Gesichtet

Invasion der Farbkleckse

Diesen Monat fand die lange Ankunft der AfD in Berlin ihren vorläufigen Abschluß. Die letzten Bundestagsabgeordneten der Partei konnten aus ihren provisorischen Büros in das grundsanierte Dienstgebäude in der Wilhelmstraße 64 ziehen.

Den Eindruck eines bezugsfertigen Hauses trübten einzig die seltsamen Farbstriche auf den Wänden der Foyers. Wurde hier vergessen zu renovieren? Weit gefehlt. Ein Hochglanz-Faltblatt klärte die verdutzten Volksvertreter darüber auf, daß es sich um prämierte „Kunst“ handeln soll. Der Entwurf des Münsteraner Kunstprofessors Michael van Ofen zeige Hofmotive aus dem kaiserzeitlichen Berlin, mit „spielerischer Leichtigkeit“ reduziert auf die „Dekorapplikationen der Uniformen von Würdenträgern“. Das freie Arrangement von Motivelementen, so die begeisterte Jury aus neun Lehrstuhlinhabern, Künstlern und der Grünen-Politikerin Claudia Roth, „aktiviere unser Bildgedächtnis“.

Kein objektiver Kunstbegriff mehr

Das tut es. Mich persönlich erinnern die Striche an den Tanz der Leuchtkondome im 80er-Kultfilm „Skin Deep“. Aber Kunst liegt bekanntlich im Auge des Betrachters. Oder etwa doch nicht? Wenn „jeder Mensch ein Künstler“ ist, wie Joseph Beuys glaubte, wozu brauchen wir eigentlich ein Preisgericht aus Fachleuten, das Kunstwerke nach ihrer Güte bewertet und in eine Rangfolge ordnet? Die Widersprüchlichkeit ihrer eigenen Funktion scheint den Preisrichtern an keiner Stelle ihrer Beurteilung bewußt gewesen zu sein.

Einerseits hat die moderne Kunst jeden objektiven Kunstbegriff und damit auch ästhetischen Vergleichsmaßstab aufgegeben. Andererseits sollen wir einer kleinen Kaste von Kunstkritikern die Interpretationshoheit darüber überlassen, was besonders gute Kunst ist. Das irrwitzige Ergebnis sind Bilder auf dem künstlerischen Niveau eines Vorschulkindes, die von sogenannten Kunstexperten als ein „bestechendes Konzept“ gefeiert werden. Daß dies ausgerechnet im Bundestag, dem Repräsentationszentrum des deutschen Volkes, geschehen darf, beweist, wie weit der Zersetzungsprozess unserer Hochkultur inzwischen fortgeschritten ist.

Wettlauf nach unten

Wohlgemerkt ist nicht alles an moderner Kunst schlecht. Anti-Kunst hat ihre fünfzehn Minuten Ruhm in der europäischen Kulturgeschichte durchaus verdient. Man hätte ihren Wettlauf nach unten als bewußten Kontrapunkt zu den künstlerischen Höchstleistungen der Vergangenheit zelebrieren können, als eine Verschnaufpause vom ewigen Streben nach dem Schöneren, Besseren und Größen – und es dabei bewenden lassen können.

Statt dessen ist Nullkunst längst selbst zum allgegenwärtigen Dogma erstarrt. Seit Jahrzehnten wälzt sich auf einer Woge staatlicher Subventionsgelder dieselbe Minus-Ästhetik durch die hiesige Kunstlandschaft und drangsaliert ein eingeschüchtertes Publikum, das nicht mehr seinem eigenen Urteilsvermögen vertraut. Der Sinn vieler Kunstwerke erschöpft sich darin, das Abstraktionsvermögen des menschlichen Geistes so weit zu überfordern, daß er vor der Zusammenhangslosigkeit des Dargebotenen kapituliert.

Der Künstler mag ein perverses Triumphgefühl daraus beziehen, von der Masse „unverstanden“ zu bleiben. In Wirklichkeit ist es aber die Chuzpe, mit der seine Talentlosigkeit zur Schau gestellt wird, die dem Betrachter die Sprache verschlägt.

Leugnung von Schönheit

Ja, moderne Kunst provoziert nach wie vor. Aber eben nicht durch ihre Klasse, sondern ihre Banalität und Monstrosität. Kunst, die sich darin gefällt, Schönheit und Sinnhaftigkeit zu leugnen, war vielleicht einmal Avant-Garde, als Beuys Schienen stapelte und Fett in die Ecken schmierte. Heute ist es aber nur noch der Umstand, daß den Spät-68ern immer noch gestattet wird, den öffentlichen Raum mit ihrem entkernten Kunstbegriff zu verschandeln, der provoziert.

So reduktionistisch das Kunstverständnis, so atomisiert mittlerweile unsere Gesellschaft. Eine Kulturnation, in der offiziell jeder Klecks zur „Kunst“ erhoben wird, ist geistig so sturmreif geschossen, daß auch jeder, der illegal über unsere Grenze stolpert, zum „Deutschen“ erklärt werden kann. Die Aufgabe eines objektiven Kunst- und Kulturbegriffs und die Selbstaufgabe als gewachsene Volksgemeinschaft haben beide ihre Wurzeln in der post-modernistischen Lust am Zerstören.

Der Hass auf das Schöne und die Ablehnung des Eigenen – wie ein Geschwür frißt sich der dekonstruktivistische Wahn durch die identitätsstiftende Substanz unserer Kultur. Wer aber entscheidet, wenn alles relativ ist? Eine technokratische Staatselite – hier die Mandarine des staatlich subventionierten Kunstbetriebs, dort U-Boote wie die ehemalige Integrationsbeauftrage Aydan Özoguz (SPD) – erklärt par ordre du mufti, was als Kunst oder wer als integriert und als Deutscher zu gelten hat. Am Ende entscheidet also doch immer einer – nur nicht der deutsche Bürger und Steuerzahler.

Kunst und Können

Es reicht deshalb nicht mehr aus, der modernden Kunst mit Schulterzucken oder Spott zu begegnen. Dem Kulturrelativismus muß auf allen Ebenen offener Widerspruch entgegenschallen. Wir benötigen wieder einen kraftvollen Kunstbegriff, der Kunst mit Können verbindet. Post-Modernisten können gerne weiter ihren Kita-Kritzeleien huldigen. Aber nicht länger auf Kosten der Allgemeinheit. Wo „Kunst“ ohne Kunstfertigkeit daherkommt, ist sie keine staatliche Förderung mehr wert.

(Bild 1: Pixabay, Bild 2: Wilhelmstraße 64)

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