Anstoß

Quo vadis, Antifa?

Der Familienvater Zoltán T. steigt aus einem Bus. Er bemerkt nicht, dass er bereits verfolgt wird. Eine junge Frau fragt ihn, ob der zu der Gedenkveranstaltung der Schlacht von Budapest 1945 möchte. Er verneint, da er keine Zeit habe. Zudem sei er noch nie dort gewesen.

Er löst bei der Post Schecks ein. Als er zu seinem Tabak- und Fahrkartenladen geht, schaut er auf sein Telefon. So bemerkt er nicht, dass sich vermummte Gestalten von hinten anschleichen. Plötzlich schlägt einer der Maskierten mit einem eisernen Schlagstock auf Zoltáns Hinterkopf. Der Angegriffene taumelt, versucht instinktiv seinem Peiniger zu entkommen. Doch dieser schlägt wieder und wieder zu. Zoltán stürzt.

Weitere Vermummte prügeln mit Fäusten, Eisenstangen und Hämmern auf ihn ein. Umstehende Passanten nähern sich. Eine ältere Dame mit Krückstock redet auf die Angreifer ein. Eine weitere Frau und ein Mann kommen hinzu. Die Täter versprühen Reizgas auf ihr Opfer und in die Richtung der Umstehenden. Dann laufen sie davon. Wie die ungarische Polizei später feststellt, handelt es sich um selbsternannte Antifaschisten, darunter mehrere Deutsche. Mutmaßlich haben die deutschen Nazi-Hunter bereits ähnliche Verbrechen in ihrer Heimat begangen.

Deutsche Antifa in Ungarn – warum?

Warum aber reisen deutsche Antifas überhaupt nach Ungarn, um dort vermeintliche Rechte anzugreifen? Auffallend ist, dass die Angriffe mit massiver Brutalität, die den Tod des Opfers in Kauf nimmt, aus dem verhältnismäßig sicheren Hinterhalt und eher kurzfristig erfolgen.

Das, was die Opfer zu eben solchen machte, ist der Umstand, dass die Antifas teils unzutreffenderweise von ihnen annahmen, am Gedenken der Schlacht von Budapest 1945 und dem im Anschluss erfolgten Ausbruch ungarischer und deutscher Streitkräfte teilnehmen zu wollen. Folgt man der Argumentation diverser Linker, so sei das Gedenken an die Schlacht verwerflich, da hierdurch die als Bösewichte eingeordneten Soldaten geehrt würden. Zudem seien die Teilnehmer mehr oder minder selbst dem Gedankengut jener Kämpfer verfallen und damit selbst Vertreter der Finsternis, in der  Tat oder zumindest im Geist.

Ob nun Teilnehmer einer Gedenkveranstaltung oder sadistischer Lagerkommandant, es scheint den selbsternannten Streitern der Menschlichkeit ein und dasselbe zu sein. Die einzige Sprache, von der sie glauben, dass der Gegner sie verstünde, ist Gewalt und zwar nicht ein paar Fausthiebe, sondern verkrüppeln. Bleibt man im Duktus der Prügelfreudigen, dann sei es diese Gewalt allein, die den vermeintlichen Übeltäter mit Angst oder Verstümmelung von seiner Schandtat abhalten würde.

Was auffällt, ist eine gänzlich fehlende Unterscheidung. Das Weltbild dieser Helden der Zivilgesellschaft scheint dem auf Wish bestellten fiebrigen Traum eines Hegelianisch-Marxschen Dualismus von Gut und Böse zu entstammen. Entweder man ist Antifaschist und Supporter der Buchstabenmenschen, der Kulturbereicherer und allerlei Perverser oder man ist böse. Dann aber hat man nicht nur keinen Nutzen für die schöne neue Welt, sondern ist ihr Gegner oder anders gesagt, ist es für diese Leute höchste Bürgerpflicht einem mit einer Eisenstange den Schädel einzuschlagen.

Tat der Feigheit und Ehrlosigkeit

Dass die Angriffe aus dem Hinterhalt erfolgten, die Täter auf zahlenmäßige Überlegenheit setzten und schnell die Flucht ergriffen, ist nicht nur der vermeintlichen Effektivität geschuldet. Sicher ist es effizienter so vorzugehen und nicht erst das Opfer zum Kampf Mann gegen Was-auch-immer herauszufordern, um anschließend gemächlich von dannen zu schlendern. Auch erscheint es den unerschrockenen Humanismusschlägern besser, anstelle des herrschaftsfreien Diskurses nach Habermas Fäuste, Hammer und Schlagstöcke zur Überzeugung einzusetzen. Einem ukrainischen Soldat, der aus dem Hinterhalt einen russischen Konvoi überfällt (oder umgekehrt) ist kein Vorwurf zu machen und es tut seiner Ehre keinen Abbruch.

Im tiefsten Frieden aus dem Hinterhalt und in Überzahl einen selbstdefinierten Fiesling zu blutigem Brei zu schlagen, ist allerdings eine Tat der Feigheit und Ehrlosigkeit. Hier ist das Vorgehen völlig unverhältnismäßig. Das, was die Täter zu dieser Handlungsweise bewegt, ist nicht nur die Wirksamkeit. Es ist viel eher das Begehren ein krasser Kämpfer zu sein und den anderen zu dominieren, ohne selber Gefahr zu laufen auch einstecken zu müssen.

Vier der Opfer waren keine Teilnehmer der Gedenkveranstaltung. Drei polnische Touristen und der ungarische Tabak? und Fahrkartenverkäufer wurden Opfer, weil sie Kleidung trugen, die die Täter als Kleidung von Nazis und Faschisten ausmachten. Die egalitären Kämpfer für globale Gleichheit waren derart kulturunsensibel, dass es  außerhalb ihres Erkenntnishorizonts lag, dass viele osteuropäische Männer unabhängig von der Weltanschauung Springerstiefel und Bomberjacke tragen, so wie der Familienvater Zoltán T. Die Auswahl der Opfer erinnert an einen Irren mit Wahnvorstellungen.

Wer, übertrieben ausgedrückt, des Ziel hat, dass alle Menschen händchenhaltend unter einem Regenbogen über die Rousseausche Lichtung tanzen, kann schwerlich andere Menschen schwer verletzen wollen und dabei deren Tod in Kauf nehmen. Doch scheinbar ist das Verlangen nach beidem bei nicht Wenigen im linken Lager stark ausgeprägt. Eine Mischung aus arroganter Selbstüberschätzung, das angeblich ultimative Gute zu vertreten, hysterischem Glauben überall Nazis kurz vor deren Fürchterlichkeiten zu sehen und sicher auch ein ganzes Bündel an Komplexen, dem Wunsch, die eigenen seelischen Schmerzen auf andere abwälzen zu können, endlich mal der Starke, Gefürchtete und Bewunderte zu sein, sowie extreme Projektionen machen es möglich.

Bei dem Vorgehen und der Opferauswahl liegt der Schluss nahe, dass die Schlägerkarriere in den jeweiligen Antifagrüppchen nicht damit begann, dass der Nazi bekämpft werden musste und zu diesem Zweck die Gewalt als notwendiges Übel ins Spiel kam, sondern, dass der Bessermensch mit schlagenden Argumenten zuerst Gewalt und Dominanz ausüben wollte und sich zu diesem Zweck ein vermeintlich legitimes Opfer gesucht hat. Jeder, dem das linke Ideal und die Gewalt wichtig ist, sollte fragen: Wohin gehst du.

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