In Europa ist aller Streit um die Politik der offenen Grenzen bis jetzt ein Streit zwischen Europäern. Migranten und ihre Nachfahren spielen in der Politik bisher nur eine untergeordnete Rolle.
Aus diesem Grund bleibt der „Große Austausch“ auch so theoretisch für all diejenigen, die es sich leisten können abseits der unmittelbar davon betroffenen Gebiete zu leben. Nicht nur ihr persönliches Leben ist weiterhin weiß und europäisch. Die politischen Nachrichten sind es ebenso. Zwar gibt es die einschlägigen Migrantenvertreter, doch noch müssen sie sich an unsere Regeln halten.
Dennoch gibt es in Europa ethnische Auseinandersetzungen auf der Straße – in Form von Kriminalität. In der Politik spielen Migranten außerhalb ihrer eigenen Viertel jedoch bisher eine untergeordnete Rolle, als Wähler linker, aber trotz einiger Mihigrus immer noch europäisch geprägter Parteien. England, vor allem London, bildet hier eine Ausnahme. Deshalb haben so viele Europäer keine Vorstellung davon, was es bedeutet, wenn Mehrheitsverhältnisse kippen. Diese Leute sollten sich einmal Kalifornien anschauen.
Zufluchtsstaat
In Kalifornien stellen Weiße nur noch 37 Prozent der Bevölkerung. Den größten Bevölkerungsanteil an der Multiminoritätengesellschaft stellen mit 39 Prozent die Latinos. Da diese ihren Vorsprung gerne zu einer soliden Mehrheit ausbauen würden, hat sich Kalifornien durch den Erlaß des sogenannten „California Values Act“ zum „Zufluchtsstaat“ („sanctuary state“) ernannt. Das bedeutet, daß Kalifornien sich weigert, die Abschiebegesetze der Vereinigten Staaten umzusetzen oder mit Behörden des Bundes zusammenzuarbeiten, solange der Abschiebekandidat kein Schwerverbrecher ist.
Abschiebungen werden damit fast unmöglich. Die zuständige United States Immigration and Customs Enforcement (ICE), kann Abschiebungen zwar selbst durchführen und verfügt auch über das Personal für eigene Kontrollen und Razzien, ist in der Fläche aber auf Informationen durch einzelstaatliche und vor allem lokale Polizeibehörden angewiesen. Sonst weiß sie schlichtweg nicht, wo sie einen Ausreisepflichtigen aufzufinden und außer Landes zu schaffen hat.
Zu anderen Zeiten …
Daß der Staat Kalifornien seinen Beamten die Zusammenarbeit mit Bundesbehörden untersagt, hätte in anderen Zeiten die Armee auf den Plan gerufen. In den Sechzigern setzte Präsident Lyndon B. Johnson Truppen zur Durchsetzung seiner Bürgerrechtsgesetze in den ehemaligen Südstaaten ein. Unter Trump werden Städten und Einzelstaaten, die sich im offenen Rechtsbruch befinden, allenfalls finanzielle Mittel gekürzt.
Der härteste Widerstand gegen die Zufluchtspolitik kommt aus Kalifornien selbst. Eine Besonderheit der kalifornischen Verfassung ist dabei wichtig. In Kalifornien gibt es zwei Arten von Städten: „General Law Cities“ und „Charter Cities“. Die Stadtverwaltung von General Law Cities unterliegt normal den Gesetzen Kaliforniens. Eine Stadt kann sich aber auch eine Charter, eine Art eigene Verfassung, geben und damit zur Charter City werden, wodurch sie größere Freiräume in der Gestaltung ihrer Munizipalpolitik erhält.
(Verwechslungsgefahr: Kalifornische Charter Cities haben nichts mit den Charterstädten zu tun, die der Entwicklungsökonom Paul Michael Romer zur Entwicklung von Ländern vorschlägt, die selbst nicht zur Bildung gefestigter Institutionen fähig sind.)
Einige Charter Cities mit immer noch weißer Mehrheitsbevölkerung stellten sich gegen die Zufluchtspolitik und erließen eigene städtische Beschlüsse, welche Polizei und Behörden ihrer Städte vom California Values Act ausnehmen.
Die Stadt Huntington Beach klagte dann im April diesen Jahres gegen den Staat Kalifornien. Ihre Argumentation: Der California Values Act, welcher den städtischen Behörden und damit auch der städtischen Polizei die Zusammenarbeit mit den Einwanderungsbehörden des Bundes untersagt, verstoße gegen die von der kalifornischen Verfassung garantierten Selbstverwaltungsrechte der Charter Cities.
Demokratie und Rechtsprechung werden zum ethnischen Kampffeld
Kürzlich erging das erstinstanzliche Urteil. Huntington Beach erhielt Recht – von dem weißen Richter James Crandall, oberster Richter von Orange County. Der kalifornische Generalstaatsanwalt Xavier Becerra, selbst mexikanischer Herkunft, erkennt das Urteil jedoch nicht an und will vor den Obersten Gerichtshof Kaliforniens ziehen.
Dessen Richterschaft setzt sich wie folgt zusammen: Die Vorsitzende ist eine Filipina. Den Rest des Richterkollegiums bilden ein Chinese, ein Taiwanese, ein Mexikaner, eine Schwarze, sowie eine siebzigjährige, unverheiratete, kinderlose weiße Frau. Von diesem Multiminoritätenkabinett wird das letztinstanzliche Urteil darüber gesprochen werden, ob die Polizeien von Huntington Beach und anderer weißer Städte Kaliforniens illegale Einwanderer an die zuständigen Behörden übergeben dürfen oder nicht.
Und man vergesse nicht, daß diese Frage überhaupt nur deshalb zur Debatte steht, weil die Vereinigten Staaten als Ganzes immerhin noch zu über 60 Prozent weiß ist und diese Weißen einen Präsidenten gewählt haben, der der bisherigen Praxis der offenen Tür einen Riegel vorzuschieben versucht.
(Bild: L.A., Pixabay)
11 Kommentare zu “Kalifornien: Wenn Mehrheitsverhältnisse kippen”