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Meine Minderheit, deine Minderheit

hollabackDa will man doch nur seinen Anteil am NGO-Kuchen und dann verheddert man sich in den unterschiedlichen Minderheiten. Offensichtlich ist man doch nicht feminin-multitaskingfähig genug, um mit deren unterschiedlichen Schutzsphären gleichzeitig zu jonglieren …

Aber der Reihe nach. Im Grunde wäre alles eine ganz alltägliche Sache. Da gibt es in Amerika eine NGO namens Hollaback! – das Ausrufezeichen gehört zum Namen – diese edle Vereinigung hat sich zum Ziel gesetzt, die sexuelle Belästigung von Frauen auf der Straße zu bekämpfen. Wirklich, keine Zeile wert, jedenfalls nicht hier. Die Kollegen von der ZEIT können sich mit so etwas ja den ganzen Tag einen runt … ach lassen wir das.

Auf jeden Fall braucht dieser Verein Geld. Normalerweise sorgt der Slogan „You have the power to end street harassment“ für die Einnahmen. Aber irgendwie reicht es jetzt nicht mehr, oder die Firmen … äh Vereinsleitung hat beschlossen auch nicht größenwahnsinnige Spender anzusprechen.

Auf jeden Fall musste ein Werbefilmchen her. Das geht ganz einfach, man nehme eine junge, nicht ganz hässliche Frau, und lasse sie zehn Stunden durch die Straßen Manhattans laufen. Das filme man und stelle einen Ausschnitt davon auf Youtube. Schwupps hat die Schöne ihre fünfzehn Minuten Ruhm und Hollaback!, hoffentlich, schwarze Zahlen.

Das Video ist nicht gerade erbaulich. Permanent wird die Holde angepfiffen oder angequatscht. In der Tat, nicht besonders gentlemanlike der amerikanische Mann. Nur da liegt der Haken: ist das denn „der amerikanische Mann“, der hier so unvorteilhaft in Erscheinung tritt? Es sind fast ausschließlich Schwarze und Latinos, die der Weiblichkeit auf die Nerven fallen. Das ist doch mal Stoff für rassistische Weblogs wie diesen hier!

Leider ist es nicht nur uns aufgefallen und jetzt ist der Teufel los. Hollaback! muss sich in einem Stil entschuldigen, der an die Abschwörungsformeln mittelalterlicher Ketzer erinnert. Hollaback! gibt es zu, den Film, versehentlich versteht sich, so geschnitten zu haben, dass Farbige deutlich überrepräsentiert sind. Wie soll man auch sonst aus der Sache herauskommen?

Hollaback! hat sich in den verschiedenen Schutzzonen der einzelnen Minderheiten verfangen. Auf seine Weise hat das etwas von einer griechischen Tragödie. Das ganze System des Gutmenschentums, von dem auch Hollaback! lebt, beruht darauf, dass Minderheiten, nun bestimmte Minderheiten, als sakrosankt gelten. Hauptberufliche Gutmenschen leben davon, dass sie sich für eine dieser Minderheiten engagieren. Hobby-Gutmenschen bezahlen sie dafür und kaufen sich dadurch ein gutes Gewissen. Das heißt, wenn sich der hauptberufliche Gutmensch nicht vom Staat aushalten lässt, aber das ist eine andere Geschichte.

Hollaback! jedenfalls engagiert sich für Frauen. Die sind zwar keine Minderheit, aber gefühlt eben schon und damit wäre alles in Ordnung, wenn Hollaback! nicht einer anderen Minderheit auf die Zehen getreten wäre. Das ist die Grundregel im Gutmenschenspiel. Schuld am Elend der eigenen Minderheit ist immer der gemeinsame Feind: Reiche, Weiße, Männer, Heterosexuelle. Keinesfalls ist aber eine andere Minderheit schuld. Das nämlich führt unweigerlich zu moralischen Konflikten und der Gutmensch ist ja gerade deshalb ein Gutmensch geworden, um sich der moralischen Konflikte zu entledigen und einfach nur gut zu sein.

(Bild: Screenshot: 10 Hours of Walking in NYC as a Woman)

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