Gesichtet

Gaslighting oder: Die Zerstörung der Wirklichkeit

Nicht jede Form der Propaganda will überzeugen oder auch nur überreden. „Gaslighting“ zielt darauf ab, die Öffentlichkeit zu verwirren und an ihrem Urteil zu verzweifeln.

Der Ausdruck „Gaslighting“ stammt von einem alten britischen Krimi ab. In dem Film „Gaslight“ von 1940 versucht der Hochstapler Paul Mallen seine Ehefrau Bella am eigenen Verstand verzweifeln zu lassen. Er versteckt Einrichtungsgegenstände und Schmuckstücke, beschuldigt dann seine Frau, um sie in den folgenden Dialogen geschickt davon zu überzeugen, sie verliere den Verstand und könne weder ihren Sinnen, noch ihrem Gedächtnis mehr trauen. Als Bella es des Nachts poltern hört und die Gaslampe ihres Zimmers flackern sieht, kann er sie überzeugen, dass sie nur halluziniert. Doch in Wirklichkeit durchsucht Paul jede Nacht das obere Stockwerk nach den Rubinen der alten Mrs. Barlow, seiner Tante, die er vor zwanzig Jahren ermordete.

Der Wirklichkeitssinn wird zerschossen

Abgesehen davon, dass es ein wunderbarer alter Schwarzweißfilm ist, wurde „Gaslight“ vor allem deshalb bekannt, weil er einer eigenen Art von Psychoterror und einer daran angelehnten Methode der Propaganda seinen Namen gab. Wer mit einem größeren Publikum zu verfahren wünscht, kann natürlich nicht wie Paul Mallen seinen Opfern vorgaukeln, sie würden Gemälde hinter der Anrichte verstecken.

Es ist aber möglich, das Publikum solange mit immer absurderen Nachrichten und Narrativen zu bombardieren, bis es jedes Gefühl dafür verliert, was noch glaubhaft ist und was nicht. Es geht hierbei nicht nur um die sture Wiederholung, die Kernelement aller erfolgreichen Propaganda ist. Es geht darum, das Publikum beständig unter Druck zu halten, damit die Opfer nicht zu sich kommen und ihre Fähigkeit, irgendetwas sinnvoll zu hinterfragen, zerstört wird.

Neonazis unterwandern den Verfassungsschutz

Ein erstklassiges Beispiel dafür, wie Gaslighting funktioniert, war der NSU-Skandal. Auf dem Höhepunkt dieses Possenspiels, als nicht nur durchsickerte, sondern durchflutete, dass mehrere Verfassungsschutzbehörden haufenweise Akten über das Zwickauer Trio schredderten, hieß plötzlich die entscheidende Frage auf allen Medienkanälen: Haben Neonazis den Verfassungsschutz unterwandert? So vollends absurd diese Vorstellung ist, so erfüllte sie doch ihren Zweck. Alles redete sich über die braune Gefahr im Sachsensumpf die Köpfe heiß.

Die richtige Frage, was denn der Verfassungsschutz bitte mit solcherlei Art von freien Mitarbeitern mache, wozu er angeworbene Neonazis und Bankräuber verwende, die offenbar seit langem nicht mehr als V-Leute zu gebrauchen waren, fiel im Theater um die „Braune Armee Fraktion“ unter den Tisch.

Der Punkt ist: Es ging nie darum, auch nur eine halbwegs glaubwürdige Geschichte zu erzählen, wie denn die Neonazis den Verfassungsschutz unterwandert hätten. Es genügte vollständig, dass Gerüchte, Behauptungen und Spekulationen wochenlang durch die Presse flogen. Die Möglichkeit, den NSU-Skandal vom richtigen Ende her aufzurollen, wurde dadurch blockiert und zwar nicht nur in der Presse, sondern auch in den Köpfen der meisten Medienkonsumenten. Das war der eigentliche NSU-Skandal, dass ein Geheimdienst Mist baute und die Presse hinter ihm aufräumte.

Eine amerikanische Spezialität

Wenn Gaslighting jedoch eine Heimat hat, dann ist das nicht Deutschland, sondern die Vereinigten Staaten von Amerika. Dort werden wir auch jüngst wieder Zeugen dieser Art von Propaganda. Die Kampagne gegen Donald Trump hat spätestens seit seinem Wahlsieg immer wirrere Züge angenommen. Dahinter steht nicht simpler Rufmord, oder auch nur die Diffamierung des politischen Gegners. Das Ziel besteht darin, die Öffentlichkeit auch an absurde Falschbehauptungen zu gewöhnen. Waren die Aufräumarbeiten hinter der Akte NSU eine defensive Form des Gaslightings, die etwas Unangenehmes aus dem Sichtfeld schaffte, so haben wir es hier mit der offensiven Variante zu tun.

Auf dem vorläufigen Höhepunkt dieser Kampagne ließen sich bereits Leute von der Echtheit eines Haufens eingescannter Seiten überzeugen, auf denen unter anderem behauptet wird, Trump hätte im Moskauer Ritz Carlton Hotel mit Prostituierten Pinkelspiele auf dem Bett veranstaltet, in welchem die Obamas bei Besuchen in Moskau geschlafen hätten. Das Ganze sei vom russischen Geheimdienst gefilmt worden und werde als Erpressungsmaterial verwendet.

Unfug stumpft ab

Dass dieser Unfug nicht einfach verlacht wurde, lag daran, dass die Öffentlichkeit zuvor durch einen nicht abreißenden Strom immer verrückterer Meldungen bis zur Behauptung einer Wahlmanipulation durch den russischen Geheimdienst, kirre gemacht wurde. „Pissgate“ selbst schlägt wieder in dieselbe Kerbe. Die eigentliche Gefahr, die von solchen Grotesken ausgeht, besteht deshalb auch nicht darin, dass genug Leute daran glauben würden. Niemand wird Trump wegen dieser hundsmiserablen Fälschung des Amtes entheben.

Aber der bloße Konsum solchen Blödsinns stumpft ab. Sollten einmal ebenso erdichtete aber politisch folgenreiche Anschuldigungen auftauchen, vielleicht sogar im Rahmen eines Amtsenthebungsverfahrens, dann steht zu befürchten, dass eine dermaßen vorbereitete Öffentlichkeit sie schlucken wird, oder – was politisch fast auf dasselbe hinausläuft – nicht wissen wird, was sie glauben soll und damit passiv bleibt.

Kriegshysterie

Wie gefährlich Gaslighting sein kann, ersieht man am besten am bisher einsamen Höhepunkt dieser zweifelhaften Kunst. Auch er stammt aus Amerika. Die Rede ist von der Art und Weise, in der die Regierung Franklin D. Roosevelts ihr Volk auf den Zweiten Weltkrieg vorbereitete. Man schürte durch beständige Verunsicherung der Öffentlichkeit eine solche Anfälligkeit für Hysterie, dass bereits 1938 das Sciencefiction-Hörspiel War of Worlds, in dem Marsmenschen die Erde erobern, zu einer Massenpanik führte. Als 1940 deutsche Truppen die Maginotlinie durchbrachen, gelang es Roosevelt bereits einen Großteil seines kriegsunwilligen Volkes von einer direkten Bedrohung der Vereinigten Staaten zu überzeugen, indem er öffentlich die Flugdistanzen zwischen verschiedenen Punkten auf beiden Seiten des Atlantiks vorlas.

Aber die wirkliche Gefahr ermisst man nur, wenn man sich die Generation amerikanischer Dissidenten ansieht, die durch diese Zeit geprägt wurden. Beispielsweise Joseph McCarthy, Revilo P. Oliver, George Lincoln Rockwell und William Pierce hatten erfahren, wie weit Massenmanipulation tatsächlich gehen kann, wenn sich skrupellose psychologische Könner der Sache annehmen, aber diese Erfahrung hat auch auf sie abgefärbt. Sie alle sahen schließlich auch dort Gespenster, wo keine waren.

Auch wer meint, das Spiel zu durchschauen, muss sich hüten

Oliver etwa hielt bis zu seinem Tode daran fest, dass Dwight D. Eisenhower eine jüdische Marionette gewesen sei, obwohl dieser einer der wenigen US-Präsidenten war, der den Juden (während der Suezkrise 1956) einmal auf die Finger gehauen hatte. Der Grund für diese Gewissheit bestand  für Oliver in der Willfährigkeit des Generals Eisenhower gegenüber der Regierung Roosevelt während des Zweiten Weltkrieges. Auch wer meint, Gaslightingstrategien durchschaut zu haben, muss auf der Hut bleiben. Diese Art der Propaganda versucht nämlich nicht nur ein einseitiges, falsches Narrativ zu verkaufen, sie zerschießt die Wahrnehmung der Wirklichkeit.

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