Gesichtet

Wie die deutschen Medien über Aleppo berichten

Aleppo ist gerade eines der Topthemen in jeder Tagesschau. Wer hier gut und böse ist, steht für unsere Leitmedien schon lange fest. Doch ist es so einfach?

In ziemlich jeder namhaften Zeitung konnte man folgende Phrase lesen: „Aleppo ist gefallen“. Verwirrt betrachte ich die schreckliche Meldung. Konnten der Islamische Staat und die Rebellen das Ruder doch noch einmal rumreißen? Die nächsten Zeilen geben Klarheit: Assad, in Koalition mit dem russischen Militär, haben es geschafft Aleppo unter Kontrolle zu bringen.

Interessant, was Medien mittlerweile unter „gefallen“ verstehen. Der legitime Machthaber Syriens erlangt die Kontrolle über eine der wichtigsten Städte seines Landes zurück. Aufständische, Rebellen und der IS weichen immer weiter zurück, hinterlassen ein Trümmerfeld, und die Mateteetrinker aus den linken Zeitungen beschreiben das nach Jahren der Auseinandersetzung nun zumindest friedliche Aleppo als „gefallen“. Diese Journalisten schrecken nicht davor zurück, Rebellen, meist fundamentalistische Islamisten, ins rechte Licht zu rücken, nur um Assad und Putin als die wahren Bösen darzustellen.

Putin und Assad fressen Kinder

Nachdem die „unheilige Allianz“, wie die Kooperation von syrischer Regierung und Russland oft benannt wurde, es nach blutigen Kämpfen schaffte, ihre territoriale Hoheit teilweise wieder herzustellen, schrillen die Alarmglocken bei Transatlantikern, Gutmenschen und Springer-Schreiber_Innen. Nach dem gleichen System, wie nach der gewonnenen Wahl Donald Trump diffamiert wurde, werden hier Fakten verdreht und dem Zeitungskonsumenten mundgerecht serviert.

Alle Register werden gezogen: Zivile Opfer, tote Kinder, Trümmer, Zerstörung, weinende Frauen, freiheitsliebende Assad-Gegner, die nun angeblich um ihr Leben fürchten. Bild.de spricht sogar von einem neuen Giftgasangriff, natürlich wieder von Assad. Man erinnert sich an den Giftangriff auf Ghuta, östlich von Damaskus, der beinahe den militärischen Super-Gau auslöste, Assads Ruf zerstörte und ihn nachhaltig als tyrannischen Despoten darstellte. Noch heute ist ungeklärt, wer wirklich für den Giftgasangriff verantwortlich war.

Was sind hier Fake News?

Gleichzeitig berichten die großen Zeitungshäuser vom neuen postfaktischen Zeitalter, kruden Verschwörungstheoretikern und den sogenannten „Fake-News“, die selbstverständlich nur dann falsch sind, wenn sie nicht den eigenen Paradigmen entsprechen. Man wird mit leidenden Menschen überflutet, die scheinbar erst zu leiden beginnen, als der Krieg in Aleppo als beendet gilt. Diese einseitige Berichterstattung kann kaum der Wahrheit entsprechen.

Eva Bartlett, eine kanadische Journalistin, behauptet in einer Pressekonferenz der UN (Video siehe unten) sogar, dass es keinerlei neutrale Beobachterposten in Aleppo gäbe und es sich bei vielen Nachrichten tatsächlich um bewusste Falschmeldungen handelte, die seitens westlicher NGOs und Think-Tanks verbreitet wurden. Was soll man also noch glauben? Fakt ist, dass ein normal arbeitender Mensch weder Zeit noch Muße hat, sich durch das Dickicht von Halbwahrheiten und Lügen hindurchzuschlagen. Wer es dennoch versuchen will: Eine kritische Zusammenfassung der „Hilferufe“ aus Aleppo findet man hier.

Mediale Offensive für die „moderaten“ Rebellen

Man fährt also eine Doppelstrategie: Zum einen schiebt man jegliches Unheil, dass in Syrien entstanden ist, Assad und Putin in die Schuhe und untermauert diese Behauptungen mit postfaktischen Emotionen, hilfesuchenden Podcasts und „Tweets“. Zuletzt meldeten sich zahlreiche „Aktivisten“ zu Wort, dass sie in den Händen der Assad-Regierung nicht mehr sicher seien. Da fragt man sich doch, in welchen Bereichen diese Personen aktiv waren, dass sie nun ihr Leid und Leben bedroht sehen.

Nur einen Tag nach der Rückeroberung Aleppos, allen Behauptungen und der Stimmungsmache zum Trotz, verkündete Assad freien Abzug der Rebellen aus der Stadt in ein entferntes Gebiet. Gleichzeitig filmt ein „Journalist“ den Abzug dutzender Leute und behauptet, dass diese vor Assad flüchten müssten. Übrigens: Syriens Regierung hatte bereits im Oktober den Rebellen Amnestie angeboten. All diejenigen, die in den letzten Tagen also rumjammern, dass sie nun in den Fängen des Despoten gelandet seien, hätten bereits im Oktober ein halbwegs friedliches Leben wiederaufnehmen können. Stattdessen blieben sie, widersetzten sich weiter und können dennoch unbehelligt abziehen.

Derweil herrscht Waffenruhe in Aleppo, die, wie sonst so oft, noch nicht von den „moderaten“ Rebellen gebrochen wurde. Auch behaupten viele „Akteure“ in den sozialen Medien, nun den Kampf für die Freiheit aufgeben zu müssen. In der Realität sehen ihre Ziele anders aus. Eine der „Anti-Assad-Parteien“, die vom Westen und Saudi-Arabien unterstütze Al-Nusra-Front, ist Anhänger des Wahabismus und des Salafismus, mit dessen Auswüchsen man sich mittlerweile schon in Deutschland auseinandersetzen muss. Die Al-Nusra-Kämpfer gehören wiederum zum sogenannten Dschaisch al-Fatah, zu denen auch die Muslim-Brüder zählen. Freiheit scheint das letzte auf ihrer Agenda zu sein. Stattdessen ist ihre Hauptmotivation die Durchsetzung des sunnitischen Glaubens.

Völkerrechtswidrige Intervention der Amerikaner

Zuletzt einige Zeilen zum völkerrechtlichen Charakter des Konfliktes: Russland handelte auf Einladung des legitimen Machthabers Assad, wodurch nicht auf das internationale Interventionsverbot abgestellt werden darf. In Krisensituationen ist es Ländern gestattet, Hilfe von anderen Staaten zu suchen. Stattdessen handelten die USA und alle beteiligten Verbündeten völkerrechtswidrig, indem sie nachweislich die Rebellen mit Waffen versorgten. Dabei darf im öffentlichen Raum natürlich die Betonung „moderat“ nicht fehlen. Schließlich handelte es sich um die Guten, die nur mit „leichten Waffen“ (Spiegel) unterstützt wurden.

Grundsätzlich ist eine Intervention im Sinne der UN-Charta nicht zulässig, wenige Ausnahmen müssen im Weltsicherheitsrat verabschiedet werden und können beispielsweise mit Verbrechen gegen die Menschlichkeit begründet werden. Diese geplante Resolution scheiterte im Oktober, weshalb sich die USA weiterhin ohne Mandat in die inneren Angelegenheiten Syriens einmischten. Offiziell natürlich unter dem Leitstern der Freiheit. Allen Leuten, die das nicht glauben, sei gesagt:  Wie schafft es ein Haufen Rebellen sich jahrelang gegen die syrische Regierung, in Koalition mit einer der mächtigsten Staaten der Erde, zu behaupten? Allah liefert meines Wissens keine Waffen.

Sobald sich der syrische Konflikt nur ansatzweise voranbewegt, hat der Westen wieder nichts Besseres zu tun als Öl ins Feuer zu gießen und die Stimmung anzuheizen. Für Fakten scheint sich jedoch niemand zu interessieren, stattdessen wird regemäßig das Leid von (bezahlten?) Einzelpersonen gezeigt, das aus irgendeinem Grund immer von syrischen Regierungstruppen verursacht wurde. Gleichzeitig beginnt die Fake News-Propaganda vieler Medien, die kritische Stimmen abwürgen sollen. Hoffen wir, dass für diese Entwicklungen nur der gekränkte Stolz tendenziöser Journalisten verantwortlich ist und nicht der pseudomoralische Weg in einen weiteren Krieg geebnet werden soll.

(Bild: Wojtek Ogrodowczyk, flickr, CC BY-NC 2.0)

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1 Kommentar zu “Wie die deutschen Medien über Aleppo berichten

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