Anstoß

Aufklärung, Christentum und Heidentum

Georg Immanuel Nagel antwortet auf Christian Schumachers Darstellung christlicher Errungenschaften und stellt dabei sowohl das Heidentum als auch den Katholizismus der Aufklärung gegenüber.

Der in der BN erschienene Text von Christian Schumacher über „die Errungenschaften des christlichen Abendlandes“ ist ein klassisches Beispiel für Argumentationsweisen, die bei vielen modernen Christen beliebt sind, wenn es darum geht die Bedeutung des Christentums für die kulturelle und geistige Prägung Europas zu betonen, die ihrer Meinung nach wieder verstärkt hervorgehoben werden sollte.

Wir haben es bei Schumachers Ausführungen jedoch mit einem post-aufklärerischen Christentum zu tun, dass viele Aspekte der Aufklärung in das Christentum hineininterpretiert und gleichzeitig auch die Geschichte, die als stetiger „Fortschritt“ bejubelt wird, ziemlich frei umschreibt, damit dieses moderne Christentum sich auch hier wiederfindet. Die Darstellungen sind dadurch aber überwiegend ahistorisch.

So nah und doch so fern

Weiters wird bei Schumacher die ganze mit dem Christentum verbundene Ideengeschichte auf eine übersimplifizierte Gegenüberstellung eines gleichermaßen falsch, wie finster dargestellten Heidentums mit der im hellsten Lichte strahlenden christlichen Aufklärung reduziert. Es ist freilich ideengeschichtlich richtig, dass viele Aspekte der Aufklärung und der darauf folgenden modernen Ideologien ihren Ursprung im Christentum haben. Die Aufklärung ist jedoch eine Überwindung des Christentums, bzw. eine Säkularisierung desselben und insgesamt als negativ zu bewerten. Eine Apologetik des Christentums mit der Aufklärung, also von links, zu betreiben, ist somit abwegig, da dies weder dem Christentum noch einer rechten bzw. konservativen Politik zuträglich sein kann.

Auf Grund der eindeutigen ideengeschichtlichen Verknüpfung zwischen Aufklärung und Christentum wird letzteres von vielen Rechten gänzlich abgelehnt und zuweilen gar für die gegenwärtige Misere verantwortlich gemacht. Dem ist jedoch die ganz und gar nicht liberale Geschichte des christlichen Abendlandes, wie beispielsweise die große militärische Leistung der Kreuzzüge, gegenüberzustellen. Die katholische Religion in „Reinform“ ist eben doch nicht mit allen Aspekten der Aufklärung vereinbar. Hierbei soll gar nicht verneint werden, dass Schumacher das moderne Christentum, so wie es wohl heutzutage bei uns überwiegend propagiert wird, prinzipiell richtig darstellt. Wenn jedoch vom „christlichen Abendland“ gesprochen wird, so müssen wir diese Religion zur ihrer Blütezeit und nicht in der Stufe des Niederganges betrachten.

Religion und Wissenschaft sind nicht verbunden

Zunächst weist Schumacher darauf hin, dass in christlichen Klöstern auch antike Schriften bewahrt, sowie gelesen und gelehrt wurden und, dass die Klöster allgemein Stätten der Bildung und der Literalität waren. Das kann man nicht abstreiten. Doch der Untergang Roms war natürlich zuerst einmal ein Bruch der Zivilisation und keinesfalls eine Aufwertung. Das Christentum entstand auf den Ruinen einer verblühten Hochkultur und das Mittelalter war zunächst eine eher raue Zeit.

Nicht umsonst spricht man im Englischen auch von den Dark Ages. Das Christentum an sich war nicht sofort für eine allgemeine Hebung der Bildung verantwortlich. Vielmehr ist es so, dass, um mit Spengler zu sprechen, die „apollinische Antike“ durch das „faustische Abendland“ abgelöst wurde. Dass dieses Abendland in seiner Blüte christlich war, ist klar, doch auch diese neue Kultur musste erst aus ihrer Frühphase erwachsen. Wir haben es hier mit einer langen Entwicklung zu tun, die auch Synkretismen und Kontinuitäten beinhaltete und eben nicht mit einem linear „aufsteigenden“ Geschichtsverlauf.

Dann bringt Schuhmacher das beliebte Argument, dass das Christentum für das Erblühen von Wissenschaft und Technik im Abendland verantwortlich wäre, da durch es der angeblich in der Antike vorhandene Gegensatz zwischen „Glaube und Vernunft“ aufgelöst worden wäre. Es ist der faustische Geist Europas, der mit Anfang der Neuzeit eine nie dagewesene Explosion naturwissenschaftlicher Erkenntnisse hervorbrachte. Diese Zeit ist als Beginn des Übertritts von der Stufe der „Kultur“ hin zur „Zivilisation“ zu betrachten, womit auch immer eine Verringerung der Religiosität einhergeht. Wir leben in einer Zeit, in der das Christentum nur noch eine geringe gesellschaftliche Rolle spielt, jedoch die Naturwissenschaften in vielen Bereichen blühen.

Religion ist für das Irrationale zuständig

An die Stelle der Religion ist bei vielen Menschen die politische Religion, also der linke Irrsinn getreten, der von einer aufklärerischen Heilserwartung geprägt ist. Wie viel schöner und besser ist es da doch stattdessen einfach an Jesus Christus oder den Jupiter zu glauben, wenn wir uns etwa den Multikulturalismus und den Gender-Wahn anschauen. Wie erfrischend ist es, wenn man heute noch echte Katholiken mit feurigem Glauben oder geerdete Neuheiden trifft und nicht nur die üblichen weichgespülten Gutmenschen-Christen.

Zudem meint Schumacher, dass die Verschiebung vom Poly- zum Monotheismus irgendwie weniger irrational wäre. Jeder Atheist würde hier heftig widersprechen. Religion hat außerdem nicht rational zu sein und wo sie dies wird, verliert sie an Kraft. Ob jetzt ein einzelner, universeller Gott für die Welt zuständig ist oder ein ganzer Pantheon, ist ein inhaltlicher, aber vom Standpunkt des Irrationalen her kein qualitativer Unterschied.

Glaube, Mythos und Spiritualität sollen sich nicht mit Logik und Wissenschaft befassen, sondern eben nur genau diese Bedürfnisse des Menschen befriedigen. Dies zu vereinen war weder für antike noch für christliche Wissenschaftler ein Problem. Ausufernden Aberglauben gab es schließlich auch zu christlicheren Zeiten genug. Die Römer lehnten eine übertriebene, fanatische Religiosität, sowie magische Vorstellungen als superstitio entschieden ab. Wo der Mythos zur bloßen Märchengeschichte absinkt, verwässert sich die Kraft des Glaubens.

Die himmlischen Mächte sollen uns beistehen

Es liegt auch ein Missverständnis vor, was den römischen Staatskult (sacra publica) betrifft. Dieser ist nicht eine Verehrung des Staates an sich, sondern ein von der öffentlichen Hand finanzierter Kultus, welcher die Götter Rom gewogen machen sollte. Bei allen Unterschieden ist die Differenz zum Katholizismus nur graduell. Kaiser Konstantin war, zumindest gemäß der christlichen Überlieferung, zum neuen Glauben übergetreten, weil er, so wie es ihm vorhergesagt wurde, im Zeichen Christi in der Schlacht an der Milvischen Brücke gesiegt hatte. Er war hierbei also in einer höchst heidnischen Vorstellung verfangen.

Schumacher irrt, wenn er auf Augustinus’ Opus Magnum „Der Gottesstaat“ verweist und meint, der Autor hätte damit ein modernes, liberales Staatsverständnis begründen wollen, in dem der Staat nur die Organisationsform einer Bevölkerung von Individuen sei, wobei die Obrigkeit lediglich noch die Aufgabe habe diese Individuen glücklich zu machen. Vielmehr reagierte der Kirchenlehrer mit seiner Kampfschrift auf den Vorwurf der Heiden, dass das Christentum am letztendlich doch nicht mehr abwendbaren (militärischen) Niedergang Roms Schuld sei, weil die alten Götter nicht mehr geehrt wurden, indem er die heidnische Vorstellung einer irdischen Belohnung der Frömmigkeit zurückwies und durch eine Entsprechung im Jenseits ersetzte.

Ordnung durch Ungleichheit

Besonders kühn ist Schumacher, wenn er im Christentum die Voraussetzung für die moderne liberalistische Vorstellung der „Demokratie“ und der auf einem totalitären Egalitarismus beruhenden „Menschenrechte“ sieht. Das christliche Abendland war die meiste Zeit alles andere als von der Demokratie beseelt, die zudem von den alten Griechen und nicht von den Christen „erfunden“ wurde.

Der Katholizismus prägte das Mittelalter nicht zuletzt durch seine Vorstellung einer göttlichen Ordnung (ordo), welche die irdische Ungleichheit der Menschen begründet. Gleich ist man nach christlicher Vorstellung nur vor Gott. Erst die Aufklärung machte dies zu einer universellen, wörtlichen Gleichheit.

Trotz der Ausführungen von Augustinus sollte sich der Staat schon bald wieder auf die Religion stützen. Die christlichen Könige regierten von „Gottes Gnaden“, was im Wesentlichen der antiken Vorstellung entspricht, dass ein erfolgreicher Herrscher ein „Liebling der Götter“ ist. Wenn beispielsweise noch in der Neuzeit der spanische Autokrat Francisco Franco sich auf Münzen mit seinem Bildnis mit der Aufschrift „Caudillo de España por Gracia de Dios“ beschreiben ließ, so war dies vielleicht nicht gerade bescheiden, aber in keiner Weise ein Widerspruch zur christlichen Lehre.

Mit der Aufklärung ist kein Staat zu machen

Kurzum, zwischen dem heidnischen Römischen Reich und dem späteren christlichen Heiligen Römischen Reich gibt es nicht nur dem Namen nach mehr Ähnlichkeiten, als man zunächst glauben möchte. Der Liberalismus und der Universalismus der Aufklärung sind hingegen eine Abwendung sowohl von antiken, wie von katholisch-abendländischen Vorstellungen.

Von Nagel ist in unserer Schriftenreihe BN-Anstoß Band XII mit dem Titel „Die Auflösung“ erschienen. Hier bestellen!

Jahrgang 1986, aus Wien, Studium der Philosophie, begreift sich als Vertreter der deutschen Alt-Right (Alternative Rechte) und ist seit 2014 als Journalist bei diversen Medien tätig und veröffentlichte mehrere Bücher. Maßgeblich war er beteiligt an PEGIDA in Österreich. Zudem ist er Gründer und Obmann von "OKZIDENT - Verein zur Förderung von Rechtsstaatlichkeit". - www.georgimmanuelnagel.at

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Datenschutzinfo