Gesichtet

Der Zerfall Jugoslawiens: So endet Multikulti

Wie man einen multikulturellen Staat kaputt bekommt, lässt sich beispielhaft am Zerfallsprozess Jugoslawiens beobachten.

Dreieinhalb Versuche jugoslawischer Staatsgründungen hat es gegeben: das Königreich der Serben, Kroaten und Slowenen, als Ableitung davon die Königsdiktatur Jugoslawien (ab 1929), das kommunistische Jugoslawien und das sogenannte Restjugoslawien zu Beginn der 90er Jahre. Drei Religionen, zwei große christliche Konfessionen, zwei Alphabete (jedoch keine offizielle Amtssprache!) und zwei große Ethnien (Südslawen und Albaner) wurden nur vom Partisanenhelden Tito zusammengehalten, der als Kroate mit slowenischer Mutter und serbischer Ehefrau den Vielvölkerstaat zu inkarnieren schien.

Zweimal wurde Jugoslawien beerdigt, noch bevor es richtig tot war: 1980, als Tito starb und 1983, als Scharen von Serben Alexandar Rankovic, den einzigen Serben in Titos innerstem Zirkel und beinharten Verfechter serbischer Interessen im Kosovo betrauerten. Den Serben fiel wenig später, zumindest in den Augen der westlichen Öffentlichkeit, die Rolle der alleinigen Zerstörer dieses Projektes zu. Doch hatten gerade sie ein feines Gespür für die von anderen im System versteckten Sprengladungen. Ein Volk, das in seiner Geschichte mehr als einmal vor der Vernichtung seiner Kultur gestanden hatte, registrierte nur zu genau, was da auf Wiedervorlage erschien.

Muslime aller Länder vereinigt euch: das Islamische Manifest des Alija Izetbegovic

Während des Bosnienkrieges und insbesondere der Belagerung von Sarajevo galt der bosnische Präsident Alija Izetbegovic, von seinen Anhängern liebevoll „Dedo“, „Großvater“ genannt, als der Gute schlechthin. Kaum jemand wusste etwas über die politische Vergangenheit des würdigen alten Herrn, der den terroristischen Attacken serbischer Milizen rund um die Stadt mit beharrlicher Gelassenheit die Stirn bot.

Bereits als 15-Jähriger hatte er sich den Mladi Muslimani, den Jungmuslimen des Geistlichen Mustafa Busuladic angeschlossen, der sich für eine Stärkung der bosnisch-islamischen Identität unter Abzug aller anderen Identitäten im Land einsetzte. Bereits Österreich-Ungarn hatte von 1883 bis 1903 versucht, gewissermaßen als anti-serbisches wie anti-kroatisches Antidot, eine Art bosnische Nation zu fördern. Im Zweiten Weltkrieg genossen die Bosnier innerhalb des kroatischen Ustaša-Staates eine weitgehende Autonomie, wurden sie doch in der Propaganda als zum Islam konvertierte Kroaten hingestellt. Zeugnis dieser Aufwertung war die Aufstellung einer bosnischen Waffen-SS Division, der berühmten Gebirgsdivision Handar, die vom Großmufti von Jerusalem Amin al-Husseini anlässlich eines Truppenbesuchs gleichsam die höheren Weihen erhielt.

1946 wurde dem jungen Izetbegovic von den siegreichen Partisanen Titos eine geistige Nähe zu dieser Truppe vorgeworfen, wofür er drei Jahre ins Gefängnis gesteckt wurde. Äußerlich zwar geläutert und als Jurist tätig, verfasste er in den folgenden Jahren im Untergrund religiös-politische Texte, darunter ab 1966 ein islamisches Manifest bzw. eine islamische Deklaration, die es bis ins ferne Pakistan schaffte. Etwas mehr als zehn Jahre vor Ayatollah Khomeini und lange vor Erdogan propagiert der Autor darin ein umfassendes islamisches Erwachen, das vor nichts haltmachen würde und dürfe.

Islam als Einheit aller Lebensäußerungen des Menschen

Die Zeit der Lethargie und Passivität sei nunmehr endgültig vorbei, so prophezeit er und benennt in West und Ost zwei Angriffsrichtungen dieser anhebenden islamischen Renaissance. Gleichzeitig wendet sich Izetbegovic gegen Sufismus, Mystik und Modernisierungsbestrebungen gleichermaßen. Der Islam ist für ihn (und nicht nur für ihn) die Einheit und Harmonie von Politik, Religion, Wirtschaft, Wissenschaft, überhaupt aller Lebensäußerungen des Menschen. Der Islam sei eben nicht nur eine Religion. Und darum verträgt sich, so Izetbegovic, eine islamische Ordnung nicht mit konkurrierenden Systemen.

Auch kann der Muslim nicht einfach privat als Individuum leben, sondern braucht die islamische Umgebung als einzig ihm zukommenden Lebensraum. Diesen gilt es stetig zu erweitern, denn der Muslim muss die Welt verändern, bevor diese ihn verändert. Alija Izetbegovic wirbt für eine islamische Erziehung, vor allem für die Heranbildung geistiger Führer (im Modus ganz Leninist), um den Islam mit seiner historischen Rolle zu bekleiden (im Modus ganz Marxist). Im Unterschied zu anderen islamischen Aktivisten der Umma befürwortet der spätere Präsident Bosniens allerdings einen friedlichen Weg zum Ziel.

1983 wurde Alija Izetbegovic und weiteren muslimischen Intellektuellen in Sarajevo der Prozess wegen Förderung des Pan-Islamismus gemacht. Am Ende standen hohe Haftstrafen, für den Autor des Manifests 14 Jahre. 1988 wurde Alija Izetbegovic im Rahmen einer Amnestie aus der Haft entlassen.

Serbiens Befindlichkeiten

Jeder Krieg beginnt mit Worten. Das Islamische Manifest war Ausdruck eines gewachsenen bosnisch-muslimischen Selbstbewusstseins, dass ausgerechnet der Kommunist Tito zu verantworten hatte. 1948 kam es zum offenen Bruch des jungen kommunistischen Jugoslawien mit Moskau. Fortan versuchte Marschall Tito, den marxistische Spitzfindigkeiten zeitlebens nervten, einen eigenständigen Weg des Sozialismus innen- wie außenpolitisch einzuschlagen.

Die jugoslawische Diplomatie entdeckte die Dritte Welt und Tito begab sich auf Weltreise zu Nasser, Nehru, Sukarno etc. 1961 wurde in Belgrad die erste Konferenz der Blockfreien abgehalten, was nicht auf ungeteilte Freude innerhalb des Bundes der Kommunisten Jugoslawiens stieß. Manche der neuen Freunde waren in ihren Ländern antikommunistisch eingestellt. Tito nutzte die bosnischen Muslime als Brücke in die arabische Welt. Ihre Vertreter durften in den Nahen Osten reisen, fühlten sich von der islamischen Weltgemeinschaft getragen und kamen mit islamistischem Gedankengut nach Hause. In den Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg wurden in Jugoslawien bis 1974 500 neue Moscheen gebaut, gegenüber 350 katholischen und 200 serbisch-orthodoxen Kirchen.

Doch gab es in Jugoslawien nicht nur bosnische Muslime. Weitaus spannungsvoller war das Verhältnis zu den mehrheitlich muslimischen Albanern im Kosovo. 1956 machten die Albaner bereits 70 Prozent der Bevölkerung des Kosovo aus, wurden aber bis 1974 von Belgrad aus regiert. Diese Provinz Serbiens war das Mutterland serbischer Identität. Hier fand am 28. Juni 1389 die legendäre Schlacht auf dem Amselfeld statt, in der fast der gesamte serbische Adel von den siegreichen Osmanen erschlagen wurde.

Die muslimischen Albaner im Kosovo und ihr Machtanspruch

Das Reich der Nemanjiden, das noch 1346 unter Zar Stefan Dušan bis nach Mittelgriechenland gereicht hatte, fand sein Ende. Serbien verschwand als politische Entität für lange Zeit. Übrig blieb im neuen Paschaluk der Osmanen allein die serbisch-orthodoxe Kirche, in der sich die Serben als christliche Minderheit sammelten. In Pec, im Kosovo, erstand von 1557 bis 1766 das Patriarchat der serbisch-orthodoxen Kirche. Es war die Kirche, die nicht nur die Belange der Serben gegenüber dem Sultan vertrat, sondern die ebenso die serbische Identität bewahrte und als das nationale Gedächtnis des Volkes fungierte.

Rasch sprach sie den 1389 unterlegenen Fürsten Lazar heilig, der in der Folklore beinahe christusähnliche Züge annahm und registrierte jede neue Bedrohung des Serbentums. Nach mehreren serbischen Aufständen gelangten verstärkt Albaner in den Kosovo und brachten die verbliebenen Serben bald in demographische Bedrängnis. Mit der Zeit entwickelten auch die Albaner ihren Nationalismus und träumten von einem Anschluss an Albanien. Im Zweiten Weltkrieg kämpften gerade einmal ein Dutzend Albaner bei den Partisanen Titos, aber 20.000 in der SS-Division Skanderbeg. Albanische Nationalisten der Balli Kombetar leisteten den Partisanen bis nach Kriegsende erbitterten Widerstand und verweigerten sich dem allgegenwärtigen Partisanenkult.

1974 wurde die jugoslawische Verfassung geändert. Die serbischen Provinzen Kosovo und Vojvodina erhielten den Status autonomer Gebietskörperschaften innerhalb Serbiens. Viele Posten in Verwaltung und Polizei gingen jetzt an Albaner und das Albanische wurde als gleichberechtigte Sprache anerkannt. Serben begannen nach und nach, sich über albanische Übergriffe auf ihren Besitz und ihre Unversehrtheit zu beklagen. Albanische Clans machten den Kosovo überdies zu einer Drehscheibe für den Drogenhandel mit Westeuropa. Zudem setzten 1981 Unruhen unter der albanischen Studentenschaft ein, welche die Erhebung des Kosovo zur Republik forderte.

Kulturelle Apokalypse?

In dieser Situation unterzeichneten 21 serbisch-orthodoxe Priester und Mönche einen Appell, der 1982 im kirchlichen Organ Pravoslavije erschien. Die Unterzeichneten fürchteten um den Bestand serbischer Kultur und Konfession. Sie riefen die Serben auf, das Eigene zu verteidigen. Zum ersten Mal war von einem möglichen Genozid an der serbischen Kultur die Rede. Dieser Begriff sollte in den kommenden Jahren immer wieder in serbischen Publikationen auftauchen. Dem Mahnruf der Kirche schlossen sich bald auch serbische Intellektuelle an.

Der Dichter Tanasije Mladenovic beispielsweise schürte in seinen Werken die Ängste vor einer kulturellen Apokalypse. Der renommierte Romancier Dobrica Cosic von der Serbischen Akademie der Wissenschaften und Künste in Belgrad unterstützte dieses Problembewusstsein nach Kräften. Der wachsende antikommunistische Widerstand bekam im Jugoslawien jener Jahre schnell eine nationale Färbung. Kritik wurde oft an der Nationalität der Adressaten festgemacht. So war der Medizinstudent Radovan Karadic 1968 auf einer Anti-Vietnamkriegs-Demo in Sarajevo gewesen, in deren Folge aber die Korruption bosnischer Eliten zulasten anderer Volksgruppen in der Stadt beklagt wurde.

Am 24. September 1986 druckte die Zeitung Vecernje Novosti ein Memorandum der Serbischen Akademie der Wissenschaften und Künste ab. Die Verfasser kritisierten die neue Verfassung von 1974, in der sie die Dreiteilung Serbiens verankert sahen. Sie beklagten das Erbe Stalins auch in der jugoslawischen Spielart des Kommunismus und sprachen von einem drohenden Genozid an allem, was serbisch wäre. Vor dem Hintergrund der Erfahrungen unter dem Türkenjoch sowie der Verbrechen an Serben während des Ustaša-Regimes im Zweiten Weltkrieg war das serbische Unterbewusstsein mit verbaler Munition gefüttert. Die Büchse der Pandora war bereits angehoben.

Am Anfang nur ein „ordnungspolitischer Konflikt“

Alles begann im Kosovo. Am 24. April 1987 hält sich ein obskurer und bis dahin kaum bekannter Funktionär der serbischen kommunistischen Partei im Kosovo auf. Lokale Serben haben eine Menge von 15.000 Menschen zusammengebracht, die lauthals ihren Unmut über ihre Situation kundgeben und Slobodan Miloševic aus Belgrad muss die Gemüter beruhigen. Er trifft sich mit dem Führer der kommunistischen Partei des Kosovo, dem Albaner Azem Vllassi.

Vor dem Haus der Kultur, in dem beide sich aufhalten, eskaliert die Lage. Die zum großen Teil aus Albanern bestehende Polizei geht mit brutaler Gewalt gegen die Demonstranten vor. Der lokale Serbenführer Miroslav Solevic hatte für eine derartige Eskalation gesorgt und zwingt den Apparatschik hinaus vor die Menge. Der eingeschüchterte Miloševic will mit den altbekannten politischen Floskeln beginnen, da erfährt er von der Härte des Polizei-Einsatzes. In diesem Moment entfährt ihm der Satz, der für viele als Fanal des kommenden Krieges gilt: „Niemand darf euch schlagen!“

Danach wird aus dem blassen Funktionär der neue serbische Held des Kosovo, der offen für seine Landsleute Partei ergreift. Die aufgebrachte Menge wird Miloševic in Belgrad an die Macht bringen. Anfangs glauben auch westliche Beobachter, aus dem neuen Star könnte der jugoslawische Gorbatschow werden, doch verkennen sie die Sprengkraft balkanischer Nationalismen. Von nun an wird es um den Erhalt Jugoslawiens unter einer vorherrschenden serbischen Teilrepublik gehen. Um jeden Preis soll verhindert werden, dass Serben in anderen Teilrepubliken nach deren Eigenstaatlichkeit zur Minderheit werden. Folgerichtig hält Slobodan Miloševic am Jahrestag der Schlacht auf dem Amselfeld 1989 am dortigen Ehrenmal Gazimestan eine aufputschende Rede und hofft, auch die Serben in Kroatien und Bosnien mitzureißen.

Neusortierung nach Nationalitäten

In Kroatien hat sich der Psychiater und Bekannte Karadics, Jovan Raškovic, an die Spitze der Krajina Serben gesetzt, während es in Bosnien bis 1990 keine zentrale serbische Bewegung gibt. Radovan Karadic, der bislang nicht als Nationalist aufgefallen war, tummelt sich noch in einer grünen Splitterpartei, bevor er durch seinen Freund Dobrica Cosic angeregt wird, einen Ableger der in Kroatien agierenden serbischen Partei SDS zu gründen. Die kommunistische Partei Bosniens war bereits zerfallen und Bosnier wie Kroaten hatten längst ihre eigenen Parteien gegründet. Karadics Partei ist im bosnischen Parlament zunächst moderat und gibt sich tolerant gegenüber anderen Nationalitäten sowie ehemaligen Kommunisten.

Das ändert sich, als die staatliche Unabhängigkeit Bosniens immer offener vorangetrieben wird. Miloševic versucht von Belgrad aus, den Verbleib Bosniens in Jugoslawien zu sichern. So unterbreitet er 1991 dem bosnischen Politiker Adil Zulfikarpašic umfassende Vorschläge zur Besetzung wichtiger Ämter in Staat und Militär mit bosnischen Muslimen. Er glaubt zu dieser Zeit noch, die Mehrheit der Bosnier wolle in Jugoslawien bleiben, während Radovan Karadic den bosnischen Parteiführer Alija Izetbegovic bereits als verkappten Islamisten ansieht.

Friedliche Volksabstimmungen oder Krieg?

Es ist dann auch Izetbegovic, der die Gespräche zwischen Miloševic und Zulfikarpašic nach seiner Rückkehr aus den USA kurzerhand abbricht. Ab diesem Zeitpunkt werden die Redeauftritte Radovan Karadics bedrohlicher. Er, der als Student ganz in der Pose Neros Sarajevo in Gedichten als brennend beschrieb, droht mit Krieg für den Fall, dass Bosnien unabhängig würde. Nicht nur das, auch das Risiko der ethnischen Vernichtung wird von ihm immer deutlicher beschworen.

Zu diesem Zeitpunkt beginnen die bosnischen Serben damit eine Schattenregierung für die von ihnen bewohnten Gebiete Bosniens zu errichten. Parallel-Strukturen sollen die serbischen Territorien untereinander verbinden und von der Regierung in Sarajevo trennen. Den serbischen „Reichsbürgern“ schwebt nun die Vereinigung aller Serben vor. Dem Referendum über die staatliche Unabhängigkeit, das am 29. Februar 1992 beginnt, bleibt die serbische Partei SDS demonstrativ fern. Beobachter beschreiben den Verlauf als rechtmäßig und fair. Noch scheint alles ruhig.

In Belgrad liegen zu dieser Zeit bereits Einsatzpläne für die jugoslawische Bundesarmee vor, welche vorsehen, dass serbische Gebiete abgeriegelt und geschützt werden (Codename „RAM“). Unterstützung soll von serbischen Freiwilligen kommen, die sich zu Freischärlern zusammengetan haben und „die Drecksarbeit“ erledigen.

Trotz immer wieder kehrender „Zwischenfälle“ mit aus Kroatien eingesickerten serbischen Paramilitärs wird der „Startschuss“ für den Sezessionskrieg in Bosnien in Sarajevo abgegeben. Es ist ein bosnischer Gangster, Ramiz Delalic, der auf eine serbische Hochzeitsgesellschaft feuert. Erst 2007 wird der Schütze von den bosnischen Autoritäten vor Gericht gestellt. Bevor es aber zur Verhandlung kommt, wird der Angeklagte durch einen anderen Gangster niedergestreckt. Mögliche Verstrickungen bosnischer Regierungskreise tauchen nur noch in Gerüchten auf. Ein anfänglich „ordnungspolitischer Konflikt“ (Holm Sundhaussen) in einer multikulturellen Gesellschaft wurde zum blutigen Bürgerkrieg.

Epilog: Dürfen uns alle schlagen?

Das multikulturelle Jugoslawien, einst ein weltweit geachteter Staat, in dem die Deutschen gerne Urlaub machten, scheiterte krachend. Immerhin gab es ein Gründungs-Narrativ und in Josip Broz Tito eine überragende Vater-Figur, zu der alle aufschauen konnten. Das weiter drohende Multi-Kulti-Experiment in Deutschland verfügt hingegen weder über solch einen Gründungs-Mythos noch über eine Figur von Format: Zur „Mutti“ werden wohl nicht einmal ihre neuen Schützlinge aufschauen, auch wenn das gegenwärtig im Wahlkampf anders aussieht.

Hingegen gibt es schon strategische Überlegungen, wie solch ein Modell, passend für die Neubürger, zu installieren sei. Das Impulspapier der Bundesbeauftragten für Migration, Aydan Özoguz (SPD), immerhin der Bundeskanzlerin als Staatsministerin unterstellt, kann als eine Art Verfassung einer multikulturellen Gesellschaft bewertet werden. Dort wird gleich von einem „Staatsziel“ geredet, das ins Grundgesetz gehöre.

Deutschland solle dort als „vielfältiges Einwanderungsland“ bezeichnet werden. Diese Bezeichnung ist zugleich Selbstverpflichtung, die flächendeckend in die Tat umgesetzt werden soll. Dies ist erforderlich, da es ja noch die deutschen Ureinwohner gibt, denen mit „Qualitätsmanagement“ (Neusprech für „Kontrolle“), Checks der interkulturellen Öffnung, Quoten, Leitbildentwicklungen, Mehrsprachigkeit und Slogans („Wir sind Bund“) auf die Sprünge geholfen werden müsse.

Führt „Vielfaltslobbying“ zu friedlicher Vielfalt?

Es versteht sich, dass dies „Chefsache“ werden müsse, unterstützt durch ein sogenanntes „Vielfaltslobbying“. Wer hier neben anderen das Sagen bekommt, kann manch einer schon heute am eigenen Leib erfahren, sollte er in oder in der Nähe einer No-Go-Area leben. Kosovo ist auch bei uns, nur hören wir statt „Niemand darf euch schlagen!“ ein farbloses „Wir schaffen das“.

Schauen wir aber ein letztes Mal zu den Serben. Der Nobelpreisträger für Literatur, Ivo Andric, beschreibt in seinem gefeierten Roman Die Brücke über die Drina recht plastisch das Pfählen eines serbischen Bauern, der zu Sabotage am Bauwerk der Osmanen aufgerufen hatte. Doch fern davon Abschreckung bei allen Umstehenden zu erwecken, hat der Martertod des Bauern eine andere Wirkung auf die serbischen Untertanen des Sultans: „Auch wer früher von Zerstörung und Widerstand nichts hatte hören wollen, war nun bereit, viel zu geben und alles zu tun. Der Mensch auf dem Pfahl wurde zur allgemeinen Sorge und zum allgemeinen Heiligtum“.

(Bild: Tito, von: amanda, flickr, CC BY-NC-ND 2.0)

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