz so zurückhaltend fiel die „Kritik“ männlicher Muslime nicht aus. Vor knapp zwei Jahren stürmten zwei Aktivistinnen der ukrainisch-französischen Bewegung zum ersten Mal eine islamische Veranstaltung, bei der „französische“ Imame eine Rede hielten. Was danach passierte, war relativ neu. Im Normalfall stürmen Ordner die Bühne und schleifen die Provokateure aus dem Rampenlicht. In Russland geschieht dies meist grober als in den westlichen Ländern. Das Publikum begafft den Vorfall, lacht oder staunt. Hier rannten innerhalb weniger Sekunden aufgebrachte Muslime auf die Bühne und stürzten sich auf eine der Aktivistinnen. Anschließend umringten ungefähr zehn Männer die am Boden liegende Frau und traten auf sie ein.
Gegen Trump, wehrlose Statuen und erstes Umdenken
Aktuell beschränken sich die radikalen Feministinnen wieder darauf weißen, zivilisierten und zurückhaltenden Männern auf der Nase herumzutanzen. Dazu stellt man sich nackt vor wichtige Gebäude, bespringt alte Statuen oder posiert irgendwo im Nirgendwo mit einer beliebig aufgepinselten Botschaft wie „Religion kills“ oder „Flush down Trump“. Vereinzelte Stimmen warnen aber mittlerweile vor falscher Toleranz gegenüber dem Islam und der religiösen Zuwanderung.
Die deutsch-albanische Zana Ramadani, Gründerin der bundesrepublikanischen Femen-Gruppe, kritisiert mit ihrem Buch Die verschleierte Gefahr die Kultur des gesamten Islam. In der „SonntagsZeitung“ äußerte sie sich zu ihrer neuen Situation außerhalb der Komfortzone: „Sie nennen mich Hure, drohen mit Vergewaltigung, Mord und seitdem ich schwanger bin, damit, mir das Kind aus dem Leib zu treten.“ Mit dieser klaren Ansage steht Ramadani allerdings ziemlich alleine da und hat sich mittlerweile von Femen getrennt. Ihre ehemaligen Kolleginnen setzen weiter auf aktivistische Nebelkerzen, die sich nicht direkt gegen den Islam wenden, sondern das Patriarchat oder die Despoten kritisieren. Die wirklichen Probleme werden weiter verschwiegen.
Die zuletzt stattgefundene Aktion der Femen, die sich auf islamisches Einflussgebiet bezog, war ein Protestlauf mit der Aufschrift „ERDOGAN KILLER“ durch das Fußballstadion in Charkiw vor dem Fußballspiel zwischen der Ukraine und der Türkei. Dass ein Großteil aller Türken hinter Erdogan steht, scheinen die Femen wie die meisten linksliberalen Regimekritiker zu vergessen. Für sie ist Erdogan der böse Wolf, der die armen, eigentlich liberalen, feministischen oder sozialistischen Türken auf ihrem Weg zur Emanzipation und zur Freiheit behindert.
Wohnprojekt mit einem Muslim
Besonders deutlich wird diese Paradoxie, wenn es um europäische Konservative geht, die als Gegner des Islam eigentlich natürliche Verbündete der Aktivisten sein müssten. Stattdessen kämpft Femen auch gegen die Rechten, wie zuletzt in Frankreich vor der Präsidentschaftswahl, als eine Rede Marine Le Pens von einer nackten Demonstrantin gestört wurde. Bereits mehrfach wurden Veranstaltungen des Front National behindert.
Anscheinend setzt sich der proislamische, linke Mainstreamkurs der Feministinnen weiter durch. Im Frühjahr diesen Jahres entschieden sich beispielsweise drei französische Femenanhängerinnen öffentlichkeitswirksam mit einem (in Zahlen: 1) muslimischen „Flüchtling“ zusammenzuziehen. Ziel dieser „Aktion“ war es die Toleranz des Islams unter Beweis zu stellen, allerdings wirkten die meisten Bilder eher gekünstelt.
Wie kann ein derartiger Kurzschluss, diese realitätsverleugnende Schizophrenie, in weiten Teilen der linken und feministischen Protestkultur an der Tagesordnung sein? Wie kann man die Einwanderungen von einer hypermachistischen Mittelalterkultur propagieren oder zumindest akzeptieren, während man sich gleichzeitig für die Rechte der Frauen einsetzt? Dazu kommt die für die meisten Leute vollkommen unverständliche Strategie, nackt, bemalt und schreiend für Gleichstellung und Respekt zu protestieren. Der Vater Inna Shevchenkos, eine der Schlüsselfiguren der Femenbewegung, äußerte sich in der Doku über seine Tochter und gab einen ersten Anhaltspunkt: „Wenn dein Kind keine Beine hat, liebst du es trotzdem. Mein Kind hat kein Gehirn.“
(Bild: Zana Ramadani, EMaurer, Wikipedia, CC-BY-SA 4.0)
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5 Kommentare zu “Femen und der Islam”