Rezension

Batman (II): Gegen das System für das System

Die Freiheit liegt im Mythos. Wenige Kunstfiguren zeigen dies in solcher Perfektion, wie Christopher Nolans Batman.

In Christopher Nolans Batmanfilmen ist Batman ein frei handelnder Akteur, in einer Stadt, die unter dem Gewicht ihrer eigenen Strukturen verrottet. Was gibt Batman diese Freiheit und Macht? Ich frage nach einer Genealogie der Freiheit in Nolans Batmanfilmen.

Zum Ersten ist Batman ein Gesetzloser. Das ist deshalb wichtig, weil Nolans Batman nur an der Oberfläche gegen Verbrecher und Superschurken wie den Joker kämpft. In der Tiefe kämpft er gegen den Verfall Gothams. Der Joker, ebenso wie die Gesellschaft der Schatten, sind echte Feinde, doch nur aufgrund ihrer Haltung zu der Kloake von einer Stadt, die Batman und was wichtiger ist, Bruce Wayne Heimat nennen.

Der Joker erklärt ganz offen, daß er mit Batman um Gothams Seele kämpft. Die Gesellschaft der Schatten hingegen hält diese Seele für verrottet und verloren: Gotham muß vernichtet werden. Die Mafia hingegen ist nur eine Bande von Abschaum, die, wie Harvey Dent erklärt, die Stadt übernommen hat, weil wir („We the people“) sie ließen.

Batman ist ein Gesetzloser …

Um den Verfall seiner Heimatstadt zu bekämpfen, muß Batman außerhalb stehen. Er darf sich keiner legalen Autorität unterordnen. Batman darf weder der Sheriff der Regierung, noch der des Volkes sein. In einer Stadt, die so verdorben ist wie Gotham, bedeutete beides, daß er an die Leine gelegt würde, sobald er eine Gefahr für die Brieftaschen wichtiger Leute würde.

Dennoch steht Batman nicht allein. Er erhält Unterstützung, zeitweise große Unterstützung aus genau den Institutionen, deren Korruption er bekämpft. Die Menschen sind nicht von Natur aus  gut, aber auch nicht böse. Doch einmal im Getriebe korrupter Institutionen in einer verrottenden Gesellschaft wird es für sie überwältigend schwierig, die richtige Wahl zu treffen. Das ist nicht einfach eine Frage des Charakters. Als Bruce Wayne ist auch Bruce Wayne nicht besser. Er muß zum Mythos des Batmans werden, um die Fesseln zu sprengen, die das System selbst einem Milliardär auferlegt.

Hier scheint ein Stück Rechtsrousseauismus auf: Am Ende des dritten und letzten Films quittiert der Polizeioffizier John Blake den Dienst, weil er erkennt, daß „Strukturen zu Fesseln werden“ können. Dabei zeigt der gleiche Film, was geschehen wird, wenn man die Leute ohne feste Institutionen läßt. Das Problem wird klar: Man braucht die Polizeistiefel, selbst Gesetze wie den Dent Act, der Mafiosi lebenslänglich hinter Gitter bringt, sonst fressen sich die Menschen gegenseitig. Gleichzeitig machen es die Institutionen unmöglich, das verfallende System von innen zu retten. Batman ist ein merkwürdiger Revolutionär. Er kämpft gegen das System für das System.

… und ein Mythos

Doch außerhalb von Gesellschaft und Institutionen zu stehen, reicht nicht aus. Wäre dies der Fall, ein edler Schurke, ein Robin Hood genügte. Um Gothams Seele zu retten, die Wahl zu treffen, die sonst keiner hat, muß Bruce Wayne Batman werden und Batman ist mehr als ein Gesetzloser. Er ist ein Mythos.

Als Gesetzloser kann Bruce Wayne den Repressalien der Gesellschaft entgehen. Doch nur als Mythos hält Batman den Schlüssel zu Gothams Seele in Händen. Als Bruce Wayne Alfred seine Pläne enthüllt, sagt er zu ihm: „Man muß die Leute durch dramatische Ereignisse aufrütteln. Aber das kann ich als Bruce Wayne nicht tun. Als Mensch, aus Fleisch und Blut kann ich ignoriert oder getötet werden. Aber als Symbol (…) kann ich unbestechlich sein. Und unvergänglich.“

Im deutlichsten Widerspruch zu jedem rationalistischen Politikverständnis ist es gerade der Mythos Batman, der aus der verrückten Idee eines Mannes gegen die Funktionsweise einer verrotteten Gesellschaft zu kämpfen, mehr macht als einen schlechten Witz. Der Gesetzlose ist im negativen Sinne frei, frei von Gesellschaft und Institutionen. Erst der Mythos verleiht Batman aber die positive Freiheit, die Freiheit etwas zu tun, was als unmöglich gilt, etwa eine zerfallende Gesellschaft zu retten.

Der Mythos ist Teil der Wirklichkeit, doch nicht an „die Tatsachen“ gebunden

Ein Mythos ist etwas, das in der Vorstellung der Menschen die bloß physische Ebene übersteigt. Der körperliche Batman, Bruce Wayne, bleibt ein Sterblicher, dem enge Grenzen gesetzt sind. Doch der Mythos des Batman übersteigt ihn. Es gibt den Batman, der in dunklen Straßen Verbrecher verdrischt. Doch der mythische Batman ist wichtiger, da er die Leute überzeugt, daß etwas getan werden kann. Der Mythos bringt die Mafiabosse dazu, das, was der Joker ihre „Gruppentherapie“ nennt, am hellen Tage abzuhalten. Sie wagen sich nachts nicht mehr vor die Türe.

Die Wahl, die „richtige Wahl“, von der Alfred spricht, liegt zu weiten Teilen beim Mythos. Der Mythos ist nicht an die harten Tatsachen gebunden, wenn auch nicht vollständig von ihnen gelöst. Er stiehlt sich durch die Wirklichkeit. Seine Mystifizierung macht Batman zum wirklich freien Protagonisten. Hier finden sich nur noch der Joker, und die Gesellschaft der Schatten auf seiner Augenhöhe.

(Bild: l a n g g i, flickr, CC BY-NC-ND 2.0)

Dieser Beitrag wird in Kürze fortgesetzt. Hier geht es zu Teil eins!

Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Dann unterstützen Sie uns mit einer kleinen Spende. Fünf Euro reichen bereits aus, damit hier ein Jahr auf hohem Niveau gearbeitet werden kann: 

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Datenschutzinfo