Bereits Ende 2017 erschien im Arnshaugk-Verlag das Buch „Judas EKD“ des bekennenden Lutheraner Peter Bickenbach.
Hat die Evangelische Kirche Deutschlands (EKD) heute wirklich die Rolle des Gegenspielers des christlichen Glaubens inne, daß man sie mit Judas vergleichen kann? Ja, wie der orthodoxe Lutheraner Peter Bickenbach meint. Der in einem evangelischen Pfarrerhaus aufgewachsene Bickenbach hat es sich mit seinem neuen Buch zur Aufgabe gemacht, die Lehren Martin Luthers zu verteidigen, welche er heute in der offiziellen Amtskirche vor dem Ausverkauf sieht.
Bei der Gründung 1945 hatte der amerikanische Geheimdienst OSS seine Finger im Spiel
Entgegen der Vermutung, welche der Titel des Buches erzeugt, liegt der Schwerpunkt jedoch nicht auf der aktuellen Kirchenpolitik der EKD, sondern auf dem historischen Weg zu dieser. Der Beginn der Abhandlung setzt mit der Zeit der Reformation ein, welche Bickenbach nachzeichnet, wie er auch Beweggründe aufführt, die zu dieser führten. Insbesondere das luthersche Denken selbst, mit seinem manchmal sonderbar harten, manchmal gütig weichen Charakter, zeichnet Bickenbach nach und versucht es dem Leser so verständlich zu machen.
In diesem Zusammenhang ist vor allem auf die Zwei-Reiche-Lehre Luthers hinzuweisen, welche die EKD, laut Bickenbach, zugunsten einer Zivilreligion nach 1945 durch die aufgebürdete Kriegsschuld klar vernachlässigt. Für Luther wäre es demnach schlichtweg ein Verkennen der christlichen Heilsbotschaft gewesen, eine weltliche Schuld zu predigen, zumal diese nicht entschuldbar ist und klar religiöse Züge trägt.
„Die neue EKD-Zivilreligion agiert deshalb negativ, weil mit ihr das deutsche Volk nicht mehr gestützt und erbaut werden soll, sondern weil das religiöse Sendungsbewußtsein von des Siegers Gnaden darin besteht, es kollektiv für unbeschränkte Zeit auf die Anklagebank zu setzen“, so Bickenbach. Daß gerade der deutsche Protestantismus nach 1945 so verdreht werden konnte, kann dem Leser dann nur noch als ein ungeheures Uminterpretieren der eigentlichen Lehre erscheinen.
Das Dogma von der Erbsünde blockiert von vorneherein alles Moralisieren
Statt solche theologischen Anmaßungen zu beheben, geht die EKD hingegen noch weiter und deutet selbst die Bergpredigt als ein sozialpolitisches Programm. Die Philosophin Hannah Arendt quittierte solch diesseitigen Heilsversprechungen bereits vor Jahrzehnten wie folgt: „Von Machiavelli bis Max Weber ist vielfach auf die verheerenden Konsequenzen für jede Gesellschaft hingewiesen worden, die allen Ernstes begänne, den ethischen Vorschriften Folge zu leisten, die sokratisch, platonisch oder christlich den Menschen im Singular betreffen.“ An was es der EKD also krankt, liegt in ihrem ethisch-optimistischen Menschenbild begründet, wonach sich der Mensch grundlegend bessern könne und sich selbst ein Himmelreich auf Erden zu schaffen fähig sei.
Luther zufolge ist die Menschheit seit dem Sündenfall von Adam und Eva unverbesserlich; allen liberalen Theologen seit dem 19. Jahrhundert zum Trotz, die etwas anderes behaupten wollen. Deshalb wird die Ungleichheit zwischen den Menschen notwendig ein fester Bestandteil der Welt bleiben, gegen den grundsätzlich anzukämpfen zu wollen gotteslästerlich ist. Gerade im Unterschied zum Katholizismus könne sich der Mensch im lutherischen Verständnis Gott durch eigenes Zutun eben nicht annähern.
Was am Ende allein und wirklich zählt, ist der Glaube selbst. So geht es letztlich im Kern des christlichen Glaubens nicht um Sittlichkeit und eine erbauliche Moral, sondern um das Seelenheil durch den Glauben an Christus. Alles andere muß fortan wieder als Irrweg begriffen werden, so Bickenbach.
„Für meine Deutschen bin ich geboren, ihnen will ich auch dienen.“ Martin Luther
Neben einer ausführlichen Darlegung dieses Gedankenganges versammelt das Buch historische Abhandlungen, wie etwa über den Unterschied zwischen den Reformatoren Luther und Calvin, sowie einen Überblick über die Entwicklung des deutschen Protestantismus überhaupt. Auch eine breite Kritik an liberalen Theologen fehlt im Buch nicht, wie es auch eine kurzweilige Präsentation vieler bedeutender Persönlichkeiten aus evangelischen Pfarrhäusern in Deutschland aufweist.
Wegen dieser Fülle an unterschiedlichen Themen sei das Buch somit vor allem jenen ans Herz gelegt, die aus protestantischer Sicht nach theologischen Argumenten gegen allzu liberale Auswüchse des heutigen Protestantismus suchen. Zudem liefert es einen wertvollen historischen Überblick über die Genese der evangelischen Kirche, die keineswegs immer mit der heutigen EKD zu vergleichen war.
Peter Bickenbach: Judas EKD. Die Irrlehren einer abgefallenen Kirche. Arnshaugk Verlag, 2017, 296 S., 24 Euro.
4 Kommentare zu “Die Evangelische Kirche vor dem Ausverkauf”