Die US-Werbeindustrie spiegelte nach dem Zweiten Weltkrieg mit ihren Anzeigen nicht einfach nur die stereotypische Rollenverteilung im Amerika um 1950 wider, nach welcher der Hausherr das Geld nach Hause bringt und sich die Hausfrau um Mann, Kinder, Vorgarten-Idylle und ihr Aussehen kümmert.
Sie ist unvorstellbar sexistisch: In der Anzeige unterhalb dieses Absatzes ist die Frau so sehr beeindruckt von der neuen Hose ihres Ehemannes, dass er in Siegerpose auf seine „tiger lady“ draufsteigen darf.
Eine Serie von Frauenmorden erschütterte letztes Jahr Italien. Verlassene Freunde, Ehemänner oder Liebhaber ertrugen nicht die Schmach des Sitzengelassenen und töteten ihre Ex-Partnerinnen. Das Phänomen ist in Italien so verbreitet, dass es mit Feminicidio einen eigenen Namen bekam. Der Feminicidio entsteht nicht zuletzt durch das ideologische und soziokulturelle Milieu des Machismo.
Die US-amerikanische Soziologin Betty Friedan fand heraus, dass es Ende der Fünfzigerjahre nicht eine einzige weibliche Werbefigur gab, die einen Beruf ausübte oder in irgendeiner Form geistig oder künstlerisch tätig war. Nach ihrer Recherche waren 1939 die weiblichen Figuren in den Magazinen noch glückliche, stolze, unternehmungslustige, attraktive und berufstätige Frauen. Vermutlich führte nach dem Zweiten Weltkrieg die Sehnsucht nach der heilen Welt die Frauen – nicht nur in der Werbung – zurück an den Herd.
Was läuft also falsch in der italienischen Gesellschaft? Ist es die katholische Kirche, die über viele Jahrhunderte lang die patriarchalische Familienform propagierte oder hat der frühere Regierungschef Silvio Berlusconi, der Frauen als Gespielinnen vorführte, das Klima nachhaltig vergiftet. Immerhin hat Italien seit 2013 ein Gesetz, das erhebliche Strafverschärfungen bei Gewalt gegen Frauen vorsieht. Die alte Art des Denkens wird mit einem neuen Gesetz allerdings kaum pulverisiert.
Betty Friedan kritisierte 1966 in ihrem Bestseller Der Weiblichkeitswahn, dass die tief verwurzelten Vorstellungen von den Aufgaben einer Frau und Mutter in der Familie durch die Werbung und damit die Konsumgüterindustrie unterstützt würden. Eines ihrer konkreten Beispiele entlarvte den Unsinn der vielen Putzmittel, die den Frauen das Gefühl verleihen sollten, sie seien Expertinnen auf dem Gebiet des Saubermachens und spielten im Haushalt eine unersetzbare Rolle. In der Anzeige oben aus dem Jahr 1947 geht es einmal nicht um das Saubermachen. Die rothaarige Dame sieht sich nicht befähigt, eine neuerworbene Frankiermaschine zu bedienen, was bei ihm Mordgelüste weckt.
Die italienische Schriftstellerin Dacia Maraini erläutert in einem Gespräch mit der Stuttgarter Zeitung das Phänomen des Feminicidio: „Sobald die Frau den Wunsch nach Eigenständigkeit äußert, arbeiten will, ausgehen will, reisen will, beginnt für diesen Typ Mann die Krise. Er verliert seine Privilegien, die er glaubt als Mann zu haben, das Privileg des Besitzes und das der Dominanz. Das ist eine alte Art des Denkens, ein Problem der Mentalität, nicht des Geschlechts (…) Die Angst wird so groß, dass sie ihn tatsächlich auch zum Mörder machen kann. Er zieht es vor, seine Frau umzubringen, dafür 30 Jahre ins Gefängnis zu gehen, anstatt die Freiheit der Frau zu akzeptieren.“
Immer wieder suggeriert die Werbung dieser Zeit den Frauen, dass sie im Haus unersetzbare Profis sind. In Wahrheit herrscht die patriarchalische Welt der Männer. In der Anzeige oben aus dem Jahr 1951 genügt einem Ehemann allein der Kauf der richtigen Krawatte, um seine Frau dahin zu bringen, ihm das Frühstück servil auf den Knien ans Bett zu servieren.
„Wir haben ein kulturelles Problem. In Italien ist die Rolle der Frau einfach noch zu schwach. Frauen wählen erst seit dem Zweiten Weltkrieg. Nur vier von zehn Frauen haben einen Job, zu wenige in Spitzenpositionen (…) Die Werbung ist an vielem schuld. Bei uns verkauft sich alles über den Körper der Frau, über das Aussehen und nicht über die Leistung“, sagt die italienische Politikerin Laura Boldrini, Präsidentin der Abgeordnetenkammer.
Über den Körper der Frau verkaufte auch Tipalet seit den 1930er Jahren seine Zigaretten. Oben eine Sex-sells-cigarettes-Anzeige aus dem Jahr 1969.
Der Zeit-Kolumnist Harald Martenstein war in Italien und konnte daher deutsche Schockfotos auf Zigarettenpackungen gut mit italienischen Schockfotos vergleichen. Er schrieb: „Die mir aus Deutschland bereits vertrauten verfaulenden Zähne und die eklig suppende Raucherlunge kriegt man in Italien irgendwie nicht. Die deutschen Schockfotos sind deutlich gruseliger und blutrünstiger als die italienischen. Es ist wie der Unterschied zwischen Hitler und Mussolini, verstehen Sie? Die Deutschen übertreiben wirklich alles. Die italienischen Fotos zeigen vorzugsweise eine gut aussehende Blondine, die eine rote, keineswegs unappetitlich wirkende Flüssigkeit in ihr Taschentuch hustet.“
Und ewig lockt in Italien das Weib, auch wenn es nur gilt, die Fluppe auszudrücken.
(Titelbild: Christine und Hagen Graf, flickr, CC BY 2.0)
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