Das finnische Schulsystem gilt in Deutschland seit Jahren als Vorbild: Regelmäßig verweisen insbesondere linksliberale Pädagogen auf das angeblich so ideale Schulsystem in dem skandinavischen Land.
Klar ist: Die Finnen lassen sich jedenfalls nicht lumpen und nehmen ordentlich Geld in die Hand. Jedes Kind kriegt ein Kantinenessen, in den Klassen sind neben den Lehrern auch noch Lehrer-Assistenten, die sich beispielsweise um schwächere Schüler kümmern, und die technische Ausstattung ist wohl ebenfalls ziemlich gut.
Doch auch für die jungen Linken in den deutschen Schülervertretungen hat Finnland einige tolle Träumereien zu bieten: Kaum Hausaufgaben, viele Pausen; Lehrer, die keinen Frontalunterricht betreiben, sondern eher Gruppenarbeit moderieren. Bis zur neunten Klasse werden Kinder zusammen unterrichtet. Noten gibt es frühestens ab der fünften, verpflichtend erst ab der siebten Klasse.
Alle pilgerten nach Finnland
Kein Wunder also, dass so ziemlich alles, was sich links nennt, seit dem PISA-Erfolg im Jahr 2000 in das kleine skandinavische Land gepilgert ist, um sich von dem zu überzeugen, was eigentlich schon der gesunde Menschenverstand als Schimäre enttarnt: Dass ein Schulsystem ohne Leistungsdruck, ohne Autorität und nur mit Kuschelpädagogik bessere Ergebnisse erziele, als eine herkömmliche Schule, wie sie seit mehr als hundert Jahren bewährt ist.
Was nicht in der PISA-Studie stand: Das oben beschriebene Schulsystem war zu diesem Zeitpunkt erst vor kurzer Zeit eingeführt worden. Zuvor gab es in Finnland ein recht konservatives System mit klassischem Frontalunterricht. Letztlich waren daher die Ergebnisse überhaupt nicht aussagekräftig – jedenfalls nicht dergestalt, als dass sie etwas über die Qualität des neuen linken Schulsystems ausgesagt hätten, denn die große Mehrheit der finnischen Schüler war zu diesem Zeitpunkt noch mit dem klassischen System groß geworden. Die guten Ergebnisse waren also gerade nicht auf das neue System zurückzuführen, auch wenn die Rezeption eine völlig andere war.
In den letzten Jahren gab es dann den harten Fall auf den Boden der Realität: Zwischen 2003 und 2015 haben finnische Schüler so viele Punkte in PISA verloren, dass sie dem Lernerfolg eines ganzen Schuljahres entsprechen. 2007 ergab eine UNICEF-Studie sogar, dass ausgerechnet im linksverträumten Finnland die Schüler weniger gerne zur Schule gehen als in vielen anderen reichen Ländern der Welt.
Jetzt werden auch noch die Fächer abgeschafft
Doch umsteuern will Finnland angesichts des omnipräsenten Lobes nicht und geht offensichtlich den falschen Weg einfach weiter: Der jüngste Streich ist der Beschluss, bis 2020 die Schulfächer einfach abzuschaffen. Englisch, Finnisch, Mathematik, Geschichte – das soll der Vergangenheit angehören. Stattdessen werden Seminare angeboten – beispielsweise „Work in a café“, in dem Schüler auf Englisch ein Café leiten und somit interdisziplinär lernen sollen. Der Effekt dürfte sein, dass Themen noch oberflächlicher behandelt werden und Schüler, wie es sogar offiziell als Ziel benannt wird, nur noch das lernen, was sie lernen wollen.
„Phenomenon-Based Learning“ heißt dies dann und soll dazu beitragen, Gesamtzusammenhänge zu erkennen, statt sich nur mit Einzelaspekten zu beschäftigen. In welchem Umfang die einzelnen Schulen diesen fächerübergreifenden Unterricht einsetzen, bleibt übrigens ihnen selbst überlassen. Auch dies könnte zu größtem Chaos führen, weil somit jede Schule etwas anderes machen kann.
Deutschland ist jedenfalls gut beraten, das dreigliedrige Schulsystem zu bewahren und vor allem Haupt- und Realschule wieder stärker in den Mittelpunkt zu rücken, anstatt das Abitur als Mindestvoraussetzung für Erfolg im Leben darzustellen. Gerade in der Hauptschule könnten sogar tatsächlich projektorientierte, praktische Unterrichtseinheiten beispielsweise in einer Schreiner- oder Kfz-Werkstatt tatsächlich einen Gedanken wert sein, sodass sich am Ende doch noch irgendwie der Kreis zu Finnland schließt.
(Bild: Schule in Finnland, Mikko Muinonen, flickr, CC BY-NC-ND 2.0)
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